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Prognose für 2010 Ökonomen warnen vor Rückkehr der Rezession

Mehr als vier Millionen Arbeitslose, ein Gehaltsstopp für die Beschäftigten - und ein drohendes Comeback der Rezession. Für Deutschland wird 2010 ein hartes Jahr. Führende Ökonomen analysieren auf SPIEGEL ONLINE die Aussichten: was bei Konjunktur, Inflation und Steuern wirklich droht.
Von Laura Himmelreich, Michael Kröger und Anselm Waldermann
Stahlarbeiter (in Nordrhein-Westfalen): Erreicht die Krise den Arbeitsmarkt?

Stahlarbeiter (in Nordrhein-Westfalen): Erreicht die Krise den Arbeitsmarkt?

Foto: A3250 Oliver Berg/ dpa

Hamburg - Die Krise fing weit entfernt an. In den USA, Tausende Kilometer von Deutschland, brach im Sommer 2007 der Immobilienmarkt zusammen. Aber was hatte das mit der Bundesrepublik zu tun? Im September 2008 stürzte dann die US-Investmentbank Lehman Brothers in die Pleite, der Auslöser der größten Weltwirtschaftskrise seit den dreißiger Jahren. Trotzdem blieb die Rezession surreal. Viele Deutschen kennen die Krise bis heute nur aus den Nachrichten: als düstere Schlagzeilen, als Grafikkurven, die nach unten zeigen.

Im kommenden Jahr wird sich das vermutlich ändern. 2010 wird die Krise bei den Menschen in Deutschland ankommen, erwarten führende Ökonomen.

Auf den ersten Blick hat Deutschland zwar das Schlimmste hinter sich. Der Absturz der Wirtschaft ist gestoppt, die Konjunktur hat sich berappelt, sogar ein Mini-Wachstum scheint möglich. Doch das ist nur ein Ausschnitt der Realität, eine statistische Wahrheit. Ganz anders sieht es an der Basis aus.

Bei den Arbeitnehmern, den Steuerzahlern, den Konsumenten machen sich die Spätfolgen der Krise erst allmählich bemerkbar. Denn die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt folgt der Konjunktur mit mehreren Monaten Abstand. Experten prognostizieren mehr als vier Millionen Arbeitslose für 2010, und auch für jene, die ihren Job behalten, brechen härtere Zeiten an. Große Gehaltssteigerungen dürften im kommenden Jahr nicht drin sein.

SPIEGEL ONLINE hat mit führenden Ökonomen über ihre Erwartungen für 2010 gesprochen: Wie verläuft die Konjunktur? Was passiert auf dem Arbeitsmarkt? Droht gar eine große Inflation? Ihre Analyse:

Wird die Wirtschaft wieder wachsen?

Die gute Nachricht zuerst: Das Schlimmste scheint vorüber - nach der größten Rezession in der Geschichte der Bundesrepublik hat sich die Konjunktur seit dem Sommer wieder stabilisiert. Doch das war es auch schon an Positivem.

Glaubt man den führenden deutschen Ökonomen, dann wird die Wirtschaft 2010 einfach vor sich hindümpeln. Für ein Mini-Wachstum wird es wohl reichen, doch ein richtiger Aufschwung ist nicht in Sicht.

"Wir erwarten 2010 nur eine langsame Erholung", sagt Joachim Scheide, Prognosechef am Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel. "Vor allem für das laufende Winterhalbjahr deuten die Frühindikatoren auf eine recht schwache Entwicklung hin." Die magere Aussicht: Im Gesamtjahr 2010 dürfte die Wirtschaft "um reichlich ein Prozent" wachsen.

Das erwarten Ökonomen für 2010

IfW Ifo IMK RWI
BIP-Wachstum in % 1,0 1,7 2,0 1,6
Arbeitsl. im Schnitt in Mio. 3,9 3,6 3,6 3,6
Arbeitsl. im Max. in Mio. 4,1 - 3,8 3,8
Inflation in % - 0,6 - 0,9
Quelle: SPIEGEL ONLINE

Etwas optimistischer ist Hans-Werner Sinn, Chef des Münchner Ifo-Instituts. Er rechnet für 2010 mit einem Plus von 1,7 Prozent (siehe Tabelle). Allerdings weist der Forscher explizit darauf hin, dass eine Konjunkturprognose nie genau sein kann. Das Ergebnis werde mit einer Zweidrittel-Wahrscheinlichkeit irgendwo zwischen 0,9 und 2,5 Prozent liegen. "Wir sind senkrecht abgestürzt und krabbeln allmählich auf allen Vieren wieder nach oben. Aber das wird ein langsamer und mühsamer Prozess."

