Auch Windräder und Sonnenkollektoren benötigen Ressourcen für Landverbrauch, Bau, Unterhalt und Entsorgung. (Bild: Marcel Gillieron / Keystone)

Auch Windräder und Sonnenkollektoren benötigen Ressourcen für Landverbrauch, Bau, Unterhalt und Entsorgung. (Bild: Marcel Gillieron / Keystone)

Gastkommentar

Energiereligion wider die Naturgesetze

In unseren Breitengraden wird Solarstrom eine wachsende, aber begrenzte Nische bleiben. Die physikalischen und ökonomischen Schranken für Solarzellen, Windstromanlagen und Batterien sind bereits weitgehend ausgereizt.

Silvio Borner
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Die schweizerische Energie- und Klimapolitik wetteifert um die Verleugnung etablierter Naturgesetze. Über Geothermie hören wir seit längerem nichts mehr, und Bioenergie ist (abgesehen von Abfallverwertung) als ökologisches und ökonomisches Desaster entlarvt worden. Bei den Bränden im Amazonasgebiet werden nur die Fleischesser zu Sündern gestempelt, aber nicht die zerstörerischen Monokulturen für «klimarettende» Biotreibstoffe. Neuerdings anerkennen selbst offizielle Stellen in der Schweiz die praktische Ausschöpfung der Wasserkraft. Atomstrom ist juristisch und politisch tot. Den Windrädern weht ein kritischer Wind entgegen. Es bleibt somit nur noch die Hoffnung auf die Sonne. Aber in unseren Breitengraden kann Solarstrom nie die Grundversorgung sichern. Die physikalischen und ökonomischen Schranken sind mehr als fünfzig Jahre nach der Erfindung von Solarzellen und Windstromanlagen, auch für Batterien, schon weitgehend ausgereizt.

Batterien sind ressourcenintensiv

Die neue Energiereligion glaubt daran, dass der technische Fortschritt in der Energieumwandlung bei Sonne, Wind und Batterien analog zur IT immer rasanter und schliesslich zu Grenzkosten von null führen wird, so dass Energie eher früher als später gratis würde. Das ist Unsinn. Grenzkosten sind nur kurzfristig relevant bei gegebenen Kapazitäten und keinem Investitionsbedarf. Aber für Sonne, Wind und Batterien steigen die Investitionskosten für die Systemstabilität permanent, weil im Gegensatz zur Produktion von Information die Umwandlung von Energie in immer mehr Schritten immer mehr Ressourcen verschlingt, während der Börsenwert des Flatterstroms immer öfter negativ wird.

Schon Nicolas Léonard Sadi Carnot hat im vorletzten Jahrhundert klar bewiesen, dass Dampfmaschinen und Verbrennungsmotoren beim Wirkungsgrad eine unüberwindbare obere Grenze haben (Vorläufer des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik). Genauso ist es bei Photovoltaik. Die maximale Umwandlung von Licht in elektrische Energie mit der SI-Technologie beträgt 34 Prozent, und davon sind bereits 26 erreicht. Bei Wind erzielt die maximale Umwandlung von kinetischer Energie in Strom immerhin 60 Prozent, wovon heute schon gut 40 realisiert werden können. Die Energiedichten von Sonne und Winden sind naturgegeben absolut begrenzt. Batterien sind extrem ressourcenintensiv. Für jedes Kilo Batterie müssen 50- bis 100-mal mehr Rohstoffe verarbeitet werden – ein potenzielles ökologisches Desaster. Dies eben in krassem Gegensatz zur IT, wo ein Handy einen Fünfzigstel bis einen Hundertstel an Maschinen, Apparaten und Festnetzen erfordert. Es wurde berechnet, dass die Jahresproduktion des grössten Batterieproduzenten Tesla gerade einmal drei Minuten des amerikanischen Stromverbrauchs zu speichern vermöchte.

Ein Digitale-Intelligenz-Netz kann wohl die Nutzung etwas glätten, aber die physikalischen Grenzen der Energiedichte sowie der Umwandlungsverluste um keinen Millimeter verschieben. Es wird noch Fortschritte geben, aber immer kleinere. Echte technologische Revolutionen sind marktfähige Neuanfänge auf der Basis von Grundlagenforschung und eben nicht Weiterentwicklungen bereits überalterter Technologien mit politischer Förderung.

Auch Windräder und Sonnenkollektoren benötigen enorme Ressourcen für Landverbrauch, Bau, Unterhalt und Entsorgung. Je mehr wir via Solar und Wind Energie umwandeln und diese via Batterien speichern, desto höher werden nicht nur die Kosten, sondern auch die gesamte Umweltbelastung. Ein 100-prozentiges Solar- und Windstromnetz muss nicht nur den Spitzenbedarf jederzeit garantieren, sondern auch die temporäre Spitzenproduktion bei geringem Verbrauch direkt in Batterien oder indirekt mit Wasserpumpen oder chemischer Umwandlung puffern können. Das ist für die saisonale Speicherung enorm ressourcenintensiv. Für jede Kilowattstunde eliminierten Atomstroms müssen wir deshalb in der Schweiz mindestens 4 bis 5 Kilowattstunden in Sonne und Wind installieren, um den Jahresverbrauch zu sichern. Aber weil Sonne und Wind in Dunkelflauten bis gegen null sinken, reicht auch das nicht. Netzparität von Sonne und Wind ist daher im Lichte sowohl der Physik wie der Ökonomie ein Schwindel.

Potenzieller Schaden

Die nackten und sinkenden Produktionskosten an der Quelle für Flatterstrom sind somit irreführend, weil mit steigendem Anteil die Speicher-, Reserve- und Stabilisierungskosten überproportional ansteigen, so dass die volkswirtschaftlich relevanten Systemkosten immer grösser werden. Fossile und nukleare Energieträger haben nicht nur extrem hohe Energiedichten und Lastfaktoren, sondern darüber hinaus viel tiefere Lagerkosten und globale Transportkapazitäten. Das alles ist nicht nur Theorie, sondern Empirie. Deutschland hat mittlerweile dreimal höhere Stromkosten als die USA, messbar an den Subventionen minus Markterlösen und Verbraucherpreisen. Und alles ohne Klimanutzen, aber mit steigenden ökonomischen und ökologischen Schäden. Der politische Schaden der Naturgesetzleugnung kommt leider erst ganz am Schluss, wenn die Krise voll zugeschlagen hat.

Silvio Borner ist em. Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Basel und Gründungsmitglied des Carnot-Cournot-Netzwerks.