In der Ajoie im Kanton Jura sind Buchen durch Trockenheit abgestorben. Aufnahme vom Juni 2019. (Bild: Valentin Queloz / WSL)

In der Ajoie im Kanton Jura sind Buchen durch Trockenheit abgestorben. Aufnahme vom Juni 2019. (Bild: Valentin Queloz / WSL)

Auch die Buchen und Weisstannen leiden: Nach der Dürre steht der Schweizer Wald unter Stress

Die Trockenheit von 2018 hinterlässt deutliche Spuren im Wald. In einigen Regionen sterben viele Bäume ab. Die Förster machen sich ernsthafte Sorgen. Doch niemand hat derzeit einen Überblick über das wirkliche Ausmass der Schäden.

Lukas Denzler
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Immer mehr wird das Ausmass der Schäden im Wald sichtbar. Die Trockenheit im letzten Sommer hat den Bäumen arg zugesetzt – deutlich mehr, als die Experten erwartet hatten. «Die Situation ist ausserordentlich; vielerorts sterben Kronenteile oder ganze Bäume ab», betont Andreas Rigling von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL). Als sich im Sommer 2018 immer mehr die kritische Situation abzeichnete, startete die WSL eine Forschungsinitiative. Nun sind erste Ergebnisse von sechs Teilprojekten publiziert worden.

Betroffen sind die häufigsten Baumarten der Schweiz: Buchen, Fichten und Weisstannen, aber auch weniger häufige wie etwa Föhren oder Ahorne. Stellenweise weitet es sich zu einem veritablen Baumsterben aus.

Nicht alle Regionen sind gleich stark betroffen. Starke Schäden vermeldete der Kanton Jura für den nordwestlichsten Zipfel, die Ajoie. Dort vertrocknen teilweise ganze Buchenbestände. Vor wenigen Tagen hat die Kantonsregierung, gestützt auf Artikel 45 im kantonalen Waldgesetz, staatliche Massnahmen in Aussicht gestellt, wie es im Fall von «Waldkatastrophen» vorgesehen ist. Ebenfalls stark betroffen sind die Region Basel sowie der nördliche Teil des Kantons Schaffhausen.

Schwächelnde Buchen

Einige Folgen der Trockenheit erstaunen kaum. Dass der Borkenkäfer der Fichte (Rottanne) zusetzt, ist seit dem Sturm «Lothar» von 1999 und dem Hitzesommer 2003 bekannt. Überraschend kommt hingegen, dass nun auch die Buchen in einigen Regionen massive Probleme haben, etwa im Hardwald vor den Toren Basels.

Im Frühling 2017 gab es einen starken Spätfrost. Anfang 2018 beschädigten Stürme die für die Wasseraufnahme wichtigen Feinwurzeln. Dennoch kam es zu einer starken Bildung von Samen im Frühling. Im April gab es sehr wenig Niederschlag, und ab Juni verschärfte sich die Trockenheit zunehmend. «Diese Kombination hat nun zum Absterben von etwa einem Fünftel der alten Bäume geführt», sagt Christian Kleiber, Revierförster der Bürgergemeinde der Stadt Basel. Als sich das Ausmass der Schäden vor einigen Wochen abzeichnete, sperrten die Verantwortlichen grosse Teile des Waldes für Besucher wegen der Gefahr umstürzender Bäume.

Inzwischen liegen die Ergebnisse einer Umfrage bei den Revierförstern im Kanton Basel-Landschaft vor. «Auf etwa einem Fünftel der Waldfläche gibt es Streuschäden mit einzelnen abgestorbenen oder absterbenden Bäumen», sagt Ueli Meier, Leiter des Amtes für Wald beider Basel. Betroffen seien vor allem alte Buchenbäume, aber auch Ahorne, die seit kurzem durch einen Pilz befallen würden. «Bei den Nadelbäumen trifft es neben den Fichten auch Föhren und Weisstannen», so Meier.

