Webdesign: Kreatives Chaos und strenge Organisation

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Homepages und Websites sind längst Tore zur eigenen digitalen Welt. In Sachen Webdesign hat sich in den letzten Jahren viel verändert. Unterschiedliche Ansätze führen für Designer zum Erfolg.

Es ist noch gar nicht so lange her, da verstand man unter dem Begriff „Webdesign“ die zweckmäßige Aneinanderreihung von Links, Texten und Bildern. Doch längst hat sich hier eine florierende Branche entwickelt, auch die großen Agenturen haben das Web für sich entdeckt, und für Innovationen auf dem Gebiet werden international beinah ständig irgendwelche Preise vergeben. Dabei sind die Ansätze ganz verschieden, bevor eine Website überhaupt gestaltet wird, muss man erst einmal wissen, in welche Richtung die Reise gehen soll: knallig, bunt und schreiend oder nüchtern und sachlich? Mit vielen Effekten oder doch eher schlicht? Darf's auch ein bisserl mehr Video sein?

Und da die Anforderungen an den öffentlichen Internetauftritt immer höher werden, ist es eben nicht mehr damit getan, einfach zwei Links und drei Zeilen Text irgendwo online zu stellen. Dabei gibt es kein Patentrezept, dem die digitalen Kreativen folgen.


Globale Intelligenz. Darauf, dass sich das Internet fast täglich neu erfindet und verbessert, muss man als Webdesigner natürlich reagieren. Vorteile sieht etwa Michael Schmidt von der Wiener Agentur Knallgrau in dieser rasanten Entwicklung. Weil das Web globaler werde, wodurch auch der internationale Austausch immer besser werde und man heutzutage gerade themenspezifische Informationen wie Sand am Meer finde. „Wir profitieren alle von dieser kollektiven globalen Intelligenz.“

Für Stefan Rasch, Chef der ebenfalls in Wien ansässigen und auf Web-Umsetzungen spezialisierten Fullservice-Agentur Screenagers, zeigt sich die Bedeutung des Internets vor allem daran, dass die Firmen eine Webpräsenz nicht mehr nur als Anhängsel sehen, sondern sie inzwischen schon als Kern einer Marketingkampagne aufstellen. Herausforderungen gibt es dabei vor allem noch auf dem mobilen Markt. „Solche Angebote müssen aber einen Mehrwert für den User bieten“, mahnt Rasch. Ein einfaches Abbilden der Website auf einem iPhone reiche nicht. „Man muss die Funktionen, die einem Mobile Entertainment bietet, auch ausnutzen.“

Viel problematischer sind laut Rasch die überzogenen Erwartungshaltungen, die Kunden in Trends wie virales Marketing legen. „Hypes auf Knopfdruck können nicht funktionieren“, so Rasch. Einig sind sich er und Schmidt darin, dass Webdesign interaktiv sein muss. Schmidt bezeichnet es als „dehnbares Umfeld“ – im Gegensatz zu gedruckten Designs.

Schubladen-Gegner. Bei Knallgrau wird das Webdesign in der alltäglichen Umsetzung eher systematisch angepackt. „Bevor man sich an das Design machen kann, müssen erst die Inhalte und die gewünschten Funktionen mit dem Kunden abgeklärt werden“, erklärt Schmidt, der seit einigen Jahren im Geschäft ist. Die persönliche Entfaltung eines Designers müsse dabei im Hintergrund stehen. Man sei mehr ein „Berater auf visueller Ebene“. Innerhalb des Korsetts, das einem durch die notwendigen Rahmenbedingungen auferlegt wird, könne man aber durchaus auch kreativ agieren, meint Schmidt.

Das sieht Rasch komplett anders. Der gelernte Multimedia-Designer wünscht sich nach eigener Aussage Auftraggeber, die einfach nur sagen: „Wir haben das Budget, macht's was Geiles!“ Dementsprechend läuft auch die Planungsphase eines Projekts ab. Nach einem Treffen mit dem Kunden kommt das gesamte Team zusammen. In kreativen Sitzungen werden da anfangs ohne Einschränkung und Budgetrahmen erste Ideen entworfen. Sinn der Sache laut Rasch: „Wenn man Grenzen auflöst, macht man auch etwas Neues.“ Schubladendenken ist ihm zuwider. Ihm gehe es auch weniger darum, „abgespacte“ Ideen umzusetzen, als einfach neue Ansätze zu finden. Erst in einem zweiten Schritt werde das gefundene Konzept dann auf den Boden der Tatsachen heruntergeholt und für eine mögliche Realisierung adaptiert. Spätestens dann gibt das Budget klarerweise doch den Rahmen vor. Hier bewegt man sich im – im Vergleich zu Printprodukten immer noch relativ niedrigen – Rahmen von vier- bis fünfstelligen Euro-Beträgen, Konzept, Design, HTML, Implementierung und Projektmanagement inklusive. Dabei kann ein Mitarbeiter mehrere Funktionen ausüben, aber auch eine Aufgabe von mehreren Personen übernommen werden. Alles hängt von der Komplexität und dem Umfang des Auftrags ab.

Ob kreatives Chaos oder strikt durchorganisierte Produktion, Erfolg haben beide Unternehmen. Knallgrau kann die Telekom Austria oder das BMW-Sauber-Formel-1-Team zu seinen Kunden zählen, Screenagers führt Universal Pictures, LG Electronics und Microsoft als Referenzen an. Rasch und sein Team setzen stark auf Videoeinbindung und konnten mit der Umsetzung der eigenen Website schon einige Designpreise gewinnen und fanden Einzug in die Branchenbibel „Advertising Annual“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.12.2009)

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