Justiz entdeckt gefälschte Expertise zur Brücke von Genua

Gegen fünf Ingenieure wird wegen eventualvorsätzlicher Tötung ermittelt, nicht mehr bloss wegen Fahrlässigkeit. Insgesamt laufen in dem Fall Ermittlungen gegen 74 Personen.

Andres Wysling
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Die Abbrucharbeiten an der Brücke von Genua kommen voran. (Bild: Fabio Ferrari / Imago)

Die Abbrucharbeiten an der Brücke von Genua kommen voran. (Bild: Fabio Ferrari / Imago)

Im Fall der eingestürzten Brücke von Genua hat die Staatsanwaltschaft gegen fünf Ingenieure eine Untersuchung wegen eventualvorsätzlicher Tötung von 43 Personen eingeleitet. Ihnen wird laut italienischen Medienberichten vorgeworfen, Untersuchungsberichte zur Brücke gefälscht zu haben. Wenige Monate vor dem Einsturz am 14. August letzten Jahres hätten sie in einem Gutachten über Tests an der Brücke berichtet, die in Wirklichkeit nie durchgeführt worden seien, und so mit unwahren Angaben ein falsches Bild vom Zustand der Brücke erzeugt. Eine Urkundenfälschung hat nach dieser Hypothese dazu geführt, dass die Brücke nicht gesperrt wurde, womit der Tod von Personen bewusst in Kauf genommen worden sei.

Die fünf beschuldigten Ingenieure arbeiteten für die Firma Spea Engineering, die zum Autobahnkonzern Autostrade per l’Italia gehört. Sie waren als firmeninternes Organ für die Überwachung und Instandhaltung der Brücke verantwortlich. Aufgrund der gefälschten Berichte erkannten die staatlichen Aufsichtsorgane offenbar keinen Anlass, die Brücke zu sperren. Damit wären die staatlichen Organe im Fall Genua zumindest ein Stück weit entlastet, der Verdacht läge hauptsächlich auf dem Konzern Autostrade. Zu klären wäre allerdings noch, ob nicht die staatlichen Aufsichtsorgane selbst hätten Untersuchungen durchführen sollen, statt sich ausschliesslich auf die Angaben des Autobahnbetreibers zu verlassen.

Sieben Monate nach dem verheerenden Unglück beginnt der Abbruch der Morandi-Brücke in Genua. (Bild: Luca Zennaro / EPA)
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Am 14. August 2018 stürzte ein Teil der Brücke auf einer Länge von etwa 200 Metern in die Tiefe. (Bild: Massimo Pinca / Reuters)
Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte ist beim Beginn der Abbrucharbeiten am 8. Februar anwesend. (Bild: Luca Zennaro / EPA)
Zunächst soll ein Verbindungsstück der Brücke zwischen den beiden noch stehenden Pfeilern abgetrennt und herabgelassen werden. (Bild: Luca Zennaro / EPA)
Der Brückenteil ist 36 Meter lang und wiegt rund 900 Tonnen. (Bild: Luca Zennaro / EPA)
Über sieben Stunden soll das Herablassen des Strassenstücks dauern. (Bild: Antonio Calanni / AP)
Beim Abbruch kommen sogenannte Strandjacks zum Einsatz, im Bild oben auf der Brücke zu sehen. Es sind hydraulische Hebesysteme mit vielen parallel laufenden Stahlseilen. (Bild: Massimo Pinca / Reuters)
Vor den Trümmern der Autobahnbrücke spricht Conte zu den Medien. (Bild: Massimo Pinca / Reuters)
Bis Ende Jahr soll eine neue Autobahnbrücke stehen. (Bild: Luca Zennaro / EPA)
43 Menschen waren beim Einsturz der Morandi-Brücke im vergangenen August ums Leben gekommen. Es war das bisher schwerste Brückenunglück in Italien. (Bild: EPA)

Sieben Monate nach dem verheerenden Unglück beginnt der Abbruch der Morandi-Brücke in Genua. (Bild: Luca Zennaro / EPA)

Insgesamt laufen im Fall Genua Ermittlungen gegen 74 Personen, gegen 71 von ihnen wegen fahrlässiger Tötung, weil sie möglicherweise nicht das Nötige unternahmen, die Brücke zu sperren und so den Einsturz zu vermeiden. Der Verdacht der eventualvorsätzlichen Tötung gegen die fünf Ingenieure geht jetzt wesentlich weiter.

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