Der Internet-Hype «FaceApp» wirft Fragen zum Datenschutz auf

Wer derzeit durch Social-Media-Plattformen navigiert, kommt an einem nicht vorbei: Bilder von Freunden, Kollegen und Promis, die digital um Jahrzehnte gealtert sind. Hinter den lustigen Bildern steckt ein russischer Anbieter, der es mit dem Datenschutz nicht so genau nehmen soll. Was ist an den Vorwürfen dran?

Gabriela Dettwiler
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Politische Ämter lassen bekanntlich schneller altern. Würde Doris Leuthard also nach weiteren Amtsjahren bald so aussehen, wäre sie noch immer Bundesrätin? (Bild: Selina Haberland / NZZ / FaceApp)

Politische Ämter lassen bekanntlich schneller altern. Würde Doris Leuthard also nach weiteren Amtsjahren bald so aussehen, wäre sie noch immer Bundesrätin? (Bild: Selina Haberland / NZZ / FaceApp)

Warum ist «FaceApp» derzeit so beliebt?

Wann und wie genau ein Hype entsteht, ist schwer nachzuvollziehen. Laut dem Online-Magazin «Meedia» entstand die sogenannte #FaceAppChallenge ausnahmsweise nicht im englischsprachigen Raum, sondern in Japan. Die Bilder verbreiteten sich dann über den arabischen in den spanischen Sprachraum, um nun im englischsprachigen Raum ihren vorläufigen Peak zu erreichen. Auch in Deutschland und der Schweiz ist die Anwendung beliebt. Eine entscheidende Rolle spielten auch Prominente wie der kanadische Rapper Drake, der britische Sänger Sam Smith oder der amerikanische Komiker Kevin Hart. Sie alle haben mithilfe der App Bilder von sich erstellt, auf denen sie mit tiefen Falten, grauen Haaren und Altersflecken zu sehen sind.

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Wie funktioniert der Effekt?

«FaceApp» nutzt eine Bildmanipulations-Software, die nach eigenen Angaben auf künstlicher Intelligenz beruht. Wie die Technologie genau funktioniert, gibt Jaroslaw Gontscharow, Gründer der Firma hinter der App, allerdings nicht bekannt. Neben dem Filter zur Alterung bietet die Anwendung auch andere Effekte wie eine digitale Verjüngung, eine optische Geschlechtsumwandlung oder eine «Verschönerungskur» an. Mit einer kostenfreien Basisversion lassen sich einige Filter – wie der Alterungsfilter – anwenden. Wer sich auch digital schminken oder frisieren möchte, muss allerdings für diese Optionen bezahlen.

Seit wann gibt es die App?

Interessant am derzeitigen Hype ist vor allem, dass die App gar nicht neu ist. «FaceApp» wurde vom russischen Unternehmen Wireless Lab entwickelt und ist seit 2017 in den App-Stores verfügbar. Bereits damals kursierten die ersten digital gealterten Bilder im Internet, allerdings nicht vergleichbar mit der jetzigen Welle. Seit dem Aufkommen der App wurde die Technologie zudem verbessert, weswegen der Alterungseffekt heute deutlich besser ist als noch vor zwei Jahren. Zurzeit besetzt die Anwendung sowohl bei Apples App Store als auch bei Googles Play Store Platz eins der Schweizer App-Charts, und täglich werden Hunderttausende Bilder mit dem Hashtag #FaceAppChallenge in die sozialen Netzwerke hochgeladen. Allein am 17. Juli waren es 450 000 Tweets.

Wird SVP-Doyen Christoph Blocher auch mit Neunzig noch auf Teleblocher auftreten? So könnte das jedenfalls aussehen. (Bild: Dominic Steinmann / NZZ / FaceApp)

Wird SVP-Doyen Christoph Blocher auch mit Neunzig noch auf Teleblocher auftreten? So könnte das jedenfalls aussehen. (Bild: Dominic Steinmann / NZZ / FaceApp)

Warum steht die App in der Kritik?

Derzeit gibt es zwar keine Hinweise darauf, dass «FaceApp» die Fotos der Nutzer missbraucht, doch die AGB und die Datenschutzbestimmungen des russischen Anbieters stossen Datenschützern sauer auf. So lässt einen die App Bilder nicht etwa lokal auf dem eigenen Smartphone bearbeiten, sondern diese werden automatisch auf einen Server hochgeladen, damit sie dort mithilfe von künstlicher Intelligenz manipuliert werden können. «FaceApp» selbst dementiert, dass die Daten auf einen russischen Server geladen würden. Es handle sich um einen US-kontrollierten Cloud-Server, der von Amazon und Google bereitgestellt worden sei. Gegenüber «Forbes» betonte Gründer Gontscharow zudem, dass die meisten Bilder innerhalb von 48 Stunden nach dem Upload von den Servern wieder gelöscht würden. Nutzer könnten das automatische Löschen auch in den Einstellungen wählen.

Bereits 2017 stand «FaceApp» in der Kritik und wurde mit Rassismusvorwürfen konfrontiert. Nutzer beschwerten sich, dass der «Hot»-Filter ihrem Gesicht eine wesentlich hellere Hautfarbe verpasste. Damit werde ein falsches Schönheitsideal propagiert, hiess es. Die App-Entwickler entschuldigten sich nach dem Shitstorm und benannten den Filter um.

Welche Daten sammelt die App?

Das Unternehmen speichert nicht nur die Bilder seiner Nutzer ab, sondern auch die IP-Adresse, Informationen zum Nutzerverhalten, zu verwendeten Geräten und Browsern, wie es in den Datenschutzbestimmungen heisst. Diese gesammelten Daten werden dann gezielt genutzt, um personalisierte Werbung zu schalten. Zwar versichert der App-Anbieter, dass persönliche Daten nicht an Dritte weiterverkauft würden, um dann nur einige Zeilen weiter unten zu verkünden, dass im Falle eines Verkaufs der Applikation auch die Nutzerdaten an den neuen Eigentümer übergeben würden. Damit ist der Handlungsspielraum des Unternehmens in Sachen Datenschutz natürlich riesig.

In etwa so würde Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nach etlichen weiteren Amtsjahren aussehen. (Bild: Olivier Hoslet / EPA / FaceApp)

In etwa so würde Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nach etlichen weiteren Amtsjahren aussehen. (Bild: Olivier Hoslet / EPA / FaceApp)

Was sagt die Politik dazu?

Besonders in den USA sieht man derzeit die App kritisch. Die amerikanische Politik glaubt sich bereits in der Gefahr russischer Einflussnahme. Der Fraktionschef der Demokraten im US-Senat, Chuck Schumer, hat das FBI zu einer Untersuchung der Smartphone-Applikation aufgefordert. Die von Russland aus betriebene App könne wegen ihres Umgangs mit persönlichen Daten ein nationales Sicherheitsrisiko sowie eine Gefahr für Millionen US-Bürger darstellen, schrieb er in einem auf Twitter veröffentlichten Brief. «Es wäre zutiefst beunruhigend, wenn die sensiblen persönlichen Informationen von US-Bürgern einer feindlichen ausländischen Macht zur Verfügung gestellt würden, die aktiv an Cyber-Angriffen gegen die Vereinigten Staaten beteiligt ist», heisst es darin.

Auch der deutsche Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber warnt vor der Applikation. Am Donnerstag äusserte er in der Radiosendung «SWR Aktuell» Besorgnis darüber, dass «wichtige persönliche Daten in die falschen Hände geraten könnten». Die Anbieter der App fordert er dazu auf, sich an die «grundlegendsten Dinge» in Sachen Datenschutz zu halten.

Was weiss man über die Firma Wireless Lab hinter «FaceApp»?

Hinter der App steht der russische Programmierer Jaroslaw Gontscharow mit seiner im Jahr 2014 gegründeten Firma Wireless Lab. Der IT-Spezialist lernte vor über zehn Jahren bei Microsoft neuronale Netzwerke kennen und begann mit dem Trainieren, wie er in einem Interview erklärte. Im Jahr 2006 gründete er zusammen mit anderen Partnern die Softwarefirma SPB, die 2011 an den russischen Internetriesen Yandex verkauft wurde. Gontscharow blieb bei Yandex, bevor er im Jahr 2014 den Suchriesen verliess, um «FaceApp» zu entwickeln. Die Firma hat ihren Sitz in St. Petersburg und verdient ihr Geld mit Werbung bei «FaceApp» und den Gebühren, die die Nutzer für spezielle Funktionen innerhalb der App bezahlen müssen. «FaceApp» wurde in der Blütezeit von Anwendungen gestartet, die Benutzerfotos mit künstlicher Intelligenz verändern können.

Mitarbeit: Christian Steiner

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