"Es herrscht noch kein Aufschwung", sagt Gustav Horn, der wissenschaftliche Leiter des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK). "Das Vorkrisenniveau ist noch nicht wieder erreicht - und wird voraussichtlich weder 2010 noch 2011 wieder erreicht werden."

Gibt es also gar keine Hoffnung? Doch, aber in sehr bescheidenen Maßen. Der Wirtschaftsweise Christoph Schmidt, gleichzeitig Präsident des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI), erwartet neue Konjunkturimpulse nur noch vom Staat und beim Export. Das Wachstum 2010 werde wohl "hauptsächlich von Staatsverbrauch, öffentlichen Investitionen und Außenbeitrag getragen". Immerhin: Es dürfte sich "im Verlauf des Jahres etwas beschleunigen".

Kann die Krise zurückkehren?

Ökonomen fürchten zurzeit einen bestimmten Buchstaben: das W. Von einer W-Rezession spricht man, wenn sich die Konjunktur nach einer Krise scheinbar erholt - und dann erneut abstürzt.

"Die Gefahr eines Rückschlags ist vorhanden", sagt Joachim Scheide vom IfW. Entscheidend sei die weitere Entwicklung bei den Banken. "Sollte es hier erneut zu massiven Abschreibungen kommen, könnte dies zu einer weiteren Krise führen." Auslöser könnte ein zweiter Fall Lehman sein, also ein Ereignis, das die Märkte so nachhaltig verunsichert wie die Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers im September 2008. "Die Eintrittswahrscheinlichkeit eines W-förmigen Konjunkturverlaufs sollte nicht unterschätzt werden", sagt Scheide.

Das Fatale: Der Staat hat schon viel Geld ausgegeben, um die Krise 2008/09 zu bekämpfen. Sollte die Wirtschaft erneut nach unten rauschen, wäre der Spielraum für schuldenfinanzierte Konjunkturprogramme geringer. "Es ist fraglich, ob die Finanzpolitik erneut in der Lage wäre, in die Bresche zu springen", sagt Scheide.

Noch pessimistischer ist Gustav Horn vom IMK. "Das W ist sogar wahrscheinlich", sagt er. "Die Situation im Finanzsektor ist nach wie vor labil."

Anders schätzt die Lage Hans-Werner Sinn vom Ifo-Institut ein. "Wir gehen nicht davon aus, dass in Deutschland die Rezession zurückkehrt." Allerdings könnte sich die Wachstumsrate ab 2011 wieder etwas verringern. Schlimm sehe es in den USA aus: "Die US-Wirtschaft wird 2011 wieder stagnieren", sagt Sinn. "Dort laufen 95 Prozent der Immobilienkredite über staatliche Institutionen. Der Staat übernimmt sich - und muss dann auf die Bremse treten. Das alles verheißt nichts Gutes."

Ähnlich schätzt RWI-Präsident Christoph Schmidt die Lage ein. "Mit einem W-förmigen Konjunkturverlauf rechnen wir nicht." Allerdings seien Rückschläge nicht auszuschließen. "Wir gehen davon aus, dass die deutsche Wirtschaft das Niveau, das sie vor der Krise hatte, erst 2013 wieder erreichen wird."

Welche Branchen werden sich als Erste erholen?

"Der Export wird der Motor der Entwicklung sein", sagt Hans-Werner Sinn vom Ifo-Institut. "Nach einem Absturz um 14 Prozent in diesem Jahr werden die Ausfuhren im kommenden Jahr um 8,4 Prozent wachsen."

Die Hoffnung liege nun vor allem beim Maschinenbau - von der Autoindustrie hingegen kommen wohl keine Impulse: "Da herrscht eher Katerstimmung", sagt Sinn und verweist auf die Einmalaktion der Abwrackprämie. "Im kommenden Jahr wird ja nicht noch mal abgewrackt."

Die gleiche Sorge hat Gustav Horn vom IMK: "Die konsumnahen Branchen werden wegen der steigenden Arbeitslosigkeit zu kämpfen haben." Wenn die Wirtschaft wieder anziehen sollte, dann in den Exportbranchen und in der Investitionsgüterindustrie.

