Kolumne

Schweden bezahlt seine Angestellten fürs Arbeiten, nicht fürs Beten

Wer arbeitet, darf nicht beten – zumindest nicht in der südschwedischen Gemeinde Bromölla, wo die rechtsnationalen Schwedendemokraten seit Herbst das Sagen haben.

Ingrid Meissl Årebo, Stockholm
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Die rechtsnationalen Schwedendemokraten unter Parteichef Jimmie Akesson regieren seit den Wahlen vom Herbst in fünf schwedischen Gemeinden – unter anderem auch in Bromölla. (Bild: Ints Kalnins / Reuters)

Die rechtsnationalen Schwedendemokraten unter Parteichef Jimmie Akesson regieren seit den Wahlen vom Herbst in fünf schwedischen Gemeinden – unter anderem auch in Bromölla. (Bild: Ints Kalnins / Reuters)

Pernilla Franklin ist gespannt auf ihre Strafe. Die Sozialsekretärin hat sich bei ihrem Arbeitgeber, der südschwedischen Gemeinde Bromölla, selbst angezeigt – weil sie während der Arbeitszeit bete. Da sie mit Kindern in Not zu tun habe, sende sie täglich stille Gebete zum Himmel und bitte Gott um Geduld und kluge Entscheide.

Dies ist jedoch seit Anfang Monat in Bromölla verboten. Der Gemeinderat stimmte mit knapper Mehrheit für ein Verbot von Gebetsstunden für öffentlich Angestellte während der Arbeitszeit, egal welcher Religion diese angehörten. Man befürworte zwar Vielfalt und Pluralismus, wolle aber vermeiden, dass Einzelne «religiösen Manifestationen» ausgesetzt würden.

Die neue Richtlinie stammt, wenig überraschend, aus der Küche der rechtsnationalen Schwedendemokraten, die seit den Wahlen vom Herbst in fünf schwedischen Gemeinden regieren, in Bromölla zusammen mit den Konservativen und den Christlichdemokraten. Probleme mit Angestellten, die regelmässig ihre Arbeit niederlegen, um zu beten, hatte es im Ort bisher keine gegeben. Die Massnahme sei rein präventiv, erklärte der rechtsnationale Gemeindepräsident.

Die einstige sozialdemokratische Kommunalpolitikerin Franklin will mit ihrer Selbstanzeige die Absurdität des Entscheids hervorheben. Dieser verstosse gegen die Religionsfreiheit und deute an, dass aktive Gläubige, und vor allem Muslime, in Bromölla nicht willkommen seien.

Auch auf nationaler Ebene beschäftigt das Gebetsverbot: Beim Justiz-Ombudsmann sowie beim Verwaltungsgericht sind Klagen eingegangen, zudem hat der Diskriminierungs-Ombudsmann eine Untersuchung eingeleitet. Auf das Verdikt ist nicht nur Franklin gespannt.

Wie die neue Richtlinie zu interpretieren und zu kontrollieren ist und was für Sanktionen bei Verstoss ausgesprochen werden sollen, scheint auch der Gemeindeverwaltung von Bromölla nicht ganz klar zu sein. Der Personalchef sagte unlängst gegenüber dem schwedischen Fernsehen, dass die stillen Gebete der Sozialsekretärin wahrscheinlich in Ordnung gingen, da sie ja ihren Arbeitsplatz dafür nicht verlasse.

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