Die Trapps bei einer Radioaufzeichnung in London im Jahr 1937. (Bild: Imagno / APA / PD)

Die Trapps bei einer Radioaufzeichnung in London im Jahr 1937. (Bild: Imagno / APA / PD)

Die wahre Geschichte der berühmtesten Familie Österreichs

Der Film «The Sound of Music» machte den Chor der Familie Trapp weltweit bekannt und prägt das Österreich-Bild von Millionen von Menschen. Die Realität ist allerdings interessanter als die von Hollywood gezeichnete Idylle.

Meret Baumann, Wien
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In ihrer Heimat sind die Trapps wenig bekannt. Doch weltweit gesehen handelt es sich bei dem neunköpfigen, Tracht tragenden Chor um die berühmteste Familie Österreichs, die weit mehr Menschen kennen als etwa die Habsburger. Das hängt mit dem 1965 erschienenen Film «The Sound of Music» zusammen, der die Geschichte der Trapps nacherzählt und zum Kassenschlager wurde. Nur im deutschsprachigen Raum floppte der Streifen.

Die Hollywood-Version eines sechs Jahre zuvor am Broadway uraufgeführten Musicals zählt bis heute zu den erfolgreichsten Filmen überhaupt, gegen 1,5 Milliarden Menschen sollen ihn bis heute gesehen haben, vor allem in Amerika und in Asien. In den USA gehört er zum festen Bestandteil des Fernsehprogramms in den Weihnachtstagen wie hierzulande die «Sissi»-Trilogie.

Keine Romanze, keine Flucht

Die Idylle der Bergwelt rund um Salzburg und eine kitschige Liebesromanze prägen so das Österreich-Bild von Millionen von Menschen. Längst hat dies auch die Tourismusindustrie erkannt. Rund 700 000 Nächtigungen in der Stadt Salzburg mit ihren 150 000 Einwohnern werden auf den Film zurückgeführt. «The Sound of Music» ist für den Tourismus der Stadt damit weit wichtiger als Mozart. Bei Befragungen geben rund 40 Prozent der Gäste an, deswegen angereist zu sein. Touren zu den Originalschauplätzen und Drehorten boomen. An Orten wie dem zentralen Mirabellgarten oder auf dem Residenzplatz stellen Gäste für Selfies Szenen aus dem Film nach oder singen die berühmten Lieder wie das «Do-Re-Mi».

Die prachtvolle Villa Trapp im österreichischen Salzburg. (Bild: Archiv Franz Werner)

Die prachtvolle Villa Trapp im österreichischen Salzburg. (Bild: Archiv Franz Werner)

Die Geschichte der angehenden Nonne Maria, die von einem Kloster bei Salzburg zu dem verwitweten Georg Ritter von Trapp und seinen sieben Kindern geschickt wird, fasziniert das Publikum. «Fräulein Maria» bringt nicht nur die Musik in die prachtvolle Villa, sondern erobert auch das Herz des Hausherrn. Das Glück wird aber jäh gestört durch den «Anschluss» Österreichs an das «Dritte Reich», dem sich der hochdekorierte Marinekommandant widersetzt. Bei einem Gesangswettbewerb in Salzburgs Felsenreitschule gelingt ihnen schliesslich mithilfe beherzter Nonnen die Flucht, indem sie über die Grenze in die Schweiz wandern.

Geografisch ist dies gar nicht möglich, was allerdings nicht die einzige Abweichung des Films von der Realität ist. Vielmehr mussten die Trapps gar nicht fliehen. Sie lehnten das neue nationalsozialistische Regime zwar tatsächlich ab und entschlossen sich deshalb zur Emigration. Doch die Ausreise im August 1938 erfolgte nicht überstürzt, sondern mit insgesamt 56 Koffern und Kisten im Zug nach Südtirol. Der Familienchor ist nämlich zu jenem Zeitpunkt bereits über die Grenzen Österreichs hinaus bekannt und hat eine Einladung zu einer Konzertreise in die USA. Der Unterschied zu anderen Tourneen ist bloss, dass die Trapps langfristig in Amerika bleiben – und eine glänzende Karriere als «The Trapp Family Singers» lancieren.

Die Schauspielerin Julie Andrews als Fräulein Maria im Film «The Sound of Music». (Bild: Imago)

Die Schauspielerin Julie Andrews als Fräulein Maria im Film «The Sound of Music». (Bild: Imago)

Es ist dies nur eine Episode eines eben erschienenen Buchs («Die Trapp-Familie – Die wahre Geschichte hinter dem Welterfolg», Molden-Verlag), welches das Leben der Trapps jenseits der Klischees des Films nacherzählt. Eine Liebesgeschichte wie in «The Sound of Music» ist dies nicht. Der einstige Kapitän Georg von Trapp und Maria heiraten 1927 aus rationalen Gründen: Er sucht Hilfe bei der Erziehung der Kinder, sie liebt diese bald und gewinnt finanzielle Sicherheit.

Als das gesamte Vermögen in der Krise der 1930er Jahre aufgrund einer Fehlinvestition verloren geht, ist es die resolute Maria, die das Kommando übernimmt. Sie gründet den Familienchor und macht ihn zum Geschäft – begünstigt von der politischen Situation in Österreich. Dem diktatorischen «Ständestaat» gilt die katholische, kinderreiche und monarchistische Familie als Ideal, so dass sie bald von Kanzler Kurt Schuschnigg protegiert wird. Die Trapps werden für Propagandazwecke eingespannt und sollen helfen, ein österreichisches Nationalbewusstsein in Abgrenzung zu Hitler-Deutschland zu schaffen.

Ein Spiegel der Geschichte

Dieser Kontext fehlt im Film, ebenso wie die an Psychoterror grenzende Erziehungsmethode der Stiefmutter Maria, die Gewalt gegen die Kinder in ihrer Autobiografie – der Vorlage für Musical und Film – selbst schildert. Der Chor wird zu ihrer Mission, den inzwischen erwachsenen Kindern wird in den USA kein eigenständiges Leben erlaubt. Erst nach und nach gelingt ihnen der Ausbruch, 1956 wird der Chor schliesslich aufgelöst.

Mit der im Film gezeichneten Idylle hat das wenig zu tun. «Die Wirklichkeit ist weniger glamourös, aber interessanter als der Mythos», wird das jüngste der Trapp-Kinder zu Beginn des Buchs zitiert. Das stimmt zweifellos, spiegelt sich in der Geschichte der Familie doch auch jene Österreichs vom Untergang der Monarchie bis in die Nachkriegszeit.