Ein Ascot-Sieg als Meisterstück: Die Schweizer Pferdezüchterin Antoinette Tamagni-Bodmer hat mit Watch Me ein Spitzenpferd gezüchtet

Die Schweizerin Antoinette Tamagni-Bodmer fand erst spät zum Rennsport. Im Gestüt «Petit Tellier» findet sie die Liebe und züchtet erfolgreich Rennpferde. Der Sieg in Ascot des Zuchtpferds Watch Me ist für sie ein grosser Erfolg.

Dominik Fantoni
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So viel Prestige, so viel Preisgeld: Watch Me siegt mit dem Jockey Pierre-Charles Boudot in Ascot. (Bild: Matthew Childs / Reuters)

So viel Prestige, so viel Preisgeld: Watch Me siegt mit dem Jockey Pierre-Charles Boudot in Ascot. (Bild: Matthew Childs / Reuters)

Vor zehn Tagen überreichte der Herzog von York im englischen Ascot der Schweizer Pferdezüchterin Antoinette Tamagni-Bodmer den Pokal der «Coronation Stakes». Sie habe sich gefühlt wie auf einer Wolke, sagt Tamagni-Bodmer. Und erst seit die Trophäe zu Hause steht, realisiert sie, dass ihre dreijährige Stute Watch Me an den königlichen Pferde­rennen von Ascot tatsächlich ein Gruppe-I-Rennen gegen die besten Stuten Europas gewonnen hat.

Nachdem Watch Me im vorherigen Rennen in Paris-Longchamp im Mai wenig Glück im Rennverlauf gehabt und den angestrebten Sieg verpasst hatte, war sie bei Royal Ascot lediglich eine 20:1-Aussenseiterin. «In Ascot ein Pferd am Start zu haben, war bereits eine grosse Ehre für uns», sagt Tamagni-Bodmer. Erst als sie während des Rennens gesehen habe, wie leicht die Stute im Feld galoppierte, sei die Nervosität gestiegen.

Späte Liebe zum Rennsport

In der Zielgeraden waren es dann nicht die Stuten des irischen Zuchtimperiums Coolmore oder jene der arabischen Prinzen, die den Sieg unter sich ausmachten. Es war die Stute Watch Me aus dem noch jungen Gestüt «Saint Julien» von Tama­gni-­Bodmer, die an den Favoriten vorbeizog. «Watch Me hat ein grosses Herz. Ich denke, sie ist einfach ein ausgezeichnetes Rennpferd», sagte der französische Spitzenjockey Pierre-Charles Boudot über den Sieg.

Die Liebe zum Pferd begann bei Antoinette Tamagni-Bodmer bereits sehr früh, jene zum Rennsport kam erst später dazu. Zuerst ritt Tamagni-Bodmer selber in Dressurprüfungen und war in der Nationalmannschaft der Junioren. Ihr erster Ehemann, der an Springprüfungen für die Schweizer Nationalmannschaft teilnahm, brachte die Idee auf, ein Rennpferd zu erwerben. So kam Tamagni-Bodmer mit dem Rennsport in Berührung und vertiefte ihre Kenntnisse, indem sie über eine gewisse Zeit selber Rennpferde trainierte.

Als sich die Stute von Tamagni-Bodmer damals verletzte und vom Rennsport in die Zucht wechseln musste, wurde ein Gestüt in der Normandie empfohlen. In der Folge machte Tama­gni-Bodmer Bekanntschaft mit Patrick Chédeville, dem Besitzer des renommierten Gestüts «Petit Tellier». Nach dem Tod ihres ersten Ehemannes sandte sie alle ihre Pferde in die Obhut von Chédeville. So begann die Zusammenarbeit in der Pferdezucht, aus welcher schliesslich auch Liebe wurde. Seit über 20 Jahren führen Patrick Chédeville und Antoinette Tamagni-Bodmer gemeinsam das Gestüt «Petit Tellier», das 210 Hektaren Weideland umfasst und vier Deckhengste beherbergt.

«Es war schon immer mein Traum, ein eigenes Gestüt grundlegend mit meinen eigenen Ideen aufzubauen», sagt Antoinette Tamagni-Bodmer. Nach über sieben Jahren der Suche fand sie 2015 einen Ort, um neben der Weiterarbeit im ­Gestüt «Petit Tellier» ihr eigenes Privatgestüt «Saint Julien» zu gründen. Dieses liegt in Bonneville-la-­Louvet, 30 Minuten ausserhalb des Strandortes Deauville, in der Normandie, wo in den Sommermonaten jeweils bedeutende Pferderennen und Auktionen stattfinden. Auf dem 100 Hektaren umfassenden Grasland, auf dem zuvor einzig Kühe weideten, wurden bald Pferde-Paddocks sowie Stallungen mit 70 Boxen erstellt. Im Frühling 2017 kamen die ersten Fohlen zur Welt.

Bestätigung durch Watch Me

Zur Verstärkung ihrer Zucht suchte An­toinette Tamagni-Bodmer nach einer Stute, die vom globalen Spitzenhengst Galileo abstammt. An der Dezember-Auktion 2015 in Deauville konnte sie die Stute Watchful für 22000 Euro erwerben. Diese war bereits tragend und brachte im März 2016 die Stute Watch Me zur Welt, die als eine der ersten ­Jährlinge auf dem Gestüt «Saint Julien» aufgezogen wurde. Da die Stute an der Jährlingsauktion kein genügendes Gebot erzielte, kaufte Tamagni-Bodmer sie für 30000 Euro zurück, um sie für ihre Rennkarriere selber zu behalten.

Unter den Rennfarben ihres Sohnes Alexander sowie ihrer langjährigen Freundin Regula Vannod kam Watch Me schliesslich zum jungen französischen Erfolgstrainer Francis-Henri Graffard ins Training, wo sie sich seither prächtig entwickelt hat. Der Sieg in Ascot, mit dem die Stute ein Preisgeld in der Höhe von 283550 Euro gewann, fühle sich für Tamagni-Bodmer wie eine bestandene Meisterprüfung an, nachdem sie alles, was die Pferdezucht betreffe, von ihrem Partner Patrick Chédeville habe erlernen können. Watch Me wird voraussichtlich noch weitere Rennen in Deauville und Irland bestreiten, bevor sie als zukünftige Mutterstute auf das Gestüt «Saint Julien» zurückkehrt, um ihre Siegergene weiterzugeben.

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