Alt, aber noch lange nicht ranzig: Die Margarine wird 150

Von vielen wurde sie verteufelt, aber auch die rabiatesten Regulierungen vermochten sie nicht auszurotten: Seit 1869 ist die Margarine auf dem Markt. Dass es den billigen Butterersatz gibt, ist nicht zuletzt dem französischen Kaiser zu verdanken.

Claudia Mäder
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Kuchenkreation in Rosa: Plastik-Cake von Jeff Koons. (Bild: Josef Zimmermann)

Kuchenkreation in Rosa: Plastik-Cake von Jeff Koons. (Bild: Josef Zimmermann)

Wenn es einen 150. Geburtstag zu feiern gibt, gehört ein Kuchen auf den Tisch. Das ist keine Frage. Aber wie wird man dieser spezifischen Jubilarin beim Backen am besten gerecht? Soll man für richtig guten Geschmack sorgen und im Teig auf Butter setzen – oder wäre es feiner, dem Geburtstagskind selber die Ehre zu erweisen und die Masse mit Margarine anzurühren?

Seit 150 Jahren hat man in der Küche die Qual der Wahl: Am 15. Juli 1869 ist das erste Patent auf die Margarine ausgestellt worden. Der französische Chemiker Hippolyte Mège-Mouriès hat es für eine streichfähige Mischung aus Rindertalg, Salz, Natriumsulfat und Schweinssäften erhalten, die er ihrer schimmernden Farbe wegen nach der Perlmutter (griechisch: «margaro») benannte. Zu einem Teil aber müsste die Erfinderehre auch Napoleon III. gebühren, denn der französische Kaiser hat die Innovation in den 1860er Jahren in Auftrag gegeben.

Schmiermittel für Frankreich

Die Margarine ist ein direkter Ausfluss von Urbanisierung und Industrialisierung des 19. Jahrhunderts. In den neuen Ballungszentren hatten viele Menschen Mühe, an nahrhafte Esswaren zu kommen. Namentlich Milchprodukte, die der früheren landwirtschaftlichen Gesellschaft weitum zur Verfügung gestanden hatten, waren für die entwurzelten Massen zu teuer. Doch zugleich brauchten die breiten Schichten ein Mindestmass an Kalorien, um die Maschinerien des Landes am Laufen zu halten: Sowohl in den Fabriken als auch für die Truppen waren kräftige Franzosen gefragt. Napoleon III. sah das deutlich, und als er bemerkte, wie Bismarck Preussen militarisierte, schritt er zur Tat. 1866 lobte Napoleon einen Preis aus für die Erfindung eines gut haltbaren und günstigen Produkts, das die Butter ersetzt.

Nach intensivem Pröbeln präsentierte Mège-Mouriès 1869 seine gelbliche Masse. Ihr Effekt freilich blieb bescheiden. Der befürchtete Krieg brach 1870 tatsächlich aus, die Franzosen wurden trotz ihrer neuen Energiequelle von den Deutschen geschlagen, und um die Herstellung der Margarine mochte sich in dem gebeutelten Land nun keiner mehr kümmern. Mège-Mouriès verkaufte sein Patent 1871 an einen niederländischen Unternehmer – den Ahnherrn des heutigen Unilever-Konzerns. Am allermeisten Furore machte die Margarine in ihren jungen Jahren aber jenseits des Atlantiks: In den USA wurde die neue Konkurrentin der Butter angefeindet, als ob sie direkt aus Teufels Küche käme.

Das Übel ist rosarot

Als die Margarine 1873 nach Amerika gelangte, steckte die dortige Landwirtschaft in der Krise. Und so zogen die Bauern geschlossen gegen die «maschinelle Mischung» ins Feld, bezeichneten den industriell hergestellten Butterersatz als Missgeburt des verderbten Menschengeschlechts und lobpriesen ihre Milchprodukte als schützenswerte Überbleibsel des reinen, naturverbundenen Lebens. Ihr Lamento fand Gehör, wenn nicht im Volk, das dankbar war um die billige Alternative, so doch bei den Politikern, die das Nahrungsmittel als eines der ersten streng reglementierten. Ab 1881 verboten verschiedene Gliedstaaten die Margarine, und an Orten, die den Verkauf tolerierten, musste sie oftmals rosarot eingefärbt werden – auf dass ja kein Konsument das verwerfliche Zeug mit der gesunden Butter verwechsle.

Bundesweit setzte die «Oleomargarine Act» 1886 schliesslich eine Sondersteuer von zwei Cent pro Pfund Margarine fest. In der Folge wurde sie während Jahrzehnten auf dem Schwarzmarkt vertrieben – bis die alte Regelung 1950 endlich ausser Kraft gesetzt wurde und sich der Handel normalisierte. Nur in Wisconsin hält sich der Widerstand hartnäckig: Hier ist es Restaurants bis heute verboten, Margarine anstatt Butter zu servieren – es sei denn, der Gast verlange explizit danach. Mindestens dort drüben also sollten der Jubilarin zu Ehren in diesen Tagen nur Margarinekuchen bestellt werden.