Erwärmung durch Bewirtschaftung

Klimawissenschafter fordern, einen wichtigen Klimaeffekt nicht länger zu vernachlässigen: Auch ein veränderter Baumbestand oder die Weidenutzung beeinflussen das Klima.

Sven Titz
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Für das Lokalklima ist es offenbar nicht egal, ob ein Wald bewirtschaftet wird oder naturbelassen bleibt. (Bild: Imago / Bernd Friedel)

Für das Lokalklima ist es offenbar nicht egal, ob ein Wald bewirtschaftet wird oder naturbelassen bleibt. (Bild: Imago / Bernd Friedel)

Wird ein Wald abgeholzt, ändert sich das lokale Klima – es kann zum Beispiel trockener und wärmer werden. Das ist schon lange bekannt. Ein verwandter Effekt wurde aber bisher unterschätzt, worauf jetzt eine international zusammengesetzte Forschergruppe aufmerksam macht: Das Lokalklima ändere sich auch dann, wenn der Vegetationstyp gleich bleibe, aber neuerdings bewirtschaftet werde. Das berichtet jetzt ein Team von 35 Wissenschaftern, die an verschiedenen Instituten in Europa und den USA tätig sind, im Magazin «Nature Climate Change».1 Sebastiaan Luyssaert vom Laboratoire des Sciences du Climat et de l'Environnement in Gif-sur-Yvette bei Paris leitete die Studie.

Zwei gegenläufige Effekte

Weltweit wird inzwischen etwa die Hälfte der eisfreien Landoberfläche in irgendeiner Form bewirtschaftet, ohne dass sich deswegen der Vegetationstyp – Gras oder Bäume etwa – im Vergleich zur Zeit vor der wirtschaftlichen Nutzung geändert hätte. Beispiele dafür sind die Aufforstung von bestehenden Wäldern mit besonderen Baumarten, die Nutzung von Grasland für Weidevieh oder die Bewässerung und Düngung von Feldern in Trockengebieten.

Wie die Forscher um Luyssaert zeigen, stellt sich durch die Bewirtschaftung eine deutliche klimatische Veränderung ein. Im Mittel über die mehr als 30 Messstationen, deren Daten in die Studie eingeflossen sind, liegt die Temperatur an Orten mit Bewirtschaftung etwa um zwei Grad Celsius höher als an Orten ohne Bewirtschaftung. Der klimatische Effekt der Landbewirtschaftung ist demnach ähnlich gross wie bei einer Änderung des Vegetationstyps.

Die Bewirtschaftung hat zwei entscheidende Wirkungen auf das Klima: Einerseits nimmt die Reflektivität der Oberfläche zu – sie wird also von Satelliten aus gesehen heller. Eigentlich würde das zu einer Abkühlung der Erdoberfläche führen. Aber weil auf bewirtschafteten Flächen meistens weniger Blattwerk vorhanden ist, das zudem weniger Struktur aufweist, geht ausserdem die Turbulenz in der bodennahen Atmosphäre zurück. Das wiederum verringert den Austausch mit höheren Luftschichten. So wird weniger Wärme abtransportiert, folglich erwärmt sich die Luft an der Oberfläche. Weil der Effekt der Turbulenz im Schnitt grösser ist als der der Reflektivität, ergibt sich insgesamt ein Temperaturanstieg.

Die Wissenschafter um Luyssaert stützen ihre Analyse vorwiegend auf Daten von Messstationen in Europa und Nordamerika sowie Aufnahmen mit einem spektral auflösenden Strahlungsmessgerät, das an Bord der Nasa-Satelliten Terra und Aqua installiert ist. Die lokalklimatische Wirkung einer veränderten Nutzung ermittelten die Autoren, indem sie die Messdaten aufwendig sichteten und Orte mit und ohne Landbewirtschaftung verglichen. Daten aus den Tropen fehlen in der Analyse. Dort gibt es nämlich kaum qualitativ hochwertige Messungen an der Erdoberfläche.

Einfluss auf Klimamodelle

In Computermodellen für Klimaprojektionen wird der Effekt zwar berücksichtigt, den eine Änderung des Vegetationstyps auslöst. Um den menschlichen Einfluss auf das Klima umfassend zu ermitteln, müssten aber auch die Effekte durch Landbewirtschaftung bei gleichbleibendem Vegetationstyp berücksichtigt werden, fordern die Autoren. Schliesslich werde sich der Trend zu intensiverer Landbewirtschaftung mit dem Wachstum von Weltbevölkerung und Weltwirtschaft künftig noch verstärken. Die Berücksichtigung der Landbewirtschaftung könne auch verhindern, dass untaugliche Strategien zum Klimaschutz veranlasst werden, schreiben die Forscher. In jedem Fall weist die Studie auf neuen Forschungsbedarf hin.

1 Nature Climate Change, Online-Veröffentlichung vom 13. April 2014 .

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