"Der Rückruf rehabilitiert, kostet aber Leistung" – Seite 1

ZEIT ONLINE: Das Kraftfahrt-Bundesamt hat Volkswagen zum Rückruf von rund 2,4 Millionen Diesel-Pkw verpflichtet. Bei der Aktion wird die Software auf dem Motorsteuergerät aktualisiert. Die verbotene Software zur Abgasmanipulation wird gelöscht – was passiert mit einer durch Chiptuning gesteigerten Leistung, Herr Schreiber?

Philipp Schreiber: Nach meinem Kenntnisstand werden die Besitzer der Fahrzeuge in den Werkstätten gefragt, ob das Auto getunt ist. Wenn das legal gemacht wurde und der Halter eine Rechnung vorlegen kann, ersetzen die Autohäuser die Kosten und bekommen das Geld von VW auf Antrag zurückerstattet.

ZEIT ONLINE: Es heißt, dass Chiptuning bei Dieseln weitverbreitet ist. Entspricht das auch Ihrer Erfahrung?

Schreiber: Das ist meine starke Vermutung, und die beruht darauf, was ich im Alltag erlebe. Die Veränderungen sieht man nicht. Daher lässt sich auch nicht sagen, dass dieses Auto getunt ist, jenes aber nicht. Ich kann deshalb auch keine konkrete Zahl nennen, bin aber überzeugt, dass eine Vielzahl der Fahrzeuge getunt ist, weil es einfach zu machen ist.

ZEIT ONLINE: Was wird beim Chiptuning gemacht?

Philipp Schreiber © TÜV Süd

Schreiber: Die Kennwerte der Motorsteuerung werden verändert, um die Motorleistung zu erhöhen. Dazu wird eine andere Software auf den Speicher im Steuergerät aufgespielt. Das geht schnell und ist einfach. Eine weitere Möglichkeit ist Tuning durch andere Hardware, beispielsweise das Original-Steuergerät durch ein modifiziertes zu ersetzen. Bei Saugbenzinmotoren bringt Chiptuning keine nennenswerte Leitungssteigerung, bei Turbodieselmotoren dagegen sehr wohl, indem beispielsweise Einspritzzeiten und Einspritzdrücke verändert werden.

ZEIT ONLINE: Wie viel mehr Leistung bringt eine solche Modifikation, und was kostet sie?

Schreiber: Wer das fachmännisch macht, kann locker zehn Prozent und darüber an Mehrleistung aus dem Motor herausholen. Die Kosten hängen von der Art ab, wie die Leistung gesteigert wurde. Wer es ohne Teilegutachten und somit illegal machen lässt, der bekommt das für einen Apfel und ein Ei. Ein Pfuscher kann an einer Motorsteuerung allerdings viel Mist bauen, deshalb ist das auch unabhängig vom Thema der erlöschenden Betriebserlaubnis nicht zu empfehlen.

Legales Tuning kostet mehr als illegales. Und Chiptuning von einem bekannten Tuner ist meist auch teurer, als wenn das ein unbekannter macht. Ein renommierter Anbieter wird allein schon aus Imagegründen hinsichtlich einer möglichen Überbeanspruchung des Motors und eines daraus folgenden Schadens besondere Sorgfalt walten lassen. Legales Tuning mit Teilegutachten stellt sicher, dass die Abgaswerte wie auch die Geräuschwerte auch nach der Modifikation den gesetzlichen Vorschriften entsprechen.

Verfällt der Garantieanspruch?

ZEIT ONLINE: Hat Chiptuning Auswirkungen auf die Garantieansprüche?

Schreiber: Angenommen, man hat einen Motorschaden, und es stellt sich heraus, dass das Fahrzeug getunt war. Dann kann das schon zur Folge haben, dass der Hersteller Reparatur oder Austausch verweigert – auch wenn der Schaden während der Garantiezeit aufgetreten ist. Renommierte Tuner bieten eine Garantieübernahme an für Schäden, die aufgrund ihrer Modifikationen entstehen.

ZEIT ONLINE: Kann illegales Chiptuning weitere Folgen außer dem Verlust der Garantie nach sich ziehen?

Schreiber: Ja, und zwar für ziemlich viele Leute, weil Chiptuning in einem nicht unerheblichen Maß illegal betrieben wird. In dem Fall erlischt die Betriebserlaubnis, was eine Ordnungswidrigkeit zur Folge hat. Wird man erwischt, ist ein Bußgeld fällig, und es gibt Punkte in Flensburg fürs Fahren ohne Betriebserlaubnis.

Weil die Kfz-Steuer bei jüngeren Fahrzeugen vom CO2-Ausstoß und bei älteren vom Abgasverhalten abhängt, können die Behörden zudem Steuerhinterziehung vermuten. Das ist zwar eine Spitzfindigkeit, aber die Gefahr besteht. Und falls ein Unfall passiert, der ursächlich auf die Tuningmaßnahme zurückzuführen ist, springt die Versicherung zwar ein, kann den Halter aber in Regress nehmen, also das Geld ganz oder zumindest teilweise von ihm zurückfordern und Kaskozahlungen für Schäden am eigenen Fahrzeug verweigern. All diese Gefahren stehen nicht im Raum, wenn das Tuning eingetragen wird. Dafür braucht es ein Teilegutachten. Eine andere Möglichkeit ist die Einzelabnahme.

ZEIT ONLINE: Gewinnt das Fahrzeug durch das Löschen der Tuningsoftware oder den Rückbau des Original-Steuergeräts seine Betriebserlaubnis zurück?

Schreiber: Im Endeffekt ja, weil sich das Fahrzeug wieder im ursprünglich genehmigten Zustand befindet. Doch das hat Leistung gekostet.