Es gibt gute Gründe, seinen Hund nicht «Hilfe» zu nennen

Die Namensgebung ist eine knifflige Sache. Zunächst für die, die den Namen geben, danach vor allem für die Träger der Namen. An einem Überschuss an Originalität kann man ein Leben lang leiden.

Paul Jandl
Drucken
Die beiden werden weder Hilfe noch Taxi heissen, vielmehr gerade so, wie sie aussehen, bedauernswert sind sie in jedem Fall. (Bild: Karin Hofer / NZZ)

Die beiden werden weder Hilfe noch Taxi heissen, vielmehr gerade so, wie sie aussehen, bedauernswert sind sie in jedem Fall. (Bild: Karin Hofer / NZZ)

Es gibt gute Gründe, seinen Hund nicht Hilfe zu nennen. Verläuft sich das Tier in der Stadt, müsste man «Hilfe!, Hilfe!» rufen. Ich kenne eine Frau, deren Hund Taxi heisst. Das Problem ist ähnlich, aber nicht ganz so schlimm. Die Spitzbuben unter den Namensgebern suchen gerne nach etwas Originellem. In den Zeiten ihres Heranwachsens haben sie Katzen, die einfach Katze heissen. Bald nachdem diese Leute ihre Geschlechtswerkzeuge in Betrieb genommen haben, kommen dann Kinder zur Welt, die Fridolin oder Balduin heissen.

Mittlerweile warnen Gesundheitsministerien und Arbeitsagenturen vor Namen, die den Menschen später schaden können. Auf den Ämtern hängen Listen, denen zu entnehmen ist, was man meiden soll. In Deutschland und Österreich wurden Namen wie Bierstübl, Steissbein, Borussia und Pfefferminza abgelehnt. Man darf aber Pumuckl, Prestige und Godpower heissen. Pepsi-Cola geht nicht, Pepsi-Carola schon. Der Sohn des österreichischen Fussballers Toni Polster heisst Jesus Anton Polster, hat damit aber den steinigen Weg eines heiligmässigen Lebens vor sich.

Viele Gründe zum Lachen

Wir sind an Namen gefesselt, die sich unsere Eltern in vorfreudigen geburtsnahen Runden zugeworfen haben. Der Name Gottlieb ist gerade noch an uns vorbeigesegelt, aber der seelenvolle Mann einer Cousine meiner Grossmutter, hiess der nicht Paul? Vornamen sind Stimmungs-, Mode- und Prestigesache, aber die Nachnamen sind über Generationen gewachsenes Recht. Oder Unrecht. Die vielen Schmidts und Meyers können sich untereinander verstecken, die Sackschewskis und Adornos nicht.

Oft werde ich gefragt, ob ich mit dem Schriftsteller Ernst Jandl verwandt sei. Die Frage ist immer mit dem Satz verbunden: «Das werden Sie sicher oft gefragt!» Als ich Ernst Jandl vor vielen Jahren zum ersten Mal anrief, wollte er gleich wissen: «Sind wir verwandt?» Hiesse ich Müller, würde mich niemand fragen, ob ich mit Herta, Heiner oder Wilhelm Müller verwandt bin.

Es ist ein Leichtes, über Namen zu lachen, für die die Menschen gar nichts können. Ist man in der Politik, kann ein ausgefallener Doppelname zu Popularität führen. Aber es gibt Leute, die trotz ihrem Namen den Antrag z. B. auf Treuepunktekarten einfach in aller Würde ausfüllen wollen. Sie heissen Hildegard Krüpfganz-Kräck oder Veronika Zwatz-Meise. Letztere ist in Wien als Meteorologin berühmt geworden. Erstere lebt in der Nähe von Nürnberg. Nomen est omen, sagen manche Leute gerne. Mein Lieblingsasiate heisst Omoni, und das bedeutet auf Japanisch so etwas wie «Bürde» oder «Last», was uns beweist, dass eben nicht jeder Name auch ein Omen ist.

Ein anderer sein

Künstler und Menschen, die mit irgendwelchen Spezialfähigkeiten berühmt werden wollen, haben es leicht. Wenn ihr eigener Name zu gewöhnlich klingt, suchen sie sich einfach etwas anderes. Es gibt einen amerikanischen Rapper, der sich den perfekten Alias-Namen ausgesucht hat, nämlich Alias. Auch der Philosoph Günther Anders hiess eigentlich anders: Günther Stern. Freddy Quinn heisst in Wahrheit Franz Eugen Helmuth Manfred Nidl-Petz und der Schauspieler Oskar Werner, der an der Seite von Jeanne Moreau in «Jules und Jim» gespielt hat, Oskar Josef Bschliessmayer.

Als wäre er nicht schon berühmt genug, ist Hans Magnus Enzensberger auch als Serenus M. Brezengang, Trevisa Buddensiek, Linda Quilt, Giorgio Pellizzi, Benedikt Pfaff und Andreas Thalmayr in Erscheinung getreten. Der Name ist Schall und Rauch, sagt Goethe, noch bevor er Esther Schall aus Wölflinswil und Hans-Werner Rauch aus Darmstadt überhaupt kennen konnte.

Mehr von Paul Jandl (Jdl)