Chemienobelpreis 2019: Ausgezeichnete mobile Energiespeicher

Der Nobelpreis für Chemie geht dieses Jahr an die beiden Amerikaner John Goodenough und Stanley Whittingham sowie den Japaner Akira Yoshino für die Entwicklung von Lithium-Ionen-Batterien. Die kraftvollen Stromspeicher ermöglichen zahlreiche mobile Anwendungen – vom Mobiltelefon über Digitalkameras bis hin zu E-Bikes.

Uta Bilow
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Lithium-Ionen-Akkumulatoren in einem Elektroauto. (Bild: Imago)

Lithium-Ionen-Akkumulatoren in einem Elektroauto. (Bild: Imago)

Lithium-Ionen-Akkus sind seit fast 30 Jahren auf dem Markt und haben seither einen Siegeszug durch vielfältige Gebiete angetreten. Die ultimativen Kraftpakete stecken in jedem Tablet und Laptop, sie treiben Akku-Schrauber, Staubsauger oder Rasenmäher an und werden als Energiespeicher für überschüssigen Strom aus Sonnen- oder Windkraft erprobt. Nicht zuletzt soll auch die Elektromobilität mithilfe der Lithium-Batterien kräftig Fahrt aufnehmen.

Die Vergabe des Nobelpreises auf diesem Forschungsgebiet war von Fachleuten schon seit einiger Zeit erwartet worden. Denn es erfüllt auf mustergültige Weise die Vorgabe von Alfred Nobel, dass der Preis an Personen gehen soll, die «der Menschheit den grössten Nutzen erbracht haben». Leistungsfähige Stromspeicher wie die Lithium-Ionen-Akkus sind ein unabdingbarer Baustein für eine Zukunft, die auf fossile Brennstoffe verzichten kann.

Ein Lithium-Akku besteht im Prinzip aus Plus- und Minuspol (Anode und Kathode) sowie dem Elektrolyten. Wird Strom verbraucht, wandern Lithium-Ionen vom Minuspol durch den Elektrolyten zum Pluspol. Zugleich gibt die Anode Elektronen nach aussen ab. Lädt man die Batterie auf, wird der Vorgang umgekehrt: Eine äussere angelegte Spannung zwingt die Lithium-Ionen wieder zurück zur Anode.

Zähmung des Metalls

Der grosse Erfolg der Lithium-Akkus beruht auf zwei zentralen Eigenschaften des Elements: Lithium ist das leichteste Metall und zugleich auch das elektropositivste – es gibt mit Leichtigkeit Elektronen ab. Dadurch ist es ein perfekter Grundstoff für einen Akku mit hoher Energiedichte. Kein anderes Batteriesystem bringt mehr Leistung bezogen auf das Gewicht. Allerdings ist Lithium auch ein äusserst reaktives Metall, das beispielsweise an Luft oder mit Wasser heftig reagiert. Die Entwicklung des Lithium-Ionen-Akkus kommt somit einer Zähmung des Metalls gleich.

Stanley Whittingham. (Bild: Andreas Gebert / Reuters)

Stanley Whittingham. (Bild: Andreas Gebert / Reuters)

Die Anfänge der Lithium-Ionen-Batterie reichen zurück in die frühen 1970er Jahre, mitten in die Zeit der Ölkrise. Stanley Whittingham war damals beim Ölkonzern Exxon auf der Suche nach Materialien, mit denen sich Stromspeicher für E-Autos bauen liessen. Er fand eine aussichtsreiche Substanz in Titansulfid. Die schichtartig aufgebaute Verbindung konnte Metall-Ionen einlagern und dabei elektrische Spannung erzeugen. Sie ergab somit einen guten Pluspol. In Kombination mit einer Anode aus Lithium-Metall baute Whittingham die erste wiederaufladbare Lithium-Ionen-Batterie, die bereits zwei Volt Spannung lieferte.

Diesen Ansatz optimierte im folgenden Jahrzehnt der Materialwissenschafter John Goodenough. Er wurde 1922 in Jena geboren und ist damit der älteste Nobel-Laureat. Während seiner Zeit an der Oxford University in England suchte Goodenough nach einer besseren Substanzklasse für die Kathode der Zelle und setzte dabei auf Oxide statt Sulfide. Systematisch wurden zahlreiche Oxide getestet, bis schliesslich mit Lithium-Kobalt-Oxid ein hervorragender Kandidat gefunden war, der zudem die Spannung der Akkus auf einen Schlag verdoppelte.

John B Goodenough (Bild: Peter Summers/Getty Images)

John B Goodenough (Bild: Peter Summers/Getty Images)

Risiko von Bränden und Explosionen

Probleme bereitete aber immer noch die Anode. Das metallische Lithium war ein Sicherheitsrisiko, da es in Kontakt mit Luft oder Wasser Brände und Explosionen hervorrief. Ausserdem wuchsen bei wiederholten Lade- und Entladezyklen sogenannte Dendriten auf der Anode heran, spitze Nadeln, die einen Kurzschluss erzeugten, wenn sie bis zum Pluspol reichten.

Die Entwicklungsarbeiten zu Lithium-Ionen-Akkus hatten zu diesem Zeitpunkt etwas an Schwung verloren. Denn nach der Ölkrise war der fossile Brennstoff wieder billig verfügbar, bei Exxon und auch anderswo erlahmte daher das Interesse an der Forschung. Anders stellte sich die Situation jedoch in Asien dar, wo man bereits auf tragbare Elektronik setzte und dafür kleine und leichte Batterien benötigte. So waren es die Arbeiten des dritten Preisträgers, Akira Yoshino, die schliesslich zur ersten kommerziell verfügbaren Lithium-Ionen-Batterie führten.

Akira Yoshino (Bild: Tomohiro Ohsumi/Getty Images)

Akira Yoshino (Bild: Tomohiro Ohsumi/Getty Images)

Yoshino, der beim japanischen Unternehmen Asahi Kasei forschte, ersetzte das metallische Lithium der Anode durch Kohlenstoff-basierte Substanzen mit schichtartigem Aufbau. Dort wurden die Metallteilchen ebenso eingelagert wie auf der Kathodenseite. Die Hin- und Herbewegung der Ionen zwischen den beiden Polen brachte den Akkus auch den Beinamen «Schaukelstuhl-Zellen» ein. Als eine Firma die Zellen 1991 auf den Markt brachte, zog dies eine Revolution nach sich. Denn die Akkus waren klein, leicht und stabil. Und sie konnten unzählige Male geladen werden, bevor ihre Leistung zu schwach wurde. Mobiltelefone wurden rapide kleiner und leichter, Computer tragbar und kabellos, und mit mp3-Playern begann der Vormarsch der mobilen Unterhaltungselektronik.

Kathode als Engpass für die Leistung

Der Lithium-Ionen-Akku ist ein Erfolgsmodell, an dem weiterhin intensiv geforscht wird. Im Fokus stehen Energiedichte, Lebensdauer und auch Sicherheit. Da die Kathode in der Regel eine geringere Kapazität als der Minuspol besitzt, ist sie ein wesentlicher Engpass für die Leistung der Akkus. Viele Forschungsarbeiten setzen deshalb hier an. Goodenough selber hat in den vergangenen Jahren bessere Materialien vorgestellt, darunter Manganoxide oder Eisenphosphat.

Diese Alternativen bringen nicht nur höhere Kapazitäten. Sie machen auch das Kobalt überflüssig, das oftmals unter ethisch fragwürdigen Bedingungen, etwa in Kinderarbeit, in Kongo-Kinshasa gewonnen wird. Auch bei der Anode werden Materialien erprobt, die mehr Lithium aufnehmen können als die gängigen Kohlenstoff-basierten Stoffe. Ein wichtiger Aspekt ist hier, ob eine grosse Volumenänderung stattfindet, wenn das Material Lithium-Ionen aufnimmt oder abgibt. Schwillt oder schrumpft die Elektrode ständig beim Laden und Entladen, zerbröselt sie in Rekordzeit.

Nicht zuletzt steht auch immer einmal wieder die Betriebssicherheit von Lithium-Ionen-Akkus im Fokus. So kam 2016 ein Smartphone auf den Markt, bei dem es durch Produktionsfehler am Akku zu Überhitzungen, Bränden und Explosionen kam. Ein Konzept gegen solche spektakulären Ereignisse sind feste Elektrolyte wie zum Beispiel Kunststoffe, Keramik oder Glas, die ohne brennbare Flüssigkeiten auskommen. Auch auf diesem Feld ist der Preisträger Goodenough weiterhin tätig.

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