Die «Victoria» mit geblähten Segeln und feuernden Kanonen. Sie schaffte als einziges Schiff der Magellan-Expedition die Weltumrundung. Phantastische Darstellung auf der Ortelius-Karte von 1589. (Bild: CC)

Die «Victoria» mit geblähten Segeln und feuernden Kanonen. Sie schaffte als einziges Schiff der Magellan-Expedition die Weltumrundung. Phantastische Darstellung auf der Ortelius-Karte von 1589. (Bild: CC)

Magellans Triumph und Tod – mit Christus und Kanonen erobern die Spanier die Welt

Die erste Weltumsegelung (1519–1522) war der reine Horror, die meisten Seeleute überlebten die Reise nicht. Der Chef der Expedition, Ferdinand Magellan, fand auf der andern Seite der Welt ein schmähliches Ende.

Andres Wysling
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«Der Generalkapitän befahl, die Schiffe zu beflaggen, die Segel wurden gehisst wie zur Schlacht, und es schoss die ganze Artillerie – dadurch hatten diese Leute furchtbare Angst.» Unter Kanonendonner kündigt sich Ferdinand Magellan mit seiner Flotte an. Mit den Einheimischen hat er leichtes Spiel: «Diese Leute sind einfach, sie gehen nackt und sind tätowiert», berichtet Antonio Pigafetta, der Chronist der ersten Weltumsegelung.

Am 20. September 1519 ist Magellan, der portugiesische Seefahrer in spanischen Diensten, zu seiner Expedition aufgebrochen. Mit fünf Schiffen und 237 Mann soll er eine Westpassage zu den Gewürzinseln finden. Am 7. April 1521 erreicht die Flotte die Philippinen-Insel Cebu, es sind noch drei Schiffe mit 149 Mann.

Auf einem purpurnen Thron sitzend, empfängt Magellan eine Delegation von Inselbewohnern auf seinem Schiff. Die Einheimischen verlangen Hafenzoll, doch Magellan macht von Beginn weg klar: Tribut zahlt er nicht, denn er ist der «Kapitän des grössten Königs und Fürsten der Welt», nämlich des damals 21-jährigen Kaisers Karl V. (König Carlos I in Spanien). Dann beginnt er vom Glauben zu reden. Und schon wollen manche Christen werden, nicht etwa aus Angst oder Gefälligkeit, «sondern aus eigenem, freiem Willen», wie der Chronist unterstreicht.

Schwerpunkt: Die Magellan-Expedition 1519 bis 1522

Nach einigem Hin und Her trägt der Inselkönig Humabon dem Generalkapitän die Blutsbrüderschaft an. Man weint und umarmt sich. Und man handelt: Lebensmittel gegen Stoffe, Kleider und Gläser, Gold gegen Eisen – ein günstiges Geschäft für die Spanier. Der Inselkönig ist dick und nackt und bemalt, er wird prächtig eingekleidet und erhält eine rote Mütze auf den Kopf. Später lässt sein Neffe nackte Mädchen tanzen. Die Eingeborenen sind jetzt Magellans «treue Diener».

Auf das Tauschen folgt das Taufen. Es ist Ostern, 40 Spanier gehen an Land in voller Waffenpracht, die königliche Fahne voran. Wieder donnern die Kanonen, «die Leute rannten in alle Richtungen davon». Auf dem Hauptplatz wird ein Kreuz errichtet. Magellan fordert die Inselbewohner auf, täglich zu beten und ihre Götzenbilder zu verbrennen. Er ist ganz in Weiss gekleidet, «um ihnen seine wahre Liebe zu bekunden». Die Einheimischen sagen, «sie wüssten auf seine süssen Worte gar nicht zu antworten» – wer schweigt, sagt nichts Falsches.

Ein Christkind für die Königin

Nun nimmt Magellan den Häuptling an der Hand und führt ihn zur Taufe; aus Humabon wird Karl, «so wie der Kaiser, sein Herr». Dann werden die übrigen führenden Männer getauft. Einigen Zögernden droht Magellan mit dem Tod, worauf sie gehorchen; von freiem Willen ist nicht mehr die Rede. Magellans Einladung zum Essen lehnen der Häuptling und sein Gefolge ab. Erneut dröhnen die Kanonen.

