So könnte der Chicxulub-Krater kurz nach dem Einschlag vor 66 Millionen Jahren aus der Satellitenperspektive ausgesehen haben. (Bild: Mark Garlick / SPL / Imago)

So könnte der Chicxulub-Krater kurz nach dem Einschlag vor 66 Millionen Jahren aus der Satellitenperspektive ausgesehen haben. (Bild: Mark Garlick / SPL / Imago)

Ein Massengrab aus der Stunde, nachdem ein Meteorit das Aussterben der Dinosaurier ausgelöst hatte

Ein Fossilienfund in North Dakota macht Furore: Zahlreiche Fische starben dort wohl direkt nach dem Einschlag von Chicxulub vor 66 Millionen Jahren.

Sven Titz
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Die Beschreibung des Funds tönt wie ein Sechser im Lotto für Paläontologen: Im Südwesten von North Dakota in den USA hat ein Team um Robert DePalma von der University of Kansas Fossilien von Tieren gefunden, die mutmasslich in der Stunde nach dem Einschlag von Chicxulub vor 66 Millionen Jahren den Tod gefunden haben. Jener Einschlag eines Kometen oder Asteroiden an der Küste des heutigen Mexiko gilt als wesentliche Ursache für das Aussterben der Dinosaurier. Auch wenn einige Forscher glauben, Lavaströme in Indien hätten zum Aussterben beigetragen.

In einer eineinhalb Meter dicken Schicht der «Hell Creek Formation» entdeckten die Paläontologen um DePalma fossile Überreste von Süsswasserfischen, Landwirbeltieren, Bäumen sowie anderen Tieren und Pflanzen. Sie lagerten zusammen in einer Art Massengrab. Das alleine ist schon ein bemerkenswerter Fund. Doch einige Details, die jetzt in den «Proceedings of the National Academy of Sciences» nachzulesen sind, lassen zusätzlich aufhorchen.

Am Ort der Ausgrabung in North Dakota finden sich Fischfossilien kreuz und quer durcheinander. (Bild: Robert DePalma / University of Kansas)

Am Ort der Ausgrabung in North Dakota finden sich Fischfossilien kreuz und quer durcheinander. (Bild: Robert DePalma / University of Kansas)

Glaskügelchen in den Kiemen

In den Kiemen fossiler Störe fanden die Forscher nämlich glasartige Kügelchen, ungefähr einen Millimeter dick. Deren chemische Zusammensetzung passt hervorragend zu den Kügelchen, die durch den Einschlag von Chicxulub hoch in die Luft geschleudert wurden: Sie enthalten mehr Kalzium als die von anderen Einschlägen. Auch in Bernstein waren die Kügelchen zu finden. Bernstein bilde sich aus Harz, das nur aus lebenden Bäumen austrete, erläutert Christopher Lowery von der University of Texas, der nicht an der Studie mitgewirkt hat. Der Fund von in Bernstein eingeschlossenen Glaskügelchen bedeute, dass die Bäume zum Zeitpunkt des Einschlags noch am Leben waren.

Die Tonschicht direkt über den Fossilien enthält ausserdem Iridium, ein chemisches Element, dessen Vorkommen ebenfalls auf den Einschlag zurückgeführt wird. Die von den Forschern vorgelegten Indizien belegen nach Ansicht von Lowery, dass die Sedimente und Fossilien aus den Minuten bis Stunden nach dem Einschlag stammen. Seiner Ansicht nach handelt es sich um den einzigen so klar belegten Fund von direkten Opfern.

Eine meterhohe Flutwelle

Die Gruppe um DePalma legt eine plausible Erklärung vor, wie das Massengrab in North Dakota zustande gekommen sein könnte. Gemäss ihrer Hypothese hat das gewaltige Erdbeben, das von dem Einschlag von Chicxulub hervorgerufen wurde, den Boden und die Wassermassen auch in grosser Entfernung in Schwingung versetzt und dadurch Überflutungen an Ufern hervorgerufen. Dieses Phänomen – seismische Seiche genannt – trat zum Beispiel in norwegischen Fjorden nach dem grossen Erdbeben von 2011 in Japan auf.

Innerhalb von ungefähr zehn Minuten, so die Forscher, müssen die seismischen Wellen die heutige Fundstelle erreicht und das Wasser einer Meeresbucht in Wallung gebracht haben. Dann riss eine mindestens zehn Meter hohe Flutwelle die Tiere wie bei einer Lawine mit. «Sie wurden durch die Gewalt des Wassers ziemlich plötzlich getötet», sagt der Mitautor David Burnham von der University of Kansas gemäss einer Pressemitteilung. Währenddessen regnete es Glaskügelchen vom Himmel, die mit einer geschätzten Geschwindigkeit von 160 bis 320 Kilometern pro Stunde auf den Boden prallten und im Schlamm winzige Krater hinterliessen, die ebenfalls nachzuweisen waren.

Zwar wurde durch den Einschlag auch ein gewaltiger Tsunami ausgelöst, der durch die Weltmeere raste. Dieser aber kann nach Ansicht der Forscher die Entstehung des Massengrabs nicht erklären. Der Tsunami hätte nach ihren Berechnungen mehr als 17 Stunden gebraucht, um die Stelle zu erreichen. Das passt nicht zu den Ablagerungen direkt oberhalb der Fossilien. Sie müssen schon vorher entstanden sein. Denn das Material stammt von dem Auswurf des Einschlags und ist durch die Luft binnen Minuten zu der Fundstelle gelangt.

Fossilien von Dinosauriern haben die Forscher in ihrer Studie zwar keine dokumentiert; in einem Artikel im Magazin «The New Yorker» erwähnt der darin zitierte Erstautor DePalma allerdings den Fund vieler Überreste von Dinosaurierexemplaren. Wie es heisst, sollen diese Ergebnisse in künftigen Studien beschrieben werden.