Nicht nur Startups: Auch Großunternehmen sind innovativ

Foto: fotolia / Frank Boston
Veröffentlicht am 28.11.2016

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Es heißt oft, dass Startups viel innovativer sind als Großunternehmen. Diesen Eindruck erweckte auch der European Startup Monitor in der vergangenen Woche, bei dem 89,5 Prozent der jungen Firmen ihre Produkte als Neuheiten für ihre Märkte einstuften. Von Konzernen heißt es dagegen oft, dass sie vom eigenen Gewicht erdrückt werden und zu stark an ihrer Vergangenheit hängen, um neue Ideen zu entwickeln. Einem alten Hund könne man keine neuen Tricks beibringen. Doch das stimmt längst nicht immer, zeigt beispielsweise eine Analyse der Harvard Business Review. Oft ist sogar genau das Gegenteil richtig.

Die Liste ist lang: Kodak war der Erfinder der Digitalkamera und ging nach über 120 Jahren in die Insolvenz, weil die Firma zu lang am bewährten Geschäft mit Filmen und Fotopapier festhielt. Motorola erfand 1973 das Handy und ist heute als Hersteller verschwunden. Und Blackberry war einmal der unangefochtene Führer im Smartphone-Bereich, doch jetzt ist wirklich Schluss mit dem Hardwareangebot, weil die Verkäufe nur noch zum Weinen waren. Auch Nokia hätte nicht gedacht, dass ihre Handy-Sparte in kürzester Zeit vom Weltmarktführer zum Notverkauf an Microsoft wird. Jedes Mal waren jüngere Unternehmen schneller oder innovativer und verdrängten die alten Giganten. Und das sind nur die bekanntesten Beispiele der jüngsten Vergangenheit.

Telefónica: 92-jähriger Rekordhalter bei Innovationen

Und Telefónica? In ihrem 92. Lebensjahr hat die Firma fast 350 Millionen Kundenanschlüsse in 21 Ländern und gibt jedes Jahr mehr als eine Milliarde Euro für Forschung und Entwicklung aus. Damit ist sie in weitem Abstand der Rekordhalter unter den spanischen Unternehmen. Und die neue Berliner Startup-Tochter Telefónica NEXT entwickelt ganz in der Nähe des Telefónica BASECAMP schon das Geschäft der Zukunft für Telefónica Deutschland. Der wahre Weltmeister für Innovationsausgaben kommt übrigens auch aus der Bundesrepublik: Volkswagen investiert jedes Jahr mehr als 15 Milliarden Euro in die Entwicklung. Und mit der jetzt angekündigten Aufholjagd bei Elektroautos dürfte diese Zahl noch weiter steigen.

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In Wirklichkeit zeigen also große Firmen immer wieder, dass sie bei der Entwicklung und Umsetzung von Innovationen besser dastehen als Startups. Ein weiteres Beispiel: Hasbro entwickelte sich seit den 80er Jahren aus einer Spielzeugfirma zu einem der weltweit führenden Unternehmen für Markenerlebnisse. Während wir ihre Transformers früher nur als handgroße Action-Figuren kannten, gibt es sie heute in allen vorstellbaren Formen: als Kinofilme, Themenparks, TV-Shows, Computerspiele, Comic-Hefte, Bekleidung und noch viel mehr. Auch Lego geht gerade diesen Weg und stieg damit vor zwei Jahren zur größten Spielzeugfirma der Welt auf. Eine stolze Entwicklung für den dänischen Hersteller mit den kleinen bunten Bausteinen, der schon 84 Jahre alt ist.

New York Times: Online-Newsleader ist schon 165

Auch die altehrwürdige New York Times, die seit 1851 verkauft wird, erfand sich für das Digitalzeitalter neu und betreibt heute eines der weltweit meistgelesenen Nachrichtenangebote im Internet. Und ganz ähnlich sieht es in Deutschland aus, wo die stärksten Angebote aus Verlagen kommen, die schon 70 Jahre alt sind: BILD.de und SPIEGEL online. Der Springer-Verlag gehört seit einigen Jahren zu den größten Digitalunternehmen in Europa und erzielt heute zwei Drittel seines Umsatzes mit dem Digital-Geschäft. Die altbekannte BILD-Zeitung dient dabei nur noch als Aushängeschild.

