Wenn die Dürre nicht weichen will

Blockaden des Westwinds bringen Europa oft Trockenheit. Ob solche Wetterlagen in Zukunft häufiger oder seltener werden, hängt unter anderem vom Jetstream ab. Arktis und Tropen wetteifern um den grössten Einfluss auf ihn.

Sven Titz
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Der Jetstream mäandert in einer Höhe zwischen 10 und 15 Kilometern um die Erde. (Bild: GSFC/Nasa)

Der Jetstream mäandert in einer Höhe zwischen 10 und 15 Kilometern um die Erde. (Bild: GSFC/Nasa)

Seit Monaten werden Teile Nord- und Mitteleuropas von einer starken Dürre geplagt. Pflanzen vertrocknen auf den Feldern, Waldbrände häufen sich, Flusspegel sinken auf extrem niedrige Werte. Die Dürre entstand vor allem dadurch, dass riesige Areale hohen Luftdrucks regenträchtige Wolken immer wieder umgelenkt haben.

Werden die Westwinde der mittleren Breiten auf diese Weise gehemmt, sprechen Meteorologen von «Blockaden». Im Sommer bringt eine Blockade neben Dürre oft auch Hitze, im Winter beissende Kältewellen. Angesichts der Wetterextreme, die mit Blockaden einhergehen können, wäre es nützlich, wenn Meteorologen sie gut im Griff hätten. Doch noch hält das Phänomen viele Rätsel für die Wissenschaft bereit. Zum Beispiel unterschätzen Modelle zur Wettervorhersage oft seine Dauer.

Blockade von Westwinden

Tim Woollings von der University of Oxford erforscht die Blockaden seit Jahren. Was die Wissenschaft bis anhin sicher weiss, fasste er neulich gemeinsam mit acht anderen Forschern im Fachmagazin «Current Climate Change Reports» zusammen. Typisch für die Anfangsphase einer Blockade ist demnach eine starke Strömung subtropischer Luft Richtung Norden. Daraufhin baut sich wie ein Sperrriegel ein Hochdruckgebiet auf. Blockaden treten in verschiedenen Formen auf. Ein Klassiker ist die «Omega-Lage»: Dabei lenkt ein Hoch über Europa die Tiefs entlang einer Linie um den Kontinent herum, die dem griechischen Grossbuchstaben Omega (Ω) ähnelt.

Alle Blockaden haben gemein, dass die in den mittleren Breiten dominierende Luftströmung aus dem Westen umgeleitet wird. Das zeigt sich deutlich am Jetstream, einem Band starken Windes, das sich in 10 bis 15 Kilometern Höhe um die Erde schlängelt und das Wetter weiter unten steuert. Bei Blockaden sind die Mäander des Jetstreams besonders gross und verharren wochenlang an Ort und Stelle. Das kann zu gegensätzlichen Wetterextremen führen: Während in dem einen Gebiet Dürre herrscht, fällt andernorts Regen oder Schnee im Überfluss.

Der menschengemachte Klimawandel spart keinen Teil des Klimasystems aus, also können sich dadurch auch die Blockaden ändern. Die Frage ist bloss, auf welche Weise sie beeinflusst werden. Die Antworten gehen derzeit noch weit auseinander. Modellrechnungen deuten gemäss Woollings darauf hin, dass Blockaden etwas seltener werden könnten.

Eigendynamik der Atmosphäre

In den letzten Jahren machten Studien mit ganz anderem Fazit Schlagzeilen: Weil sich die Arktis stark erwärmt, sinkt der Temperaturkontrast zu den Tropen – dadurch wird der Jetstream schwächer; Blockaden und verwandte Wetteranomalien häufen sich. Woollings hält die Hypothese für interessant. Doch die Resultate von Rechenmodellen sind uneinheitlich. Es ist zudem fraglich, ob der Arktis-Effekt stark genug ist, um sich im Durcheinander des Wetters durchzusetzen. Denn dank starker Eigendynamik erzeugt die Atmosphäre Blockaden auch spontan.

Darüber hinaus könnten andere externe Faktoren zu einer Verringerung von Blockaden führen. Der Temperaturkontrast zwischen Arktis und Tropen verringert sich zum Beispiel nur am Boden. In der Höhe des Jetstreams ist es umgekehrt. Dort erwärmt sich die Luft in den Tropen viel stärker. Dadurch weitet sich das tropische Regenband, der Jetstream wird nach Norden gedrängt, und die Neigung zu Blockaden geht zurück. Weitere Einflüsse, zum Beispiel von El Niño oder der Stratosphäre, sowie saisonale Unterschiede machen das Bild noch komplexer.

Kein klarer Trend

Die Häufigkeit der seltenen Blockaden schwankt stark von Jahr zu Jahr. Um einen klaren Trend feststellen zu können, müssen die Aufzeichnungen entsprechend lang sein, was sie aber nicht sind. Studien der letzten Jahre deuteten darauf hin, dass Blockaden häufiger geworden sein könnten. Woollings überzeugen die Belege aber nicht. In einer Studie aus dem Jahr 2014 fanden er und Kollegen keinen klaren Trend – ganz gleich, welche Jahreszeit sie betrachteten.

Viele wissenschaftliche Rätsel der Blockaden sind also noch ungelöst. Doch das Thema bleibt in den kommenden Wochen akut. Für grosse Teile Mitteleuropas geht die Dürre weiter.

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