Roger Cohen im Telefónica BASECAMP: Guter Journalismus lohnt sich wieder

Foto: Henrik Andree
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Veröffentlicht am 29.09.2017

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Es dürften noch nie so viele Besucher aus den USA dagewesen sein wie am Mittwoch. „Die American Academy und das Telefónica BASECAMP hatten Roger Cohen eingeladen, um über Trump, Merkel, Fake News und das digitale Dilemma zu reden, vor dem heute die Wähler stehen“, begann der anschließende Fernsehbericht bei Deutsche Welle TV. „Der Tag war ein Teil von Telefónicas Veranstaltungsserie Digital Masterminds„, erklärte der Nachrichtenmoderator Brent Goff. Er war nur wenige Stunden früher im Telefónica BASECAMP auf der Bühne gewesen, um mit dem bekannten Kolumnisten der New York Times über die Rolle der Medien zu diskutieren.

Im Journalismus hat sich viel verändert seit den Achtzigerjahren“, sagte Roger Cohen in seinem einleitenden Vortrag. Doch die Aufgabe der Presse sei immer noch gleich: die Wahrheit zu berichten und die Verantwortlichen zu benennen. Nur sei das gar nicht mehr so einfach, weil es so viel „Müll“ zu lesen und anzuschauen gebe. Statt der Medien bestimme heute die Technik, was wir denken, wie wir wählen und wen wir mögen.

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Foto: Henrik Andree

Vor allem junge Leute müssten lernen, damit umzugehen und den Müll zu vermeiden. „Wir gehen sehr unaufmerksam durchs Leben“, sagte der 62-jährige bei der Diskussion mit Brent Goff und dem Publikum. „Es wird immer schwerer, sich zu konzentrieren.“ Die heutige Technik, die beispielsweise Sozialnetzwerke wie Facebook ermöglicht, sei eigentlich großartig, um Verbindungen aufzubauen. Doch sie führe auch zu einer Isolierung, wie man sie noch nie gesehen habe.

Donald Trump: Ehrlichster Präsident aller Zeiten?

Roger Cohen stellte deutlich die Risse dar, die durch die amerikanische Gesellschaft gehen und sich auch in Deutschland erkennen lassen. Seine liberalen Freunde in New York wollten es einfach nicht glauben, als er kurz vor der US-Wahl aus Kentucky wieder kam und sagte, dass Donald Trump  gewinnen könne. Und obwohl ihn die Presse immer wieder beim Lügen ertappe, würde ein Drittel der Bevölkerung heute Trump für den „ehrlichsten Präsidenten aller Zeiten“ halten, weil er seine Überzeugungen nicht verheimlicht, sondern immer gleich mit starken Worten äußert.

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Doch auch in Deutschland sei die öffentliche Meinung fragmentierter als früher. Eine Analyse der Frankfurter Allgemeinen Zeitung könne Leser in Mecklenburg nicht mehr überzeugen, wenn sie vom politischen System die Nase voll haben und alle Zeitungen zur sogenannten Lügenpresse rechnen. Das sei ein ernsthaftes Problem, das sich weltweit erkennen lasse und „neuen Autokraten den Wind in die Segel bringt“. Am schlimmsten sei aber die Abstumpfung, die Roger Cohen auch bei sich selbst beobachten kann.

Fake News: Kaum noch Diskussionen möglich

Wir können ja gern verschiedene Meinungen haben, aber wir müssen uns doch über die Fakten einig sein“, sagte er im Telefónica BASECAMP. Doch in den USA gebe es heute so viele Fake News, dass sich kaum noch eine gemeinsame Basis für Diskussionen finden ließe. Und die Ausbrüche oder Lügen des Präsidenten würden immer schneller vergessen, weil sie längst alltäglich sind. Das gehe auch ihm so. „Bitte ziehen Sie in solchen Momenten nicht einfach die Schultern hoch“, rief Roger Cohen dem Publikum zu. „Bitte geben Sie nicht auf.“ Und auch er denkt nicht ans Aufgeben.

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Selbst der New York Times geht es inzwischen wieder besser. Das Blatt habe sich komplett neu erfinden müssen, als immer mehr Werbegelder ins Internet abwanderten. Besonders Facebook sei immer noch eine große Gefahr und er könne nicht ausschließen, dass CEO Mark Zuckerberg eines Tages auch noch US-Präsident wird, sagte Roger Cohen. Doch die New York Times habe seit dem Amtsantritt von Donald Trump ganze 600.000 neue Digital-Abonnenten hinzugewonnen und ihr Börsenkurs stieg in einem Jahr um 56 Prozent. Guter Journalismus scheint sich also wieder zu lohnen, auch wenn die Arbeit schwer ist.

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