Der Nutella-Graben ist ein Mythos

Eine Studie der EU findet keinen Beleg dafür, dass Markenhersteller für Produkte im Osten Europas systematisch andere Zutaten verwenden als für die «Originale» im Westen.

Christoph G. Schmutz, Brüssel
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Nutella ist in Osteuropa nicht wesentlich anders als anderswo. (Eric Gaillard / Reuters)

Nutella ist in Osteuropa nicht wesentlich anders als anderswo. (Eric Gaillard / Reuters)

Die EU kann sich derzeit zwar nicht auf einen neuen Präsidenten der Europäischen Kommission einigen, doch bei der Vermessung des Nutella-Grabens gibt es Fortschritte zu vermelden.

Eine ungarische Behörde bemängelte vor einiger Zeit in einer Studie, der schokoladene Brotaufstrich sei in Wien crèmiger als in Budapest (NZZ 1. 3. 17). Obwohl eine Folgestudie der ungarischen Behörde die Differenz revidierte und bestätigte, dass es bei der Zusammensetzung keine Unterschiede gibt, gingen die Wogen hoch.

Man sei offenbar bei gewissen Produkten die «Mülltonne Europas», tönte es aus Tschechien. Im März 2017 figurierte das Thema gar auf der Agenda der Staats- und Regierungschefs der EU. In der Folge versprach EU-Kommissions-Präsident Jean-Claude Juncker, sich der Sache anzunehmen. Man witterte in Brüssel bereits eine unerwünschte Zweiklassengesellschaft im gemeinsamen Binnenmarkt.

Am Montag hat nun die Kommission eine Studie zum Thema veröffentlicht. Demnach gibt es bei 9% der verglichenen 1400 Lebensmittelprodukte eine unterschiedliche Zusammensetzung trotz identischer Vorderseite der Verpackung. Bei weiteren 22% der Nahrungsmittel variierten die Zutaten trotz «ähnlicher» Präsentation.

Woraus setzt sich Nutella in verschiedenen EU-Ländern zusammen?

Angaben in %, Stichproben von Ende 2018
Zucker
Haselnüsse
Magermilchpulver
Kakao
Rest

Die Kommission räumt ein, dass eine unterschiedliche Zusammensetzung nicht zwangsläufig eine geringere Qualität bedeute. Zudem fand man kein Muster, wonach der Osten systematisch mit minderwertiger Ware beliefert werde. Vielmehr bemühen sich die Konzerne häufig schlicht um eine Anpassung an die lokalen Geschmäcker. Nutella, das zeigt die Studie, enthält in allen 19 untersuchten EU-Staaten, darunter Deutschland, Ungarn und Tschechien, dieselben Ingredienzen.

Doch die zuständige Forschungsstelle der EU gibt sich damit noch nicht zufrieden. Sie will nun Produkte mit gleicher Verpackung und unterschiedlichen Zutaten «sensorischen Tests» unterziehen. Ein «Expertenpanel» wird also Schoko-Knuspermüesli, Vanillepuddingpulver, Corona-Bier oder ähnliche Produkte auf «Geschmack», «Struktur» und «Aussehen» analysieren, um eine Spaltung Europas zu verhindern.

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