In Basel demonstrieren rund 1000 Schülerinnen und Schüler für den Klimaschutz.(Bild: Karin Hofer / NZZ)

In Basel demonstrieren rund 1000 Schülerinnen und Schüler für den Klimaschutz.
(Bild: Karin Hofer / NZZ)

«Billigflüge sind einfach zu verlockend. Darum brauchen wir die Politik» – wieso in 15 Städten Schüler für mehr Klimaschutz die Schule geschwänzt haben

In 15 Schweizer Städten sind Schüler auf die Strasse gegangen, um der Politik Beine zu machen.

Larissa Rhyn
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«Georg, Georg, Georg», schallt es euphorisch über den Claraplatz in Basel. Georg soll eine Rede halten für den Klimaschutz. Er ist aber nirgends auffindbar. Die Organisatoren des Basler Klimastreiks stört das wenig. Spontan wollen sie bleiben, horizontal aufgestellt, basisdemokratisch organisiert. Und so greift eine andere Schülerin kurzerhand nach dem Mikrofon und klettert auf die Parkbank, die den Demonstranten als Bühne dient. Ihr Ziel: Ganz Basel soll mitbekommen, wofür die Schüler demonstrieren und den Unterricht schwänzen. Fürs Klima.

Ihre Forderungen: die nationale Ausrufung des Klimanotstandes, netto null Treibhausgasemissionen im Inland bis 2030 und, falls nötig, einen Systemwandel. Dafür gehen die Schüler nicht zum ersten Mal auf die Strasse. Im Dezember fand in mehreren Schweizer Städten der erste Klimastreik statt. Seither ist die Bewegung rasant gewachsen. Was in Zürich begann, dann auf St. Gallen, Basel und Bern übergriff, ist in insgesamt 15 Schweizer Städten angekommen. Zum ersten Mal haben es die regionalen Teams nun geschafft, dass überall gleichzeitig gestreikt wird.

Das tun die Schülerinnen und Schüler mit Überzeugung. Eine bunte Menge von etwa 1000 Jugendlichen, geschätzt zwischen zwölf und Anfang zwanzig Jahren, schiebt sich durch die Basler Innenstadt. Die Schüler haben eine prominente Route gewählt, mitten durch die Einkaufspassagen. Und ziehen amüsierte, zum Teil aber auch bewundernde Blicke auf sich. Passanten bleiben stehen, um die selbstgemalten Plakate und Transparente zu entziffern. «System Change not Climate Change», steht darauf.

#FridaysForFuture

Lea Schibler und Helena Gutknecht umarmen ihre Freundinnen, die gerade dazugestossen sind. Für sie war es keine Frage, am Streik teilzunehmen. «Es geht hier um unsere Zukunft, darum, selbst für unsere Ziele einzustehen.» Aber sind die Ziele denn realistisch? Kann die Schweiz es schaffen, ihre Emissionen bis 2030 auf null zu reduzieren? Lea schiebt sich die bunte Wintermütze aus den Augen und sagt bestimmt: «Ich weiss nicht, ob wir es schaffen, gleich auf null zu kommen. Aber es ist ein tolles Ziel. Wir sollten es versuchen.»

Mittlerweile sind die Schüler auf ihrer Route durch die Innenstadt beim nächsten Fixpunkt angelangt. Livia Benedict organisiert, wer ans Mikrofon tritt. Die 16-Jährige ist von Anfang an dabei. Trotzdem will sie nicht als Sprecherin der Bewegung bezeichnet werden. Auch wenn sie das ist, irgendwie. Livia beantwortet Medienanfragen, organisiert Bewilligungen für die Kundgebungen, sitzt mit dem Erziehungsdepartement zusammen, um die Absenzregelung zu besprechen, und hilft dabei, andere Schüler zu mobilisieren – vor allem via Whatsapp, Facebook und Instagram. Auch auf Twitter ist die Bewegung vertreten. Unter #FridaysForFuture twittern Jugendliche aus der ganzen Welt. «Den Streik haben wir ganz bewusst auf einen Freitag gelegt, denn so hat es schon Greta Thunberg gemacht», sagt Livia.

