Newsticker
Schlagzeilen, Meldungen und alles Wichtige
Die Nachrichten heute: Newsticker, Schlagzeilen und alles, was heute wichtig ist, im Überblick.
Zum Newsticker
  1. Home
  2. Welt Print
  3. Sport
  4. Hurra, wir sind besser als Bayern!

Sport

Hurra, wir sind besser als Bayern!

Seit dem Aufstieg in die Bundesliga erlebt Mainz 05 verrückte Wochen. Trainer Tuchel wird begeistert gefeiert, und Manager Heidel sagt: "Das ist kein Glück, wir sind verdient Sechster"

Eigentlich will er ja am liebsten seine Ruhe haben und sich auf Fußball konzentrieren. Aber den Termin hat Thomas Tuchel, 36, dann doch gern wahrgenommen. Mit seinem Präsidenten Harald Strutz und Kapitän Tim Hoogland hat er am Donnerstag in Mainz eine Schule besucht, von seinen Streichen als Schüler erzählt und richtig viel Spaß gehabt. Mit zwölf örtlichen Schulen kooperiert der Bundesligist FSV Mainz 05 derzeit, um wichtige Themen wie Fair Play im Sport, Integration von Ausländern, Sucht- und Gewalt-Prävention zu berühren und damit sein Image vom etwas anderen Verein zu unterstreichen.

Da darf und will auch der neue Trainer nicht zurückstehen und natürlich schadet es nichts, dass er nach gerade mal 105 Amtstagen bei den Kindern ähnlich hohe Sympathiewerte hat wie sein schon legendärer Vorgänger Jürgen Klopp. Eine Zeitung hat Tuchel mittels einer Querbeetbefragung im Mainzer Umfeld ein Zwischenzeugnis erstellt: Note 1,6.

Da lassen sich Vergleiche mit Klopp aushalten. Sie werden in den kommenden Tagen ohnehin zunehmen, schließlich spielen die Mainzer am Samstag in Dortmund, wo Klopp seit 2008 arbeitet.

Tuchel, der noch vor Saisonstart den für Mainzer Verhältnisse einfach zu humorlosen Aufstiegstrainer Jörn Andersen abgelöst hat, ist auf dem besten Weg zu einer Kultfigur: Wieder ein netter junger Mann aus den eigenen Reihen - er war Trainer der A-Jugend -, der nach Heimspielen am Zaun hängt, lieber Trainings- als Designeranzug trägt, sich aber gut auszudrücken und seine Spieler zu begeistern weiß.

Auch die Sponsoren reißen sich bereits um ihn, gerade erst wollte ihn eine Versicherung für ein internes Turnier im kommenden Mai buchen - von zehn bis 17 Uhr. Er sagte dankend ab. Der Mann weiß sich zu schützen, ein Fernsehexperte wie Klopp wird er wohl nie, Medienarbeit ist für Tuchel noch zweitrangig. Schon nach dem zweiten Spiel lud ihn das ZDF ins "Sportstudio" ein, aber der Ulmer Ex-Profi hielt es noch für unangemessen, seine Weisheiten vor einem Millionen-Publikum auszubreiten. Eine Bescheidenheit, die ihn ehrt.

Dass die Lokaljournalisten von bis zu dreimaligem Geheimtraining pro Woche nicht sehr erbaut sind, lässt ihn kalt. Er sei doch nicht dazu da, ihnen die Zeitung zu füllen. Tuchel rückt eben lieber die Mann-schaft ins Rampenlicht, die liefert genug Geschichten. Die Zwischenbilanz des Aufsteigers nach dem ersten Saisondrittel kann sich allemal sehen lassen: 21 Punkte nach 12 Spielen und fünf Heimsiege sind Vereinsrekord - und die Tabelle im Presseraum verkündet noch mindestens eine Woche lang den absoluten Ausnahmezustand. Dort sind alle 18 Vereinsnamen in Nummernschildgröße an eine Säule in der Mitte des Raumes geheftet und niemand muss sich mehr bücken, um die Mainzer zu finden.

Der designierte erste Absteiger steht auf Platz sechs, auf Platz acht erst kommt Bayern München. Das liegt nicht nur an den schwächsten Bayern seit 15 Jahren, sondern auch an den stärksten Mainzern aller Zeiten. "Das ist kein glücklicher sechster Platz, das ist ein verdienter sechster Platz. Ich habe ja auch nie verstanden, warum uns alle als ersten Absteiger eingeschätzt haben. Wir haben Qualität und wirklich eine Mannschaft, die Spieler passen zusammen", sagt Manager Christian Heidel. Das weckt neues Selbstbewusstsein: "Wir haben uns natürlich jetzt andere Ziele gesetzt und wollen nicht mit 21 Punkten in die Winterpause gehen. Es gibt noch ein paar Punkte zu verteilen und davon wollen wir uns möglichst viele holen", droht Heidel weitere Großtaten an, ehe er sich selbst bremst: "Unser Blick geht trotzdem auf Platz 16."

Mainz ist schließlich immer noch Mainz, mit allen Stärken und Schwächen. Der Vorstand ist seit über einem Jahrzehnt derselbe, ebenso das nicht wirklich bundesligataugliche Stadion am Bruchweg. Die Zufahrtsstraße für ein neues und größeres ist schon da. Nur: Den Bau verhindern Anwohner, die Lärmbelästigung fürchten, und ein paar renitente Bauern, die an ihren Schollen kleben. Bundesliga-Fußball in der Provinz.

Der nächste Eilantrag für einen Baustopp wird diese Woche verhandelt. Vergeblich appelliert Präsident Harald Strutz: "Zu einer modernen Stadt gehört auch ein modernes Stadion."

Auf manches können sie aber gut verzichten in Mainz, wo es immer noch keine Scouting-Abteilung gibt. Manager Heidel hält sie schlicht für überflüssig. Das seien "oftmals ABM-Maßnahmen, um ehemaligen Spielern eine Stelle zu verschaffen". Trotzdem glücken ihnen immer wieder Transfers, um die man die Mainzer beneidet wie aktuell der des Österreichers Andreas Ivanschitz, der mit je sechs Treffern und Vorlagen zu solchen sogar die Scorer-Tabelle der Liga anführt. Dabei gehört er nicht mal zu den sechs Nationalspielern, die Mainz dieser Tage abstellte. Auch das ist neu für die Provinz.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant