Ein Prototyp des Transporters Einride steht auf einem Parkfeld im schwedischen Jonkoping. (Bild: Ilze Filks / Reuters)

Ein Prototyp des Transporters Einride steht auf einem Parkfeld im schwedischen Jonkoping. (Bild: Ilze Filks / Reuters)

Der Mann, der die Lastwagen selbständig macht

Tonnenweise Ladung und kein Fahrer: Mit einem vollständig autonomen elektrischen Transporter will das schwedische Startup Einride den Schwerverkehr aufmischen. Der erste kommerzielle Test läuft bereits. Robert Falck, der Gründer des Unternehmens, sieht den Untergang des klassischen Lastwagens am Horizont.

Rudolf Hermann, Stockholm
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Es war vor einiger Zeit in Barcelona, als Robert Falck vor einem Bildschirm sass und vor den Augen eines interessierten Publikums einen Lastwagen steuerte, der in Schweden auf einem Werkgelände herumfuhr. Die Szene spielte sich dabei nicht an einem Gamer-Forum ab, sondern während einer IT-Fachmesse. Und was Falck da vorführte, war nicht ein Computerspiel, sondern das Fernsteuern eines sogenannten T-Pods: eines lastwagenähnlichen Gefährts, allerdings ohne Führerkabine sowie rein elektrisch angetrieben. Der T-Pod ist gewissermassen Robert Falcks Kind.

Technologisch hat der Mittdreissiger, aufgewachsen auf einem Bauernhof unweit der norwegischen Grenze, damit eine ziemliche Reise hinter sich. Sein Maschinenbau-Studium an der Technischen Hochschule Chalmers in Göteborg, später noch ergänzt durch einen Abschluss in Business und Finanzen, führte ihn zunächst auf eine traditionelle Bahn in der Metropole an der schwedischen Westküste: Er landete bei Volvo. Und zwar bei dem «grossen» Volvo; dem Nutzfahrzeughersteller, der seit 1999 mit dem inzwischen chinesisch kontrollierten Autobauer nur noch den Namen teilt.

Warnende Schicksale einstiger Marktführer

In seinen fünfeinhalb Jahren dort beschäftigte Falck sich eingehend mit der Optimierung von Lastwagen. Er gelangte zu zwei Einsichten, die Mitte 2016 dazu führten, dass er das Unternehmen verliess und sein eigenes Startup aufbaute. «Rund die Hälfte der Baukosten eines Diesellasters klassischer Bauart fliesst in die Fahrerkabine», sagt Falck. «Und weitere 25% in den Antriebsstrang.» Wenn man die Kabine ganz eliminieren und den Antriebsstrang wesentlich einfacher gestalten könnte, so seine Überlegung, komme man auf eine ganz andere Kostenbasis, sobald die Technologie bei elektrischen Antrieben, Batterien und automatisiertem Fahren serienreif sei. Diesen Gedanken versucht er nun mit Einride, der von ihm gegründeten Firma, umzusetzen.

Für den aussenstehenden Betrachter mutet es dennoch kühn an, mit einem neuen Konzept nicht nur die schwedischen Giganten Volvo und Scania, sondern gleich die ganze globale Konkurrenz herauszufordern. Doch Falck, überzeugt von der Richtigkeit des eigenen Wegs, was Unternehmensgründern oft eigen ist, sieht das anders.

Robert Falck, CEO von Einride. (Bild: Ilze Filks / Reuters)

Robert Falck, CEO von Einride. (Bild: Ilze Filks / Reuters)

«Die herkömmlichen Produzenten», sagt er, «stehen vor einem Dilemma. Sie haben viel in die klassische Technologie investiert. Das macht es für sie nicht einfach, den richtigen Moment zu finden, diese Technologie loszulassen und die entsprechenden Abschreiber vorzunehmen.» Eine Umstellung von «vom Menschen gesteuert und fossil» auf «autonom und elektrisch» verlange nach anderen Kompetenzen in der Belegschaft und brauche neue Geschäftsstrukturen. Gleichzeitig sei es eine Umstellung im Kopf, vom Hardware-definierten Planen zum Software-definierten Denken. Ein völliger Neuanfang sei deshalb vielleicht die einfachere Variante.

«Sicher erinnern Sie sich an Facit AB, den einst weltberühmten Hersteller schwedischer mechanischer Rechenmaschinen», sagt Falck. «Und gewiss sagen Ihnen die Namen Kodak und Nokia etwas.» Sie alle seien einst in ihrem Segment marktbeherrschend gewesen, dann aber von Innovationen überrollt worden, die sie nicht hätten kommen sehen oder deren Bedeutung sie unterschätzt hätten. Die klassische Automobilindustrie, wenn sie auch einen der Ecksteine des Wohlstands in Europa und vor allem in Deutschland darstelle, befinde sich heute möglicherweise an so einem Wendepunkt.

Zwar sagt Falck von sich selbst, im Grunde genommen schlage in ihm ja auch ein «industrielles Herz». Dennoch schien ihm der eigentliche Maschinenbau schon früh nicht genug zu sein. Auf jeden Fall betätigte er sich schon zu seinen Volvo-Zeiten in der Freizeit als Startup-Gründer. Und zwar in durchaus branchenfremden Bereichen, etwa mit einem Monitoring-System für Nachtklubs, das diesen eine genaue Erfassung ihrer Gästefluktuation und damit eine gezielte Verbesserung des Geschäfts ermöglicht.

Thors Blitze

Deshalb mag er es heute einfacher haben, sich bei Einride nur auf die Software-Seite zu konzentrieren. Für die Produktion der Hardware gebe es genügend sogenannte Weissprodukt-Anbieter, die sich in der Massenherstellung auskennten und nicht an eine eigene Marke gebunden seien, sagt er.

Nach eigenen Angaben ist Einride das erste Unternehmen weltweit, noch vor Tesla und anderen, das ein elektrisches und autonomes Lastfahrzeug im kommerziellen Betrieb stehen hat. Zwar fährt der T-Pod seit Mitte Mai erst im südschwedischen Jönköping einige hundert Meter über öffentlichen Grund zwischen zwei Lagerhäusern von DB-Schenker hin und her. Auf andere Strassen darf er noch nicht uneingeschränkt. Doch sobald alle relevanten Bewilligungen erteilt sind, sollen die Wagen für den deutschen Detailhändler Lidl regelmässige Transporte von Helsingborg nach Göteborg durchführen.

Hinter dem Namen Einride übrigens versteckt sich der nordische Gott Thor, der einsame, Blitze schleudernde Wagenführer. Nur ist hier die Logik gewissermassen umgedreht: Die Blitze schleudern nun den Wagen, und einen Fahrer gibt es nicht mehr.

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