«Das hier ist ein in jeder Hinsicht echtes Rally, weit entfernt von einer Cüplifahrt»

Erstmals fand ein Oldtimer-Rally im bergigen Grenzgebiet Schweiz-Liechtenstein-Österreich statt. Die NZZ war mit einem BMW Alpina E21 dabei.

Herbie Schmidt
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In der Schweiz sehr selten gesehen ist der Fiat 1100S Rapi von 1947, der bis 1955 an Rennen teilnahm. (Bild: Christoph Schöch)

In der Schweiz sehr selten gesehen ist der Fiat 1100S Rapi von 1947, der bis 1955 an Rennen teilnahm. (Bild: Christoph Schöch)

«Das hier ist ein in jeder Hinsicht echtes Rally, weit entfernt von einer Kaffee- oder Cüplifahrt.» Das sass. Was Organisator Alain Erba aus dem erfahrenen Basler Team der «Raid»-Veranstalter gleich zur Einführung betonte, trieb manchem Teilnehmer Sorgenfalten ins Gesicht. Nicht nur waren einige der erstmaligen Rally-Teilnehmer sich nicht sicher, ob ihre meist edlen Oldtimer die Fahrten über den Arlbergpass, das hügelige Toggenburg und das nicht minder coupierte Zürcher Oberland heil überstehen würden. Nein, sie sahen sich ob der verschiedenen Prüfungsanforderungen teilweise schon zu Beginn ein wenig überfordert.

«Wie muss man das also jetzt genau rechnen?», hiess es hier. «Was für eine App brauche ich, wenn ich keinen Tripmaster im Auto habe?», fragte man dort. «Auf was haben wir uns da überhaupt eingelassen?» Zum Glück war wie bei den meisten Veranstaltungen dieser Art die Laune dennoch gut, und man behalf sich gegenseitig beim Aufkleben der Startnummern, Erklären von Sonderprüfungen und Durchschnittsgeschwindigkeiten oder so banal klingenden Fachbegriffen wie «Schlauch» und «Neutralisieren». Nur die ganz Ehrgeizigen, zu erkennen an professionellen Bordinstrumenten, stilgerechter Kleidung und selbstsicherem Blick, blieben unter sich und kämpften mehr um Trophäen denn ums reine Mitmachen und Ankommen.

Der BMW Alpina E21 stellt eine Rarität dar.(Bild: Christoph Schöch)

Der BMW Alpina E21 stellt eine Rarität dar.(Bild: Christoph Schöch)

Historisches und Rares

Ein Schaulaufen historischer Automobilbaukunstwerke war das erstmals durchgeführte Rally allemal. Zu den seltenen Preziosen gehörten ein Rolls-Royce Phantom 1 von 1928, ein Fiat 1100S Rapi von 1947, ein BMW 507 von 1958, ein Maserati 3500 GT von 1962, ein Shelby Mustang von 1968 sowie zwei Alfa Romeo Montreal von 1972, um nur einige der gut vierzig teilnehmenden Fahrzeuge zu nennen. Das NZZ-Team war mit einem BMW Alpina E21 von 1976 am Start, einem Museumsauto des Allgäuer BMW-Spezialisten auf Basis eines BMW 320i, das zwar nicht zu den ältesten, aber sicherlich den seltensten Autos im Feld gehörte und vom Schweizer Alpina-Importeur Heidegger organisiert wurde.

Dass die einzelnen Übungen des «VP Bank Rally by Raid» – genannt nach Hauptsponsor und Hauptorganisator – bisweilen nicht trivial angelegt waren, zeigte sich etwa bei einer Schlauchprüfung, bei der zwischen Start- und Zielmessung noch ein kleiner Slalomparcours zu bewältigen war. Prompt fiel dem Piloten des NZZ-Teams beim Sekundenzählen, Schalten und Lenken die Stoppuhr unter den Sitz. Dass im Ergebnis eine Differenz von etlichen Zehntelsekunden resultierte, war die logische Folge. Und dass anschliessend nach kurzer Verschnaufpause der silberne Alpina nicht anspringen wollte, da ihm schlicht zu heiss geworden war, war das i-Pünktchen eines durchwachsenen Rally-Vormittags.

Ein Jaguar E-Type wird sorgfältig mit Startnummern versehen. (Bild: Christoph Schöch)

Ein Jaguar E-Type wird sorgfältig mit Startnummern versehen. (Bild: Christoph Schöch)

Andere Fahrzeuge mit deutlich höherem Alter waren dem Schlussanstieg der ersten Etappe zur Arlberg-Passhöhe nicht mehr ganz gewachsen, konnten jedoch vom ausgezeichneten mobilen Service des Rally wiederbelebt werden. In einem Fall musste ein Ring aus einer Getränkeflasche als Ersatzteil herhalten – Not macht erfinderisch.

Nicht alle kamen durch

Weniger Glück hatten andere Teams, deren Wagen unter Getriebe- oder Lichtmaschinenproblemen litten. Im Lauf des ersten Rally-Tages mussten einige Teams die Flagge streichen, und Fahrzeuge wie ein 1964er Jaguar E-Type Roadster der ersten Serie und ein Ford Mustang Shelby GT 350 wurden diskret der heimischen Reparatur zugeführt. Die Teams versammelten sich zum Abschluss des Tages in Vaduz, wo drei der Sponsoren ihren Hauptsitz haben. Anschliessend ging es wieder zum Startort in Bad Ragaz zurück.

Auch der zweite Rally-Tag brachte Abwechslung bei meist schönem Wetter, mit einer hübschen Route durchs Toggenburg hinauf zur Schwägalp und weiter bis nach St. Gallen, wo zur Mittagspause ein kleiner Oldtimer-Treff auf dem Marktplatz stattfand. Auch die Ordnungshüter wollten an der spontan organisierten «Classica St. Gallen» teilhaben und verteilten fleissig Strafzettel an Rally-Begleitfahrzeuge im Parkverbot.

Der 1929er Packard war zweitältestes Fahrzeug des Rally. Auch er kam ins Ziel. (Bild: Christoph Schöch)

Der 1929er Packard war zweitältestes Fahrzeug des Rally. Auch er kam ins Ziel. (Bild: Christoph Schöch)

Die Schlussetappe führte durch das Zürcher Oberland und Teile des Tösstals bis zum Rally-Ziel beim Ausflugsrestaurant Hasenstrick unterhalb des Bachtel. Wo früher Kleinflugzeuge auf der Graspiste zu Rundflügen starteten und landeten, war für einmal wieder Motorenlärm zu hören, als sich die Teams fast vollständig unter dem Zielbogen einfanden. Für die rund vierzig teilnehmenden Mannschaften aus acht europäischen Ländern war das erste Liechtensteiner Rally ein gelungener Anlass. Einige der sorgenvollen Teilnehmer agierten schon am zweiten Tag wie Rally-Profis und gelobten wie viele weitere Teams eine Rückkehr im kommenden Jahr.

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