Die Schülerinnen und Schüler mobilisieren über Whatsapp, Instagram und Facebook. (Bild: Karin Hofer / NZZ)


Die Schülerinnen und Schüler mobilisieren über Whatsapp, Instagram und Facebook. (Bild: Karin Hofer / NZZ)

Greta Thunberg, der Name ist mittlerweile vielen ein Begriff. Die 15-jährige Schülerin aus Schweden hat im vergangenen Sommer beschlossen, sich auf eigene Faust gegen den Klimawandel einzusetzen. Sie streikte erst die ganze Woche, später dann, um nicht den ganzen Schulstoff zu verpassen, jeden Freitag.

Und so beziehen sich viele Schweizer Klimastreikenden gerne auf Greta. Sie, die alles ins Rollen gebracht hat. Sie, die soeben vor Uno-Generalsekretär António Guterres eine Rede schwang, dabei die Politik als Ganzes nicht nur unverblümt kritisierte, sondern vor allem unmissverständlich zum Handeln aufforderte. Greta, die Millionen Klicks auf Youtube generiert. Und die nächste Woche in die Schweiz ans WEF kommt. Aus Schweden. Mit dem Zug. 65 Stunden lang. Denn wer lautstark nach null Treibhausgasemissionen schreit, der macht sich unglaubwürdig, wenn er um die Welt jettet.

Klimastreiker und Vielflieger?

Letzteres wissen auch die Basler Schüler. Trotzdem müssen sich viele von ihnen eingestehen, dass sie zu oft in ein Flugzeug steigen. Zwischen 2000 und 2017 hat die Zahl der Flugpassagiere in der Schweiz um 60% zugenommen. Das ist die Zeit, in der die jungen Klimastreikenden aufgewachsen sind. Ob ihre Generation tatsächlich am meisten fliegt – dazu haben weder das BFS noch das Bazl Statistiken. Klar ist aber: Im Schnitt fliegt jeder Schweizer – laut Zahlen aus dem Jahr 2015 – rund 9000 Kilometer jährlich. So auch viele der Schülerinnen und Schüler, die jetzt Transparente hochhalten, auf denen Dinge stehen wie «Ihr klaut uns unsere Zukunft». «Ich bin mir des Widerspruchs durchaus bewusst. Und ich will an meinem Lebensstil auch etwas ändern», sagt eine Schülerin. Denn es gehe ja nicht nur ums Fliegen, sondern ums Konsumverhalten im Allgemeinen.

Livia Benedict hat den Klimastreik in Basel mitorganisiert.(Bild: Karin Hofer / NZZ)

Livia Benedict hat den Klimastreik in Basel mitorganisiert.
(Bild: Karin Hofer / NZZ)

Livia Benedict und ihre Mitstreiterinnen haben die Frage nach dem eigenen ökologischen Fussabdruck schon viel zu oft gehört, die leicht hochgezogenen Augenbrauen deuten es an. «Wir hören andauernd: ‹Was machst denn du fürs Klima?› Ich finde es wichtig, dass Klimaschutz beim Individuum anfängt, aber in unserer Bewegung geht es nicht primär darum.» Vielmehr wollen die Schüler die Politik zum Handeln zwingen. «Klar ist es für jeden Einzelnen gemütlicher, in die Ferien zu fliegen, als den Zug zu nehmen», sagt sie resigniert. «Genau deswegen muss sich die Politik einschalten und beispielsweise Abgaben auf Flugreisen verlangen.»

Joris Fricker stimmt ihr zu. Der 16-jährige Gymnasiast hält mit einem Freund ein riesiges Transparent in die Höhe. «Billigflüge sind einfach zu verlockend. Darum brauchen wir die Politik.» Aus eigenem Antrieb verzichte kaum jemand, das hätten die letzten Generationen ja gezeigt, fügt Livia an. «Ich hatte schon öfters Diskussionen mit meinen Eltern darüber, ob wir in die Ferien fliegen oder den Zug nehmen.»

Auch wenn sie die Politik in der Hauptverantwortung sehen: Die Schüler fangen auch bei sich selbst an. So hat das Schülerparlament des Gymnasiums am Münsterplatz kürzlich darüber diskutiert, Flugreisen für Klassenlager zu verbieten. Oder dass die Schüler gemeinnützige Arbeit leisten, wenn sich die Klasse entschliesst, für die Maturreise das Flugzeug zu nehmen. An einem anderen Basler Gymnasium ist das bereits Praxis.

