Die Turing-Bombe wurde während des Zweiten Weltkrieges eingesetzt, um die Funksprüche der deutschen Wehrmacht zu entschlüsseln. Auf dem Bild sieht man eine originalgetreue Nachbildung der Maschine, die heute wie damals im englischen Bletchley Park steht. (Bild: Alessia Pierdomenico / Reuters)

Die Turing-Bombe wurde während des Zweiten Weltkrieges eingesetzt, um die Funksprüche der deutschen Wehrmacht zu entschlüsseln. Auf dem Bild sieht man eine originalgetreue Nachbildung der Maschine, die heute wie damals im englischen Bletchley Park steht. (Bild: Alessia Pierdomenico / Reuters)

Wie Alan Turing auf die 50-Pfund-Note kam

Die Bank of England ehrt Alan Turing mit einer Banknote. Der Mathematiker gilt als Vater des Computers. Als Homosexueller war er in den 1950er Jahren verfolgt worden.

Stefan Betschon
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Alle kennen Alan Turing. Und doch er ist bis heute ein Unbekannter. Bald wird sein Konterfei die britische 50-Pfund-Note zieren, doch er dürfte deswegen den Menschen nicht näherkommen. Die Erfindungen und Innovationen des britischen Mathematikers bilden die Grundlage der Computerwissenschaft, doch sie sind abstrakt und schwer fassbar.

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Ausgrenzung als Homosexueller

Turing starb zu früh, er starb den falschen Tod. Und als er noch lebte, war er gezwungen, ein falsches Leben zu leben, sich selbst zu verleugnen. Turing liebte Männer, und Homosexualität war im Grossbritannien der 1950er Jahre – wie auch schon zu Oscar Wildes Zeiten – eine «grobe Sittenlosigkeit» und ein Verbrechen. Während Wilde 1895 zwei Jahre Arbeitslager erleiden musste, die ihn gesundheitlich ruinierten, konnte sich Turing 1952 dem Gefängnis entziehen, indem er sich der chemischen Kastration unterwarf.

Turing starb am 7. Juni 1954 vermutlich durch eigene Hand. Todesursache war eine Zyanidvergiftung. Neben dem Bett fand man einen angebissenen Apfel, in der Küche ein Konfitüreglas mit Zyanidlösung. Ob Turing sich tatsächlich selber umgebracht hat, ist nicht erwiesen. Es wurde auch schon die Vermutung geäussert, dass Turing ermordet wurde, weil er als Geheimdienstmitarbeiter zu viel wusste.

Krieg im Äther

Turing wurde 1912 in London geboren. Er war ein schwieriger Schüler, einseitig mathematisch begabt. Doch selbst der Mathematiklehrer fand seine Leistungen «nicht sehr gut», wie er den Eltern mitteilte: «Er verbringt offensichtlich eine ganze Menge Zeit mit Fragen der höheren Mathematik und vernachlässigt dabei die grundlegende Arbeit.»

Das Konterfei des Mathematikers und Enigma-Entschlüsslers Alan Turing (hier 16-jährig) wird bald auf der britischen 50-Pfund-Note verewigt sein. (Bild: PD)

Das Konterfei des Mathematikers und Enigma-Entschlüsslers Alan Turing (hier 16-jährig) wird bald auf der britischen 50-Pfund-Note verewigt sein. (Bild: PD)

Der erste Arbeitgeber, für den Turing nach seinen mathematischen Studien in Cambridge und Princeton tätig war, war die Government Code and Cypher School, eine Abteilung des britischen Geheimdienstes. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs war Turing in Bletchley Park stationiert, rund 70 Kilometer nordwestlich von London. Hier leistete er wichtige Beiträge zur Entschlüsselung des Nachrichtenverkehrs der deutschen Wehrmacht.

Aufsehen erregte er zu seinen Lebzeiten mit seinen Ideen von künstlicher Intelligenz. 1950 sagte er voraus, dass es in «ungefähr» fünfzig Jahren erste Maschinen geben werde, die menschliche Intelligenz so gut imitieren könnten, dass Menschen sie nicht von Menschen unterscheiden könnten. Turing hatte sich bereits auch mit künstlichen neuronalen Netzwerken beschäftigt.

Idealisierung und Heroisierung

Turing hat zeit seines Lebens nicht viel publiziert. Und was gedruckt wurde, war selbst für Fachleute schwer verständlich. Turing darf als der Vater des modernen Computers gelten. Doch jene Ingenieure, die sich Ende der 1940er Jahre daranmachten, erste praxistaugliche Computer zu bauen, kannten Turings Arbeiten kaum. Bitter resümiert der Turing-Biograf Andrew Hodges: «Schon um 1950 war Alan Turing eine Unperson, der Trotzki der Computer-Revolution.»

Hodges hat mit mehreren Büchern Turing dem Vergessen entrissen. Doch dann drohte der Blick auf diesen bedeutenden Wissenschafter durch Idealisierung und Heroisierung verstellt zu werden. Weil Turing keine Aufzeichnungen hinterlassen hat, die sein Innenleben dokumentieren, weil seine persönlichen Beweggründe im Dunkeln bleiben, reizt er die Phantasie. So wird Turing, der Marathon laufende Mathematiker, der schnell rechnende Stotterer, der schüchterne U-Boot-Krieger, der schmuddlige Schönling, der introvertierte Visionär, als Held von Romanen, Hörspielen, Theaterstücken, Spielfilmen immer wieder neu erfunden.

Und bald wird es Turing auch noch auf Banknote geben. Wie die Bank of England am Montag in London mitteilte, soll die neue 50-Pfund-Note Ende 2021 in Umlauf gebracht werden und Turing als «Vater der Computerwissenschaft und der künstlichen Intelligenz ebenso wie als Kriegshelden» ehren.