Kommentar

Robert Habeck entschuldigt sich: Kein ideales Klima für die Karotte

Die Bewegung «Ende Gelände» verwüstet bei einer Anti-Kohle-Demo Felder. Ein Berliner Abgeordneter verhöhnt daraufhin den Bauern, der sich wehrt. Über den Streit um die Karotte.

Claudia Schwartz
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Am 22.06. laufen Aktivisten des Bündnisses «Ende Gelände» von Keyenbereg in Richtung Tagebau Garzweiler über Felder. (Bild: Imago)

Am 22.06. laufen Aktivisten des Bündnisses «Ende Gelände» von Keyenbereg in Richtung Tagebau Garzweiler über Felder. (Bild: Imago)

Ich lebte bisher in der Annahme, im Falle des Klimaschutzes gehe es um die Rettung von Mensch, Tier und Natur in einer Art ganzheitlichem Gedanken.

Was für ein Irrglaube.

Am vergangenen Wochenende demonstrierten in Nordrhein-Westfalen Aktivisten auf dem Weg zu ihrer Anti-Kohle-Kundgebung, wie viel Dehnbarkeit man sich beim Begriff Umweltschutz selber zugesteht: Man nahm den Weg querbeet über landwirtschaftliche Felder, wo derzeit manche Karotten schon eine ganz appetitliche Grösse erreicht haben und das Weizenfeld in voller Pracht steht.

Die Bewegung mit dem nun auch aus aktuellem Anlass passenden Namen «Ende Gelände» trampelte nieder, was ihr unter die Füsse kam. Die Bilder und Videos, welche die Überquerung eines Feldes und die Spur der Verwüstung danach dokumentieren, sprechen eine eigene Sprache. Sie erzählen von Respektlosigkeit und Unachtsamkeit gegenüber Dingen, die man selber offenbar recht locker als zweitrangig abtut, wenn man von der Überzeugung beseelt ist, die Welt mit der eigenen Mission beglücken zu müssen.

Nun hat es schon immer Menschen gegeben, die das Eigentum anderer wenig achten. Zudem waren die Jugendlichen der Fridays-for-Future-Bewegung vor der «Strafbarkeitsfalle» gewarnt worden, wenn sie eine Kampagne wie «Ende Gelände» umarmen, die vom Verfassungsschutz als «linksextremistisch beeinflusst» eingestuft wird.

Angesichts des nun seit Tagen andauernden Streits kann einem aber schon einmal der Gedanke durch den Kopf schiessen, dass wir in einer irren Welt leben. Als sich nämlich ein betroffener Bauer via soziale Plattformen wehrte, lautete der höhnische Tenor der Umweltschützer: Er solle sich wegen ein paar Rüebli nicht so anstellen, er bekomme schliesslich Subventionen, und im Übrigen werde die öffentliche Hand für den Schaden aufkommen.

Food-Waste? Nachhaltigkeit? Regionale Produkte, die Umwelt und Natur schonen? War da was? Der – grüne – Berliner Abgeordnete Georg P. Kössler twitterte gar: «Deine Möhren sind nicht wichtiger als unser Klima. Sorry.»

Nun bringt Twitter ja bekanntlich die Eigenschaft mit sich, dass der Mensch erst schreibt und dann denkt. Aber hier bekommt man den Eindruck, dass man bei den Grünen die argumentative Gemüseschublade schon recht unbekümmert auf- und zumacht, wie man es grade braucht.

Im Blog von Bauer Willi Kremer-Schillings liest man über den Fortgang der Geschichte, dass die Pressesprecherin von «Ende Gelände» den Agraringenieur (mit einem Fernsehteam im Schlepptau) besucht und sich entschuldigt habe. Und sogar Robert Habeck persönlich habe ihn angerufen. Ob dieser auf Wunsch des Bauern ein Interview zum Thema «Landwirtschaft und Grüne» führen mag, scheint nicht ganz klar. «Ich habe ihn so verstanden, dass er dazu zu einem späteren Zeitpunkt bereit ist», schreibt Bauer Willi.

Möhren-Tweets sollen gelöscht werden

Jemand wollte übrigens bei Twitter veranlassen, dass Bauer Willis «Möhren-Tweets» gelöscht werden. Twitter habe dies mit der Begründung abgelehnt, man habe «keinen Verstoss gegen die Regeln festgestellt».

Möhren tot, Ende der Diskussion? Herr Habeck, machen Sie doch bitte dieses Interview und nehmen Sie den Parteikollegen Kössler gleich einmal mit. Wir drucken das dann ab.