Die für das Klima Streikenden fordern, dass die Schweizer Politik gegen den Klimawandel vorgeht. Eine ihrer Forderungen: netto null Treibhausgasemissionen im Inland bis 2030. (Bild: Karin Hofer / NZZ)

Die für das Klima Streikenden fordern, dass die Schweizer Politik gegen den Klimawandel vorgeht. Eine ihrer Forderungen: netto null Treibhausgasemissionen im Inland bis 2030. (Bild: Karin Hofer / NZZ)

Mittlerweile sind die Jugendlichen auf der Wettsteinbrücke angelangt, der Verkehr steht kurz still. Manche sind schon heiser vom vielen Rufen, trotzdem stimmen sie in die Sprechrufe ein. «Hopp, hopp, Klimawandel stopp!» Philippe wirft einen kurzen Blick aufs Handy, der Chat der Klimaaktivisten läuft auf Hochtouren. «Wir sind immer mit den anderen regionalen Bewegungen in der Schweiz in Kontakt», sagt er. Wie Livia ist auch er Teil des Basler Organisationsteams, steht via Whatsapp aber auch mit dem nationalen Team in Kontakt. Dort engagiert sich Patricia Kudrnac, die am Freitag in Zürich am Streik mitwirkt. Sie klingt am Telefon aufgekratzt, freut sich darüber, dass so viele Schüler sich der Bewegung anschliessen. Trotzdem macht sie klar, dass da noch Spielraum nach oben ist. «Wir sind uns einig, dass wir breiter abgestützt werden wollen, und hoffen, dass sich langfristig nicht nur Schüler und Studierende für das Thema interessieren.»

«Wir tauschen unsere Zukunft nicht gegen einen Billigflug nach Mallorca ein.»

Am 30. Dezember haben sich für das Klima Streikende aus der ganzen Schweiz in Bern getroffen. Auch Livia Benedict war dabei. «Wir waren rund 200 Leute, unter ihnen auch viele im Studienalter. In Arbeitsgruppen haben wir darüber diskutiert, wie die Bewegung aufgestellt werden soll.» Das nationale Team unterstützt die regionalen Organisationen bei Fragen. «Grundsätzlich ist aber jede regionale Gruppierung frei, ihre eigenen Veranstaltungen zu organisieren und auf kantonaler Ebene eigene Forderungen zu stellen.»

Dass das Thema ein breites Interesse findet, ist auch Philippe wichtig, der unterwegs ein Interview nach dem anderen gibt. «Die Krise muss jetzt als das behandelt werden, was es ist. Eine Krise». Die Forderung, dass die Schweiz den Klimanotstand ausrufen soll, ist ihm deshalb besonders wichtig. Das sei die Basis für das weitere Handeln der Politik. «Wir tauschen unsere Zukunft nicht gegen einen Billigflug nach Mallorca ein», ergänzt der 18-jährige Gymnasiast und schaut ernst in die Handykamera.