Dürre Weisstannen

Die Probleme der Weisstanne sind auch keine gute Nachricht. Der tief wurzelnde Baum galt bisher als ziemlich trockenheitstolerant. Geschwächte Weisstannen werden von Borkenkäfern befallen und werden innerhalb kurzer Zeit dürr. «20 bis 30 Prozent der ausgewachsenen Weisstannen sind in den letzten Monaten abgestorben», sagt Thomas Studer, Leiter des Forstbetriebs Leberberg am Jurasüdfuss zwischen Solothurn und Grenchen. Noch nie hätten die Weisstannen in einem solchen Ausmass Probleme gehabt wie jetzt.

Eine mögliche Erklärung für die Probleme der Weisstannen hat Roman Zweifel von der WSL. Seit 2011 erhebt er zusammen mit Kollegen anhand von Messungen an mehr als 300 Bäumen an über 30 Waldstandorten das Baumwachstum und Indikatoren zum Wasserdefizit. Laut Zweifel reagiert die Weisstanne sensibel auf trockene Luft. Die Buche hingegen vertrage hohe Temperaturen relativ gut, solange genügend Wasser im Boden vorhanden sei.

Laubfall als Indikator

Als sich im letzten Sommer die problematische Situation immer mehr abzeichnete, begann die WSL mit ihrer Forschungsinitiative. «Ziel ist es, dass wir möglichst viel von diesem Extremereignis lernen und auch aufzeigen können, mit welchen Strategien die Waldwirtschaft reagieren kann», erläutert Rigling.

In drei von der Trockenheit stark betroffenen Gebieten bei Basel, Schaffhausen und im zürcherischen Knonauer Amt markierten die Wissenschafter fast 1000 Buchen. Die Mehrheit hatte ihr Laub wegen der Trockenheit bereits im Sommer 2018 verloren. «Ein verfrühter Laubfall zeigt offenbar eine Schwächung der Bäume an», erklärt Thomas Wohlgemuth von der WSL.

Unklar bleibt, wie verbreitet die Trockenheitsschäden sind. Das Problem: Die existierenden nationalen Waldmonitoring-Programme vermögen diese Schäden nicht genügend genau zu erfassen. Um das Ausmass der Schäden für die gesamte Waldfläche zu erheben, verwenden die Wissenschafter deshalb nun hochaufgelöste Satellitendaten. «Wir möchten diese Informationen mit den Ergebnissen von anderen Versuchsflächen verknüpfen, bei denen wir über präzise Angaben zu den Bäumen verfügen», sagt Rigling.

Bezüglich der Bodenfeuchtigkeit war die Trockenheit 2018 vielerorts gravierender als die letzten beiden Trockensommer 2003 und 2015. Sie lässt sich jedoch mit der Dürre 1947 und den nachfolgenden Trockenjahren vergleichen. Damals starben auch viele Bäume. In den 1950er Jahren folgte jedoch wieder eine feuchte Periode.

Fehlende Erfahrung

Das Spezielle an der jetzigen Situation ist eine starke Häufung von Trockenperioden, kombiniert mit den allgemein gestiegenen Temperaturen im Zuge der Klimaerwärmung. Dürren und Hitze verstärken sich in ihrer Wirkung. «Für diese neue Situation fehlt es uns an Erfahrungswissen bei der Waldbewirtschaftung», konstatiert Rigling. Als verschärfendes Element beurteilt er auch die Kombination von Trockenheit, Stürmen und Spätfrost.

«Wir erleben derzeit den Anfang eines tiefgreifenden Wandels unserer Wälder», ist Ueli Meier überzeugt. Es werde zu Verschiebungen bei den einheimischen Baumarten kommen. Die Anpassung der Wälder sei aber nicht überstürzt anzugehen. Auch die Weisstannen und Buchen will er noch nicht abschreiben. Und den jungen Bäumen will er eine Chance geben. Doch eines ist klar: Die grosse Unsicherheit macht die Waldbewirtschaftung zu einem schwierigen Unterfangen.