500 Männer werden zu Christen gemacht, am Nachmittag folgen 300 Frauen und Kinder. Der Chronist selbst zeigt der Inselkönigin – sie ist eine junge, schöne Frau mit knallroten Lippen und Fingernägeln – und ihrem Gefolge Heiligenfiguren: «Ich zeigte ihnen Bilder Unserer Lieben Frau, ein sehr schönes Kind aus Holz und ein Kreuz.» Die schöne Königin weint, wünscht die Taufe und erbittet sich das Christkind, «um es anstatt ihrer Götzenbilder aufzustellen». Sie wird es bald als Geschenk erhalten.

Die 30 Zentimeter hohe Holzstatuette gibt es noch, sie ist heute das Nationalheiligtum der Philippinen. Das «Santo Niño de Cebu» trägt einen Reichsapfel in der Hand, die Erdkugel mit dem Kreuz darauf, das Symbol der Weltherrschaft. Dass die Erde eine Kugel ist, weiss man schon seit der Antike, und dieses Weltbild hat sich gehalten.

«Kastilien! Kastilien!»

Innert einer Woche taufen die Spanier die ganze Bevölkerung Cebus und einiger benachbarter Inseln; die etwas dubiose Wunderheilung eines einheimischen Würdenträgers hilft bei der Verbreitung des christlichen Glaubens. Die Einheimischen sollen ihre Götzenbilder verbrennen, sie müssen jetzt Tribut zahlen und die Spanier mit Lebensmitteln versorgen. Sie rufen ganz von selbst «Kastilien! Kastilien!», wenn es gerade angezeigt scheint. Ein Dorf wird angezündet, weil die Bewohner sich nicht taufen lassen.

Der Chronist berichtet auch über heidnische Bestattungen und Tieropfer; ein Schwein wird unter Tanz und Gesang der Sonne dargebracht. Er staunt über die gepiercten Penisse der Inselmänner: «Sie sagen, ihre Frauen wollten es so.» Um dann anzufügen: «Die Frauen liebten uns viel mehr als die (also die einheimischen Männer).» Die Eroberer fühlen sich unwiderstehlich. Tag und Nacht ziehen sie durch die Dörfer und lassen sich gastfrei halten.

«Quivi mori il Capitano generale – Hier starb der Generalkapitän.» Die Inseln Cebu, Mactan und Bohol, Landkarte aus der Mailänder Handschrift der Pigafetta-Chronik, um 1530. Norden ist links. (Bild: Venerabile Biblioteca Ambrosiana)

«Quivi mori il Capitano generale – Hier starb der Generalkapitän.» Die Inseln Cebu, Mactan und Bohol, Landkarte aus der Mailänder Handschrift der Pigafetta-Chronik, um 1530. Norden ist links. (Bild: Venerabile Biblioteca Ambrosiana)

Fehlgeleitete Strafexpedition

Nicht alle Einheimischen lassen sich die Zumutungen der Spanier gefallen. Auf der Insel Mactan verweigert der Häuptling Lapu-Lapu den geforderten Tribut. Kaum hört das Magellan, schickt er mitten in der Nacht eine Strafexpedition los, um Gehorsam zu erzwingen, 60 Mann auf drei Schiffen. Begleitet werden sie vom christlichen Häuptling von Cebu mit 20 Einbäumen, 2000 Mann sollen das sein. Frühmorgens befiehlt Magellan den Angriff – aber den König Humabon und seine Truppen will er ausdrücklich nicht dabeihaben, sie sollen nur zusehen, wie die Spanier die Sache erledigen.

Die spanischen Schiffe können nicht ans Ufer fahren, weil die flache Küste von Steinen übersät ist. Deshalb können die Spanier ihre Kanonen nicht einsetzen, die Kugeln erreichen das Ufer nicht. 49 Mann mit Helmen und Panzerhemden waten ans Ufer, dort stossen sie auf Verteidigungsgräben. Mit Kriegsgeschrei stürmt ihnen eine Übermacht von angeblich 1500 einheimischen Kriegern entgegen, von drei Seiten.