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Währenddessen arbeitet General Motors (gegründet 1908, Jahresumsatz 512 Milliarden US-Dollar) zusammen mit dem Uber-Konkurrenten Lyft bereits daran, selbstfahrende Elektro-Taxis auf die Straßen zu bringen und die Transformation der über hundertjährigen Autoindustrie damit voranzutreiben. Ihr Vorteil: Solche Großunternehmen verfügen über riesige Ressourcen und Fähigkeiten, um Innovationen voranzutreiben. Startups fangen dagegen immer klein an. Selbst wenn die größten Ideen und unendlich viel Leidenschaft sie antreiben, sind sie doch zuerst unbekannt und meistens ohne Mittel. Jeden Meilenstein müssen sie hart erkämpfen und 90 Prozent geben schon in den ersten Jahren ihr Geschäft wieder auf.

General Electric ist ein weiterer Konzern, der viel von seiner Größe und finanziellen Stärke der Innovation verschreibt. In seiner Geschichte, die 1892 begann, war das Unternehmen schon in den verschiedensten Branchen tätig: Stromerzeugung, Transport, Haushaltsgeräte, Gesundheitswesen, Finanzen, Medien und noch viel mehr. Im vergangenen Jahr eröffnete General Electric dann in Indien seine erste Brilliant Factory, die durch ein neues Produktionssystem ermöglicht, dass dort Ausrüstungen und Geräte von allein und in Echtzeit miteinander über das Internet kommunizieren. Sie tauschen Informationen aus und treffen eigene Entscheidungen, um die Qualität ihrer Produkte abzusichern oder eventuelle Abschaltungen von Anlagen zu vermeiden.

General Electric: 124 Jahre altes Software-Startup

Die Brilliant Factory ist ein wichtiger Bestandteil der Firmenstrategie für das Internet der Dinge. Genau wie der neue Geschäftsbereich GE Digital, der vor einem Jahr gegründet wurde und neue Lösungen für die Big-Data-Analyse von Maschinendaten entwickelt. Statt solche innovativen Unternehmensbereiche auszugliedern, bekommen sie bei General Electric große Freiheiten und die Unterstützung des ganzen Konzerns, um die Geschäftsfelder von Morgen zu erobern. Das verschafft ihnen Vorsprung gegenüber Startups, die in denselben Bereichen tätig sind. Die New York Times bezeichnete General Electric deswegen neulich schon als „124 Jahre altes Software-Startup“. Ein treffendes Oxymoron.

Und welche Vorteile haben überhaupt echte Startups?

Neben dem Risikokapital, das sie bei einer Pleite nicht zurückzahlen müssen, hilft ihnen vor allem ein starkes Plus gegenüber Großunternehmen: Sie haben keine Vergangenheit. Die jungen Gründer können komplett neu anfangen und müssen keine Altlasten berücksichtigen. Es gibt keine verstaubten Prozesse oder Machtverhältnisse aus dem Mittelalter der Firma, die sie bremsen könnten. Denn das ist der häufige Denkfehler von Großunternehmen: Durch vergangene Erfolge beharren sie oft auf veralteten Vorgehensweisen, die sich früher einmal bewährt hatten.

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Foto: iStock / alphaspirit

Aber nicht jedes große Unternehmen geht in diese Falle. Ihr Trick ist es, spezialisierte Teams zusammenzustellen, die sich frei bewegen können, aber dennoch Verbindung zum Kerngeschäft halten und den Zugriff auf alle Ressourcen bekommen. Man nennt sie auch Intrapreneure, also Mitarbeiter, die innerhalb der Firma wie unabhängige Unternehmer arbeiten. Sie können die Freiheit eines Startups mit der Kraft ihres Konzerns kombinieren. Damit sind sie gleichzeitig ein schnelles Beiboot und dennoch so stark wie ein großer Tanker.

Von so einer Kombination können die meisten Startups nur träumen.

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