Seit Monaten fordert die 16-jährige Schwedin Greta Thunberg (Bild, rechts) mit Schulstreiks die Politik auf, Sofortmassnahmen gegen den Klimawandel zu ergreifen. Nun macht der Streik auch in der Schweiz Schule und findet am Freitag (25. 1.) am WEF in Davos statt. (Bild: Laurent Gilleron / EPA)
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Schweiz, Davos, 25. Januar 2019: Greta Thunberg demonstriert in Davos für einen strengeren Klimaschutz. Die schwedische Aktivistin wird von den Schülern in Davos zunächst eher zögerlich unterstützt – umso grösser ist das Medieninteresse. (Bild: Arnd Wiegmann / Reuters)
Schweiz, Zürich, 25. Januar 2019: In Zürich kommt es zeitgleich zur Aktion am WEF zu einer Solidaritätskundgebung. Einige Dutzend Schüler finden sich auf dem Sechseläutenplatz ein und unterstützen die Klimaaktivistin Thunberg. (Bild: Walter Bieri / Keystone)
Schweiz, Basel, 25. Januar 2019: Jugendliche demonstrieren auch in Basel mit einem Sitzstreik im Namen der Bewegung «Klimastreik Schweiz» vor dem Rathaus. (Bild: Georgios Kefalas / Keystone)
Schweiz, Basel, 25. Januar 2019: Auch bei der Aktion in Basel, die bereits letzte Woche viele Schüler mobilisiert hat, dient Thunberg als Vorbild. Die Schwedin hat die Schweizer Schüler aufgerufen, mit ihr zu streiken. (Bild: Georgios Kefalas / Keystone)
Schweiz, Davos, 24. Januar 2019: Greta Thunberg (l.) im Gespräch mit der Chefin des Internationalen Währungsfonds (IMF), Christine Lagarde. Thunberg schafft es, die Klimapolitik am WEF zum Thema zu machen. (Bild: Gian Ehrenzeller / Keystone)
Schweiz, Davos, 23. Januar 2019: Greta Thunberg trifft nach über 30 Stunden Zugfahrt am World Economic Forum (WEF) in Davos ein und wird sogleich von Medienschaffenden bestürmt. (Bild: Valentin Flauraud / Keystone via AP)
Schweiz, Lausanne, 18. Januar 2019: In Lausanne ist das Interesse am Klimaschutz gross; rund 8000 Schüler und Studenten nehmen am «Marsch für das Klima» teil und gehen nach der 10-Uhr-Pause nicht zum Unterricht, sondern auf die Strasse. (Bild: Valentin Flauraud / EPA)
Schweiz, Lausanne, 18. Januar 2019: Die Kinder und Jugendlichen lassen sich bei den Botschaften zum Klimawandel einiges einfallen. Dieser Demonstrant spielt auf die bekannte Serie «Game of Thrones» an und wandelt deren Motto «Winter is coming» entsprechend ab. (Bild: Valentin Flauraud / EPA)
Schweiz, Luzern, 18. Januar 2019: Auch in Luzern lassen es sich viele Schulkinder nicht nehmen, auf die Dringlichkeit einer griffigen Klimapolitik hinzuweisen. Geschätzte 350 Schüler demonstrieren, weil sie befürchten, dass die an der Klimakonferenz in Polen beschlossenen Massnahmen ungenügend sind. (Bild: Urs Flüeler / EPA)
Schweiz, Luzern, 18. Januar 2019: Am bewilligten Demonstrationszug in Luzern skandieren Schüler aus voller Kehle ihre Forderungen. «Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut!», war auf dem Marsch durch die Strassen zum Beispiel zu vernehmen. (Bild: Urs Flüeler / EPA)
Schweiz, Basel, 18. Januar 2019: In Basel demonstriert eine bunte Menge von etwa 1000 Jugendlichen in der Innenstadt. Die Schüler haben eine prominente Route gewählt, mitten durch die Einkaufspassagen. Bereits Ende 2018 ist es zu ähnlichen Demos gekommen, allerdings von Erwachsenen. (Bild: Karin Hofer / NZZ)
Schweiz, Basel, 18. Januar 2019: Ein grosses Thema an der Kundgebung in Basel ist das Ziel, den CO2-Ausstoss zu senken. Im Schnitt fliegt jeder Schweizer rund 9000 Kilometer jährlich. Unter den Flugpassagieren werden sich auch Schüler befinden, die jetzt Transparente hochhalten. (Bild: Karin Hofer / NZZ)
Deutschland, Hannover, 18. Januar 2019: In Deutschland nennt sich der Schülerstreik für das Klima auch «Fridays for Future». Unter diesem Motto finden etwa in Hannover (Bild) Kundgebungen statt, bei denen mehrere tausend Schulkinder für einen sofortigen Kohleausstieg demonstrieren. (Bild: Michael Trammer / Imago)
Deutschland, Hannover, 18. Januar 2019: «Fridays for Future»-Kundgebung in Hannover. Viele Schulklassen versuchen, nicht nur zu fordern, sondern auch zu handeln: Klassenreisen mit dem Flugzeug gelten zunehmend als verpönt oder müssen wenigstens gebührend kompensiert werden. (Bild: Michael Trammer / Imago)