Ein Hagel von Giftpfeilen und -lanzen geht auf die Spanier nieder. Ihre Armbrüste und Feldgeschütze nützen wenig. Die Verteidiger haben gute Schilde und sind dauernd in Bewegung, so dass sie schwer zu treffen sind. Die Spanier zünden zwanzig oder dreissig Häuser an, um die Gegner abzulenken, doch dadurch werden diese nur noch angestachelt.

Unrühmliches Ende eines Helden

Magellan wird von einem vergifteten Pfeil ins rechte Bein getroffen. Er befiehlt den Rückzug, dieser wird mehr und mehr zur Flucht. Der Kampf wird im Wasser weitergeführt. Die Einheimischen schleudern Lanzen, die Spanier schleudern sie zurück, Geschosse fliegen hin und her. Auch die Kanonen kommen jetzt zum Einsatz. Die meisten Spanier erreichen die Schiffe, wobei ihnen die Truppen des Königs von Cebu mit einem Entlastungsangriff helfen.

Die Verteidiger von Mactan gehen auf Magellan los, der nur noch von wenigen Gefährten gedeckt wird. Zweimal wird ihm der Helm vom Kopf gestossen – «aber er, als guter Ritter, hielt sich stets wacker». Dann erhält er einen Lanzenstoss ins Gesicht und einen Schwerthieb ans linke Bein. Sein Schwert kann er nicht mehr ziehen, weil er am Arm verwundet ist. Mit dem Gesicht voran fällt Magellan ins Wasser und wird totgehauen.

Kein christliches Begräbnis

Etwa zwei Stunden hat der Kampf am 27. April 1521 gedauert. Sieger ist ein heidnischer Inselhäuptling, der sich der Majestät im fernen Spanien nicht beugen will. Lapu-Lapu gilt heute auf den Philippinen wegen seines Widerstands gegen die spanischen Eroberer als Nationalheld, nach ihm ist die grösste Stadt auf Mactan benannt.

Für die Spanier ist die Bilanz niederschmetternd: Der Generalkapitän ist tot, sieben weitere Spanier sind gefallen, auch vier getaufte Einheimische, zudem gibt es viele Verletzte. Vergeblich feilscht man um die Herausgabe der Leichen Magellans und der andern Toten, doch um kein Geld will der Sieger sie hergeben. Der Welteroberer wird kein christliches Begräbnis erhalten.

Magellan kommt auf den Philippinen zu Tode. Kupferstich aus dem 18. Jahrhundert. (Bild: Leemage / Imago)

Magellan kommt auf den Philippinen zu Tode. Kupferstich aus dem 18. Jahrhundert. (Bild: Leemage / Imago)

Schuld an dem Desaster ist niemand anders als Magellan selbst. Er hat die Lage nicht richtig erkundet, er hat den Angriff ohne Unterstützung der Artillerie befohlen, er hat die Mithilfe der Verbündeten ausgeschlagen. «Der christliche König hätte uns geholfen, aber der Kapitän befahl ihm, als wir an Land gingen, er solle sein Boot nicht verlassen, sondern zurückbleiben und zuschauen, wie wir kämpften.» Wichtige Teilnehmer der Expedition versuchten den Generalkapitän von der Teilnahme an dem Gefecht abzuhalten – vergebens. Wollte sich der Portugiese gegenüber den Spaniern beweisen? War er im Rausch der eigenen Erfolge benebelt? Man kann nur spekulieren.

Blutbankett und Flucht

Zurück im Hafen von Cebu, bereiten die Spanier sogleich ihre Abfahrt vor. Der Nimbus der Unbesiegbarkeit ist dahin, das Selbstvertrauen der Eroberer erschüttert. Ihre Gier allerdings haben sie nicht verloren, deshalb tappen sie in eine Falle. Der Inselkönig Humabon lädt zum Abschiedsmahl, die Spanier sollen Geschenke für den spanischen König abholen. Eine Delegation geht an Land, doch sie erwartet ein Blutbankett: 26 Spanier werden hinterrücks umgebracht oder danach vermisst. Einige werden gefangen genommen und später als Sklaven nach China verkauft. Wenige können schwimmend entkommen.

