Mit dem Nanovogel durch die Blutbahn segeln

Winzige Roboter, in Zürich und Villigen AG entwickelt, könnten die Medizin, Mikroelektronik und Optik voranbringen.

Helga Rietz
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Laura Heyderman (links mit einem Modell des Mikroroboters in Gestalt eines Vogels) mit Tian-Yun Huang und Jizhai Cui, die federführend die Mikroroboter entwickelt haben. (Foto: Paul Scherrer Institut/Mahir Dzambegovic)

Laura Heyderman (links mit einem Modell des Mikroroboters in Gestalt eines Vogels) mit Tian-Yun Huang und Jizhai Cui, die federführend die Mikroroboter entwickelt haben. (Foto: Paul Scherrer Institut/Mahir Dzambegovic)

Was aus der Erfindung wird, die in den vergangenen rund drei Jahren in ihren Laboren entwickelt wurde, das vermag Laura Heyderman noch nicht zu sagen. Sie sei in erster Linie Grundlagenwissenschafterin, sagt die Physikerin, die am Paul-Scherrer-Institut in Villigen AG die Forschungsgruppe «Mesoskopische Systeme» leitet und an der ETH Zürich eine Professur für Materialwissenschaften innehat. An denkbaren Einsatzgebieten mangelt es aber nicht: Sie reichen von winzigen Linsen und Oberflächen mit veränderbaren Eigenschaften bis hin zu biokompatiblen Transportboxen, die via Blutbahn Medikamente an den richtigen Ort im Körper eines Menschen schleusen.

Das alles ist im Moment natürlich noch Zukunftsmusik. Den Laboralltag der Forscher, die wie Heyderman an «intelligenten Mikrorobotern» oder «Mikromaschinen» arbeiten, bestimmen denn auch weniger futuristische Anwendungen als die Gestaltung von Materialien, die sich auf mikroskopisch kleinen Skalen quasi ferngesteuert verändern lassen.

Die Forscher um Heyderman verwenden für ihre Mikromaschinen quadratische und rechteckige Siliziumnitridplättchen, die mit den in der Halbleitertechnik üblichen Methoden hergestellt werden können. An der Oberfläche sind die Plättchen mit Nanomagneten bedruckt, deren Ausrichtung die Forscher kontrollieren können. Benachbarte Plättchen verbinden sie mit wellenförmigen Strukturen, die als Gelenke fungieren.1

Diese Gebilde können, ohne dass dazu eine Stromzufuhr oder dergleichen notwendig wäre, mit einem Magnetfeld bewegt und gesteuert werden. Das funktioniere in Wasser oder organischen Lösungsmitteln (in denen aus praktischen Gründen ein Grossteil der Experimente durchgeführt wird), aber auch in Luft, erläutert Heyderman, die bei der Entwicklung von Mikromaschinen mit der Arbeitsgruppe von Bradley Nelson vom Institut für Robotik und Intelligente Systeme der ETH Zürich zusammenarbeitet.

In der jüngsten Ausgabe von «Nature» beschreiben Heyderman, Nelson und ihre Mitarbeiter drei verschiedene Möglichkeiten, sich das Konzept von der Steuerung mit Nanomagneten zunutze zu machen. Zuerst zeigen sie, wie sich fünf miteinander verbundene quadratische Plättchen im Magnetfeld zu einer würfelförmigen Schachtel falten (eine Seite bleibt offen), die als Transporter für grosse Moleküle oder Nanopartikel dienen könnte.

In einem weiteren Experiment ordneten die Forscher mehrere quadratische Plättchen in einem regelmässigen Raster an. Dann hoben sie per Magnetfeld bestimmte Plättchen an, während die anderen in der Ruheposition blieben. Damit demonstrierten die Forscher die Möglichkeit, eine Oberfläche mit veränderlicher Struktur zu erschaffen.

Aus rechteckigen Plättchen verschiedener Abmessungen setzten die Wissenschafter zuletzt noch einen schematischen Vogel zusammen. Dessen Flügelspannweite misst rund hundert Mikrometer, und er kann – gesteuert von den Nanomagneten auf den Plättchen und dem Magnetfeld – mit den «Flügeln» schlagen, den «Kopf» strecken und nach hinten beugen sowie unterm Mikroskop durch eine Flüssigkeit flattern oder gleiten.

1 Nature 575, p 164-168 (2019).

Dieses Video zeigt die Bewegungen des Mikroroboters in Vogelgestalt und daneben schematisch dessen Aufbau und Magnetisierung. (Video: Paul Scherrer Institut/ETH Zürich)