Technologiezentren:Im Tal der Tech-Titanen

Das Silicon Valley gilt noch immer als Vorbild für eine erfolgreiche Start-up-Szene. Auch hierzulande träumen manche davon.

Von Thorsten Riedl

Nicht nur jedem Anfang, auch dem Ende wohnt manchmal ein Zauber inne. So galt Intershop Communications zu Neue-Markt-Zeiten als eines der angesagtesten Unternehmen. Der E-Commerce-Spezialist war im März 2000 so viel wert wie Thyssenkrupp - nur um wenig später in schwere Turbulenzen zu geraten. Jetzt kostet das Unternehmen an der Börse noch so viel wie ein kleiner Mittelständler. Der Intershop Tower in der Mitte von Jena heißt Jentower. Statt 1200 beschäftigt Intershop noch gut ein Viertel der Mitarbeiter. Und im Rest des Turms sind viele Internet- und Softwareunternehmen aufgeblüht. Die Wirtschaftsauskunftei Creditreform vergibt an Jena gar den Titel eines "deutschen Silicon Valley". Ein Titel, den viele hierzulande anstreben. Eine Spurensuche.

Das Silicon Valley fasziniert. Südlich von San Francisco tummeln sich so viele Hightech-Unternehmen, große wie kleine, wie sonst nirgends auf der Welt. Der Name geht zurück auf Unternehmen aus der Silizium-Chip-Industrie. Heute haben Internet- und Hightech-Größen wie Apple, Facebook, Google, Tesla oder Netflix ihren Sitz in den Kommunen der Region. Dazu kommen unzählige Start-ups. Versorgt werden sie mit dem wichtigsten Treibstoff der Branche: Wissen - etwa von den Absolventen der Stanford University, einer der besten Hochschulen des Landes. Mehr als ein Drittel aller Investitionen über Wag-niskapital in den USA flossen 2016 gemäß National Venture Capital Association ins Valley. Und das zahlt sich aus: Die Region erwirtschaftet eines der höchsten Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukte der Welt. Kein Wunder, dass so viele Regionen auf dem Globus dem Vorbild nachstreben.

Auch hierzulande enstehen "exzellente Valleys"

So wie Jena: Die Experten von Creditreform haben in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) herausgefunden, dass dort in jedem Jahr 250 Patente pro 100 000 Einwohner angemeldet werden. Der bundes-deutsche Durchschnitt beträgt 59. Das liegt nicht nur an Intershop und den Software- und Internet-Start-ups im Jentower. In der Stadt haben auch die traditionsreichen, aber immer noch innovativen Industriebetriebe Zeiss, Jenoptik und Schott ihren Sitz. Zudem befruchtet die Nähe zur Friedrich-Schiller-Universität sowie zu außeruniversitären Forschungsstätten.

Technologiezentren: Alles schön bunt am Stammsitz von Google. Das Geschäft ist knallhart.

Alles schön bunt am Stammsitz von Google. Das Geschäft ist knallhart.

(Foto: Eric Risberg/AP)

Doch die ostdeutsche Stadt ist nicht die einzige mit Ambitionen. Die Bundesregie-rung hat nach einem Städtewettbewerb zwölf "Innovationsregionen" erkoren, in denen große Unternehmen zusammen mit solchen aus dem Mittelstand und der Start-up-Szene mit Wissenschaftlern und Investoren die digitale Transformation vorantreiben sollen. Dort entstehen "exzellente Valleys mit eigenen Stärken", so heißt es.

Die Regionen haben jeweils ihre Schwer-punkte, sollen in einem Netz verbündet arbeiten: Hamburg und Dortmund beispiels-weise am Thema Logistik, Frankfurt am Main an Fintechs, Start-ups aus der Finanzszene also, Köln an Insurtech, solchen aus der Versicherungswirtschaft, in Berlin, Leipzig und Dresden forscht und entwickelt man unter anderem am Internet der Dinge, in München an der künftigen Mobilität und in Karlsruhe an künstlicher Intelligenz.