Von den Schiffen aus wird das Dorf mit Kanonen beschossen, dann hissen die Spanier die Segel und fahren davon. Zurück bleibt Juan Serrano, der eben erst zum neuen Generalkapitän gewählt wurde. Ein Freikauf kommt nicht zustande. Verletzt, gefesselt und nackt steht er am Ufer; er ruft – je nach Quelle – Verwünschungen oder Befehle zu den Schiffen hinüber. So endet die spanische Herrschaft auf den Philippinen fürs Erste, am 1. Mai 1521. Die Kreuze werden umgelegt.

Das Massaker angezettelt hat vermutlich Magellans Sklave Henrique. Dieser stammt von Sumatra und dient als Übersetzer; wahrscheinlich spricht er Malisch, zu jener Zeit die Verkehrssprache in jener Inselwelt. Ohne ihn wäre eine Verständigung zwischen den spanischen Abenteurern und den Inselbewohnern unmöglich gewesen. Magellan hat Henrique in seinem Testament freigelassen, doch Serrano will ihn behalten. Henrique rächt sich. Selten hat sich das Wortspiel «traduttore – traditore» (Übersetzer – Verräter) derart drastisch erfüllt.

Christus ohne Kreuz – ein Nachspiel

Gut vierzig Jahre nach Magellan, am 28. April 1565, landet der spanische Eroberer Miguel López de Legazpi auf Cebu. Mit Waffengewalt überrennen seine Leute das Dorf, die Einwohner flüchten ins Landesinnere, wenn sie nicht umgebracht werden. Beim Plündern findet ein spanischer Soldat in einer ärmlichen Hütte das Christkind aus Holz; es liegt in einer Schachtel, es trägt noch seine Mütze und seine Kleider im «flandrischen Stil», auch der Reichsapfel ist noch da, allerdings ohne Kreuz.

Vom Hausaltar der Inselkönigin in eine Schachtel bei armen Leuten – die Holzfigur hat über die Jahrzehnte einen tiefen sozialen Abstieg mitgemacht und ist zudem an entscheidender Stelle beschädigt. Nach dem Tod Magellans und der Flucht der Spanier stand das Christentum bei den Einwohnern von Cebu nicht mehr in hohem Ansehen.

Die Christkindfigur ist etwa 30 Zentimeter hoch und gilt als das wichtigste Heiligenbild der Philippinen. (Bild: Ellis Manuel / CC)

Die Christkindfigur ist etwa 30 Zentimeter hoch und gilt als das wichtigste Heiligenbild der Philippinen. (Bild: Ellis Manuel / CC)

Doch jetzt verhilft Legazpi dem wiedergefundenen Christkind zu neuen Ehren. Es erhält seinen Ehrenplatz in der eilends errichteten Kirche, dazu wird ein jährlicher Festtag festgelegt. Der kleine Holz-Christus wird dann im Volksglauben zum Regenmacher und zum Geburtshelfer der Frauen – immer im Januar wird er mit einer grossen Prozession gefeiert.

Dissidenter Volksglaube

Heute kursiert auf Cebu noch eine ganz andere Geschichte über das hölzerne Christkind. Die Figur stamme, so heisst es, nicht aus Europa. Vielmehr habe ein einheimischer Fischer ein Stück Holz aus dem Meer gefischt. Dieses sei dreimal hintereinander in seinem Netz hängen geblieben; zweimal habe er es ins Wasser zurückgeworfen. Beim dritten Mal habe er darin einen «Agipo» erkannt, einen Geist. Das wunderkräftige Stück Holz sei dann von den Spaniern zu einem Christus geschnitzt worden.

Der dissidente Volksglaube unterwandert, so geht die ethnologische Deutung, die hegemoniale Erzählung der spanischen Eroberung. Anders gesagt: Der Glaube der Unterworfenen ist in der Substanz einheimisch, nur der Form nach ist er fremdländisch.

Weiterführende Literatur

Umfassende Darstellung der Magellan-Reise mit Quellen: Xavier de Castro (Hrsg.): Le Voyage de Magellan (1519–1522), 2 Bde., Paris 2007.

Pigafettas Reisebericht in kritischer Ausgabe: Antonio Pigafetta: Relazione del primo viaggio attorno al mondo, hrsg. von Andrea Canova, Padua 1999.

Pigafettas Reisebericht in deutscher Übersetzung: Antonio Pigafetta: Die erste Reise um die Erde, hrsg. von Robert Grün, Wiesbaden 2009.

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