Deutschland, Leipzig, 18. Januar 2019: Etwa 750 Schüler streiken und demonstrieren auch im deutschen Leipzig. Startpunkt ist beim Hauptbahnhof, die Manifestation findet beim Neuen Rathaus ihren Abschluss. (Bild: Imago)
Deutschland, Leipzig, 18. Januar 2019: Wie auch andernorts finden die Schulstreiks in Leipzig am Freitag statt. Für einige Stunden bleiben die Schüler dem Unterricht fern – und nehmen Einträge ins Absenzenheft in Kauf. (Bild: Imago)
Deutschland, Saarbrücken, 18. Januar 2019: Rund 2000 Schüler und Studierende demonstrieren auch in Saarbrücken für einen besseren Klimaschutz. Die lokalen Organisatoren vernetzten sich mit regionalen und internationalen Klimaschützern, vor allem über die sozialen Netzwerke. (Bild: Imago)
Deutschland, Saarbrücken, 18. Januar 2019: Klimademonstration der Schülerschaft bei der Europagalerie. Künftig sind auch Aktionen an Samstagen geplant, damit Berufsschüler, Studierende und Erwerbstätige teilnehmen können. (Bild: Imago)
Schweden, Stockholm, 30. November 2018: Der «Schulstreik fürs Klima» geht zurück auf die Initiative der 15-jährigen Schülerin Greta Thunberg, die seit den Sommerferien zunächst fünf Tage die Woche, dann jeweils am Freitag die Schule schwänzt und damit die Politik zum Handeln zwingen will. Die Schülerin, die eine Variante des Asperger-Syndroms aufweist, will damit erreichen, dass Schweden die CO2-Emissionen um 15 Prozent pro Jahr reduziert. (Bild: Hanna Franzen / Reuters)
Schweden, Stockholm, 2. November 2018: Als Erstes folgen dem Beispiel von Greta Thunberg die Mitschüler in Stockholm. Demonstrierte die 15-Jährige zuerst allein vor dem Rathaus (Bild), folgten ihr bald weitere Kinder, die nun auch freitags dem Unterricht fernbleiben. (Bild: Joel Alvarez / Imago)
Polen, Katowice, 8. Dezember 2018: Die Initiantin des «Schulstreiks fürs Klima», Greta Thunberg (Mitte), hat einen Auftritt an der internationalen Klimakonferenz im polnischen Katowice. Sie reist jeweils mit dem Zug oder dem Elektromobil an, niemals mit dem Flugzeug. (Bild: Grzegorz Klatka / Imago)
Polen, Katowice, 8. Dezember 2018: Im Rahmen der Konferenz in Katowice protestieren Schüler für mehr Klimaschutz. «Da unsere Politiker sich wie Kinder benehmen, müssen wir die Verantwortung übernehmen, die sie schon lange hätten übernehmen sollen», sagt Greta Thunberg in ihrer Rede. (Bild: Andrzej Grygiel / EPA)
Deutschland, Berlin, 14. Dezember 2018: Vor dem Reichstag in Berlin hat sich eine Gruppe Schüler versammelt. Unter den Hashtags #FridaysForFuture und #ClimateStrike wird in sozialen Netzwerken zum Schulstreik aufgerufen. «Es gibt keinen Planeten B», ist eine Aussage, die oft zu vernehmen ist. (Bild: Carsten Koall / Getty)
Deutschland, Berlin, 14. Dezember 2018: In Berlin zeigen sich Jugendliche besorgt darüber, dass die Politik die Entwicklung des globalen Klimawandels verschlafen wird. Diese junge Demonstrantin meint auf ihrem Schild: «Klimawandel braucht Politikwandel». (Bild: Carsten Koall / Getty)
Deutschland, München, 14. Dezember 2018: Während im polnischen Katowice rund 200 Staaten über Massnahmen zum Klimaschutz debattieren, fordern diese Jugendlichen rasche Lösungen. Dazu gehört eine Energiewende, verbunden mit der Abkehr von der Nutzung der Kohle als Energieträger. (Bild: Imago)
Deutschland, München, 14. Dezember 2018: «All I want for christmas is Kohleausstieg», teilt diese junge Demonstrantin bei einer Kundgebung auf dem Max-Joseph-Platz in München mit. Sie fiebert mit den anderen Aktivisten dem Ausgang der Klimakonferenz in Polen entgegen, die mit einigen Widerständen zu kämpfen hat. (Bild: Imago)
Australien, Sydney, 30. November 2018: Das Beispiel der streikenden Schwedin Thunberg findet sogar im fernen Australien Nachahmer. In Sydney versammeln sich Schüler, die sich Sorgen um das Klima machen. Australien gilt nicht gerade als Vorreiter in Sachen Klimaschutz und setzt noch stark auf Kohle. (Bild: Mark Metcalfe / Getty Images)
Australien, Sydney, 30. November 2018: Schüler bei einem «Schulstreik fürs Klima» in Sydney. Die Jugend Australiens ist besorgt über die Folgen des Klimawandels; die globale Erwärmung führt auf dem Kontinent zu Dürre und extremer Hitze von bis zu 48 Grad. (Bild: Mark Metcalfe / Getty Images)

