Es beginnt 1838 mit einem Seepegel, der zusätzlich meteorologische Messinstrumente enthält. Richtig in Mode kommen die Wetterhäuschen aber erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts – auch aus ästhetischen und sozialen Gründen.
Sie stehen auf Plätzen, in Parks und an Seeufern. Vergleichsweise oft sind sie in Kurorten aufzufinden. Dass jemand stehen bleibt und sie genauer betrachtet, passiert allerdings eher selten. Dabei können die mit Instrumenten bestückten Säulen eine Menge verraten – vor allem über die Begeisterung Europas für die Naturwissenschaften im 19. Jahrhundert und über die Kindertage der Meteorologie. Doch ihre Bedeutung reicht darüber hinaus.
Die Rede ist von den sogenannten Wettersäulen. Meist handelt es sich um zwei bis drei Meter hohe Säulen mit quadratischem Grundriss und einem kleinen Dach. Hinter Glasscheiben sind meteorologische Instrumente installiert, ein Barometer und ein Thermometer zum Beispiel – oft auch ein Hygrometer, mit dem man die Luftfeuchtigkeit misst. Manchmal ist an den Säulen zusätzlich eine Informationstafel oder eine Entfernungstabelle angebracht. Die kleinen Bauwerke sind in der Regel mehr oder weniger stark verziert. Viele sind in den letzten Jahren restauriert worden.
Erfunden werden die Wettersäulen in der Schweiz. Die erste entsteht im Jahr 1838 am Grand Quai in Genf (dem heutigen Quai du Général Guisan). Streng genommen handelt es sich um ein Limnimeter – einen Pegelstandsmesser – für den Genfersee. Doch in diesen Pegel werden erstmals auch meteorologische Instrumente eingebaut. Der Initiator der neuartigen Konstruktion war niemand Geringeres als der Schweizer General, Ingenieur und Politiker Guillaume-Henri Dufour, der unter anderem für seine Mitwirkung an der ersten präzisen Karte der Schweiz bekannt ist, der Dufourkarte.
Dass die erste Wettersäule in Genf errichtet wird, ist kein Zufall. Die Stadt ist eng mit der Geschichte der Meteorologie verknüpft. 1772 entsteht dort eine Sternwarte, an der auch meteorologische Beobachtungen gemacht werden. Ende des 18. Jahrhunderts lebt und arbeitet in Genf Horace-Bénédict de Saussure, einer der Gründer der Wetterwissenschaft. Zwischen 1787 und 1791 schmückt die erste Seite des «Journal de Genève», eines vierseitigen Wochenjournals für die gelehrte Gesellschaft, eine Tabelle mit Wetterbeobachtungen.
Mit der Zeit sammeln sich immer mehr Forscher in der Calvinstadt. 1815 wird in Genf die Schweizerische Naturforschende Gesellschaft ins Leben gerufen, die Vorläuferin der heutigen Akademien der Wissenschaften Schweiz. 1817 richtet Marc-Auguste Pictet, der Nachfolger Saussures in Genf, eine meteorologische Messstation auf dem Grossen St. Bernhard ein. Zwischen 1823 und 1837 entsteht unter Pictets Leitung in der Schweiz eines der ersten Wettermessnetze der Erde. 1838 werden die meteorologischen Messkünste schliesslich öffentlich zur Schau gestellt – im neogotischen Stil der besagten Wettersäule.
Die zweite Wettersäule entsteht erst 16 Jahre später, im Jahr 1854. Wieder an einem See – diesmal in Neuenburg. Der Anfang der Wettersäulen verläuft also eher schleppend. In den Jahrzehnten darauf sei allerdings eine Modesache daraus geworden, sagt die deutsche Wissenschaftshistorikerin Franziska Hupfer. Aufgestellt werden die Wettersäulen durch lokale Vereine oder naturwissenschaftliche Organisationen. Für wissenschaftliche Zwecke sind die Wettersäulen nicht gedacht. Oft sind sie dafür überhaupt nicht geeignet, weil ihr Standort und ihre Bauweise nicht den Anforderungen an genormte Messstationen entsprechen. Laut einer Publikation, die um das Jahr 1900 herum erscheint, handelt es sich vielmehr um «Bildungs- und Erziehungsmittel für das Volk». Auch Hupfer spricht von einem Aufklärungsprojekt.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstehen nicht nur in der Schweiz, sondern in vielen anderen europäischen Ländern immer neue Wetterhäuschen, wie sie manchmal genannt werden. 1876 wird das erste in Deutschland errichtet, in Bad Godesberg nahe Bonn. Laut dem in Opava lehrenden tschechischen Historiker Martin Pelc erreichte die Popularität der Wettersäulen ihren Höhepunkt in der Zeit des Späthistorismus und des Jugendstils, also ungefähr zwischen 1880 und 1914. «Grossstädte, Kur- und Fremdenverkehrsorte erhielten ein neues Element im Stadtbild, das gleichermassen soziale und ästhetische Ansprüche wie technischen Fortschritt verkörperte», schreibt der Historiker Peter Payer 2015 in einem Artikel über die Wetterhäuschen Wiens.
Im Allgemeinen haben Kulturwissenschafter die Wettersäulen noch kaum erforscht. Der Historiker Pelc ist einer der wenigen. Im Jahr 2014 erklärt er in einem Beitrag über Exemplare in Tschechien, das Phänomen der Wettersäulen sei dem Erbe der Aufklärung entsprungen. Die Fussgänger, die eine solche Säule konsultieren, sieht er als «Entmythologisierer». Dass der Ursprung der Wettersäulen in Genf zu finden ist, passt angesichts der zentralen Rolle, die diese Stadt im Zeitalter der Aufklärung gespielt hat, gut zu dieser Auslegung. Die zweite Funktion der Wettersäulen sieht Pelc in der Verschönerung von Städten in der Zeit des aufstrebenden Bürgertums. Eine tiefer reichende Interpretation der merkwürdigen Minibauten fehlt bis zum heutigen Tag.
Informationen über Wettersäulen, vorwiegend in Europa, hat Paul Bächtiger aus Horgen gesammelt und öffentlich verfügbar gemacht. Zu finden unter: http://www.wettersaeulen-in-europa.de/index01.html.