Politischer Wille ist das eine - unter-nehmerische Praxis das andere. Im Global Startup Ecosystem Report untersucht der Verband Startup Genome die Rahmenbedingungen für Gründer weltweit. So wie sie aktuell aussehen, nicht wie die Politik sich das vorstellt. Die Lobbyvertretung bezeichnet sich als weltweit wichtigste Stimme junger Unternehmer. Der jüngste Bericht nennt für Europa und den Nahen Osten gerade einmal 14 Ökosysteme, ver-gleichbar dem Silicon Valley, das auch in der Studie als weltweites Vorzeigebeispiel gilt. Zum Vergleich: Für Nordamerika werden 17 Startup-Valleys identifiziert, für Asien zwölf.

Eine Studie bescheinigt Berlin, besonders agil zu sein

Unter den 14 Zentren in Europa und dem Nahen Osten befinden sich immerhin drei deutsche: Berlin, Frankfurt und München. Die deutsche Hauptstadt sei besonders agil, was sehr junge Gründungen angehe, müsse sich aber noch beweisen, was große Start-ups betreffe, heißt es im Bericht. Als positives Beispiel wird die Berliner Gebrauchtwagenplattform Auto 1 genannt, eines der wenigen deutschen Einhörner. So werden Start-ups mit einer Bewertung von mehr als einer Milliarde Dollar genannt. Frankfurt sei stark, was Fintech angehe, junge Unternehmen in der Finanzindustrie, der Analyse von großen Datenmengen sowie Cybersicherheit. Als wichtigste Themen für München werden Fintech, Gesundheitsthemen sowie Mobilität angeführt.

Obschon bislang nur drei deutsche Hightech-Standorte auf internationales Interesse stoßen: Das Bemühen der Politik, die heimischen Technologiezentren zu stärken, kann langfristig zu Erfolg führen. "Euer Ökosystem muss nicht gleich ein Silicon Valley sein", erklärt Jonathan Ortmans, Präsident des Global Entrepreneurship Network (GEN), "für den Anfang genügt es, Start-ups in Schlüsselbereichen zu helfen".

Die wichtigsten Tech-Themen

Manager aus der Informationstechnologie (IT) lieben Schlagworte, besonders englischsprachige, daher werden sie auch Buzz words genannt. Vieles taucht in dem Sektor unter einem neuen Modebegriff auf, wenn es ein paar Jahre auf dem Buckel hat: Bei Big Data beispielsweise geht es im Grunde um die Auswertung großer Datenmengen - was einer der wesentlichsten Gründe für den Siegeszug der Maschinen zur Datenverarbeitung war, seit Charles Babbage und Ada Lovelace vor mehr als 180 Jahren die Analytical Engine vorgestellt haben, die Urform eines universell programmierbaren Computers. Und doch schlagen die Werbetrommeln aktuell wieder für Big Data.

Ein wichtiges Thema in dem Zusammenhang ist die Künstliche Intelligenz. Auch hieran wird lange schon geforscht. Doch erst jetzt zeigen Algorithmen erste Formen von Intelligenz, beispielsweise wenn sie selbständig Daten analysieren und so neue Programmzüge lernen. Als weitere wichtige Themen für den Sektor hat der aktuelle Global Startup Ecosystem Report moderne Fertigungstechniken sowie Robotik ausgemacht. Hier stiegen die Investitionen in junge Unternehmen im Fünf-Jahres-Vergleich besonders stark. Auf Platz zwei folgen Startups, die sich mit moderner Landwirtschaft und Lebensmitteltechnik befassen. Anschließend folgen Blockchain-Gründungen, also solche Unternehmen, die neue Wege der Datenverarbeitung ergründen, sei es für Kryptowährungen wie Bitcoin oder für Datenbanken. Thorsten Riedl

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