Seit Monaten fordert die 16-jährige Schwedin Greta Thunberg (Bild, rechts) mit Schulstreiks die Politik auf, Sofortmassnahmen gegen den Klimawandel zu ergreifen. Nun macht der Streik auch in der Schweiz Schule und findet am Freitag (25. 1.) am WEF in Davos statt. (Bild: Laurent Gilleron / EPA)

Medienwirksame Kommunikation beherrschen die Schüler. Das ist auch Bálint Csontos aufgefallen, dem Präsidenten der Grünen Baselland. «Die Aktivistinnen und Aktivisten sind Kommunikationsprofis, ausserdem sind sie teilweise besser informiert als ich.» Csontos hält sich am Rand des Demonstrationszugs, beobachtet und lacht ab und zu in sich hinein. Er freut sich über das Engagement der Schüler. Heute ist er nicht als Politiker vor Ort, sondern als Friedensstifter: Bei Bedarf soll er zwischen Demonstranten und Polizei vermitteln. Zu tun bekommt er nichts, die Stimmung ist gut, droht nie zu kippen.

Csontos ist beeindruckt von der Organisation, auch über die Grenzen hinweg. «Die Bewegung ist international, und genau das ist ihre Stärke.» Am 2. Februar ist in Basel die nächste Demonstration angesagt, dann wollen auch Studierende, Berufstätige und Eltern der Schüler auf die Strasse gehen, um sich mit der Bewegung zu solidarisieren. «Damit zeigen wir den Schülern, dass wir sie wo nötig unterstützen und dass sie weitermachen sollen. Aber es ist ihre Bewegung, und das soll auch so bleiben.»

Eltern, Studierende und Lehrlinge solidarisieren sich mit den Basler Schülern.(Bild: Karin Hofer / NZZ)

Eltern, Studierende und Lehrlinge solidarisieren sich mit den Basler Schülern.
(Bild: Karin Hofer / NZZ)

Ihre Bewegung lassen sich die Schülerinnen auch nicht nehmen. Die Klimaseniorinnen, die einige Vertreterinnen an die Demo geschickt haben, erhalten zwar einmal das Wort am Mikrofon. Die Jugendlichen dominieren aber klar. «Von den Sekundarschulen sind ganze Klassen anwesend, manchmal sogar inklusive Lehrer», sagt Livia Benedict. Allgemein wünscht sich die 16-Jährige von der Schule und den Behörden aber mehr Unterstützung: «Wir haben schon mehrere Gespräche geführt und hoffen, dass wir fürs Streiken bald nicht mehr mit einer unentschuldigten Absenz bestraft werden.»

Verhandlungen mit den Behörden

Aber warum demonstrieren sie nicht am Wochenende oder nach der Schule? Livia Benedict hat rasch eine Antwort parat: «Erstens hat schon Greta Thunberg den Streik als Mittel gewählt, um auf die Klimaproblematik aufmerksam zu machen. Und zweitens bekommen wir so viel mehr Aufmerksamkeit.» Und nach kurzem Überlegen schiebt Benedict nach, am 2. Februar würden die Klimaschützer erstmals an einem Samstag demonstrieren. «Man hat uns aber mitgeteilt, dass wir die Route durch die Innenstadt, die wir am Freitag jeweils nehmen, am Samstag nicht nehmen dürfen.»

Während sich der Zug der Schülerinnen und Schüler der letzten Station ihrer Route annähert, dem Münsterplatz, ist vom Justiz- und Sicherheitsdepartement zu hören, dass die Sache noch nicht entschieden sei: «Die Gespräche für die geplante Demonstration am 2. Februar sind noch im Gang», sagt Mediensprecher Toprak Yerguz. Jedes Gesuch für eine Demonstration werde einzeln geprüft. Diverse Faktoren müssten mit einbezogen werden – darunter auch Wochentag und Zeit.

Als schon niemand mehr mit ihm gerechnet hat, taucht Georg doch noch auf. Mitten auf dem Münsterplatz, der letzten Station der Demonstration. Livia hat ihn gefunden, und als sie ihn den wartenden Aktivisten ankündigt, erschallen wieder Rufe: «Georg, Georg, Georg!» Und dann beweist Georg mit seiner Rede, dass bei der Schülerbewegung zwar nicht immer alles durchgetaktet sein mag und ab und zu jemand nicht ist, wo er sein sollte. Dass die Jugendlichen aber gleichzeitig klare Forderungen haben. Mit den Klimastreikenden wird weiter zu rechnen sein.

Schulabsenz wegen des Klimastreiks

ryn. Es wurden mehrere tausend Schülerinnen und Schüler gezählt, die am Freitag in 15 Schweizer Städten auf die Strasse gingen, darunter in Zürich, Luzern, St. Gallen, Aarau und mehreren Orten der Westschweiz. Allein in Lausanne zählte der jugendliche «Marsch für das Klima» rund 8000 Beteiligte. In St. Gallen stellte sich der für Umweltfragen zuständige Regierungsrat Marc Mächler (fdp.) in der Aula der Kantonsschule der Kritik der Schülerschaft.

Dort wie anderswo aber galt: Wer während der Schulzeit streikt, muss eine unentschuldigte Absenz in Kauf nehmen. Seit dem ersten Klimastreik im Dezember wurde die Absenzenfrage in mehreren Kantonen heiss diskutiert. Das Resultat: Die kantonalen Unterschiede sind gross, teilweise handhabt gar innerhalb eines Kantons jede Schule die Absenzen unterschiedlich. Option eins: der Freipass. In Genf, wo am Freitag erstmals gestreikt wurde, hatte das Bildungsdepartement den Lehrern empfohlen, im Unterricht morgens die Klimathematik zu behandeln. Sodann konnten die Schüler am Nachmittag am Streik teilnehmen – vorausgesetzt, ihre Eltern hatten im Vorfeld eine Absenz unterschrieben. Ob diese Regelung, die sich kurzfristig ergeben hatte, auch für künftige Streiks gilt, ist noch unklar.

Option zwei: Der Kompromiss. An einigen Kantonsschulen, wo Schüler einen freien Halbtag pro Semester beziehen können, plädierte die Schulleitung darauf, diesen für den Streik einzusetzen, beispielsweise in Zürich. Nicht alle Schüler wollten jedoch ihren freien Halbtag hergeben. Mit dem unentschuldigten Fehlen, so argumentierten sie, solle ein Zeichen gesetzt werden.

Option drei: die Sanktion in Form einer unentschuldigten Absenz, die im Zeugnis vermerkt wird. In Zürich erwartet die Schüler spätestens bei der zweiten Teilnahme am Klimastreik eine solche. Im Kanton St. Gallen, wo die Schulen zu Beginn noch Milde walten liessen, hat das Bildungsdepartement ebenfalls klargemacht, dass für Klimastreikende eine unentschuldigte Absenz eingetragen werde. Bereits wurden zwei politische Vorstösse dazu eingereicht. In Basel-Stadt gilt diese strikte Absenzenregelung seit dem ersten Streik. Conradin Cramer, der Vorsteher des Erziehungsdepartements, sagt, ihm sei das Anliegen der Streikenden zwar sympathisch, «doch gleichzeitig gibt es in unseren Schulen eine Absenzenordnung, die man nicht einfach ausser Kraft setzen kann».

Die Schüler wollen indes verhindern, dass sich ihr Engagement fürs Klima negativ auswirkt, indem unentschuldigte Absenzen später etwa bei der Stellensuche zum Problem werden. In Basel hat eine Schülerdelegation dem Erziehungsdepartement deshalb Vorschläge unterbreitet, Streik-Absenzen zu kompensieren – zum Beispiel mit gemeinnütziger Arbeit. «Wir schauen nun gemeinsam, ob es Möglichkeiten gibt, einen Mittelweg zu finden», sagt Departementsvorsteher Cramer.

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