Auch Service-Unternehmen könnten glimpflich davon kommen. "Die Dienstleistungsbranchen waren nicht so stark von der Krise betroffen", sagt Christoph Schmidt vom RWI. "Sie dürften sich am ehesten wieder erholen."

Droht ein bundesweiter Job-Kahlschlag?

Kurzarbeit und flexible Arbeitszeitmodelle haben 2009 das Schlimmste verhindert. Doch damit ist 2010 wohl Schluss, unter anderem wird in vielen Betrieben die maximal erlaubte Dauer der Kurzarbeit ausgereizt sein.

Generell folgt der Arbeitsmarkt der Konjunkturentwicklung mit einigen Monaten Verzögerung - und das verheißt nichts Gutes. "Wir gehen von einem starken Anstieg der Arbeitslosigkeit noch in diesem Winterhalbjahr aus", sagt der Wirtschaftsweise Christoph Schmidt. "Im Verlauf des kommenden Jahres dürfte die Zahl der Arbeitslosen um rund 600.000 zunehmen."

Dabei bemühen sich die Unternehmen, so viele Mitarbeiter wie möglich zu halten. Ökonomen sind überrascht, wie wenige Beschäftigte bisher ihren Job verloren haben - immerhin machte Deutschland die größte Rezession seit Jahrzehnten durch. "Eine entscheidende Rolle dürfte der Fachkräftemangel spielen", sagt Joachim Scheide vom IfW. Mit anderen Worten: Eigentlich würden die Firmen gerne mehr Leute entlassen - doch sie haben Angst, in einem späteren Aufschwung nicht schnell genug qualifizierte Mitarbeiter zu haben.

Das erwarten Ökonomen für 2010

IfW Ifo IMK RWI
BIP-Wachstum in % 1,0 1,7 2,0 1,6
Arbeitsl. im Schnitt in Mio. 3,9 3,6 3,6 3,6
Arbeitsl. im Max. in Mio. 4,1 - 3,8 3,8
Inflation in % - 0,6 - 0,9
Quelle: SPIEGEL ONLINE

Allerdings: Für 2010 erwartet auch Scheide eine deutlich steigende Arbeitslosigkeit. Seine Schätzung - bis zu 4,1 Millionen Erwerbslose - ist sogar besonders pessimistisch (siehe Tabelle). Trotzdem will der Ökonom nicht von einem düsteren Ausblick sprechen. "Diese Zahlen sind als außerordentlich positiv zu bewerten bei einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts von fast fünf Prozent in diesem Jahr."

Hans-Werner Sinn vom Ifo-Institut sieht das ähnlich. Es sei "geradezu ein Wunder", dass die Arbeitslosigkeit bisher kaum gestiegen ist. Neben der Kurzarbeit sei dies auch auf die Agenda 2010 der früheren rot-grünen Regierung zurückzuführen.

Wie entwickeln sich 2010 die Löhne und Gehälter?

Die Konjunktur bleibt schwach, und auf dem Arbeitsmarkt steht die Krise erst noch bevor - für Gehaltsverhandlungen sind das keine guten Zeiten.

Die Tariflöhne dürften deshalb nur um 1,6 Prozent steigen, sagt Gustav Horn vom IMK. Weil aber immer noch viele Menschen in Kurzarbeit sind und gleichzeitig übertarifliche Leistungen gestrichen werden, dürfte unter dem Strich noch weniger übrigbleiben. Sogar ein Minus im Vergleich zu diesem Jahr scheint möglich: "Effektiv werden wohl 0,1 Prozent weniger ausgezahlt als 2009", sagt Horn.

Aus Sicht der Unternehmen ist dies erfreulich. "Die Konjunkturentwicklung ist noch recht fragil", sagt Christoph Schmidt vom RWI. "Deshalb sollten sich die Lohnabschlüsse in einem moderaten Rahmen bewegen, um den Aufschwung nicht zu gefährden."

Immerhin: Die Politik macht den Arbeitnehmern eine kleine Freude. So kann man seine Krankenkassenbeiträge künftig leichter von der Steuer absetzen. "Netto ergibt sich ein merkliches Plus", sagt Joachim Scheide vom IfW.

Droht jetzt eine Mega-Inflation?

Die wenigsten Experten sehen diese Gefahr. Zwar haben die Notenbanken die Geldmärkte mit Billionen-Summen geflutet, und die Regierungen haben gigantische Konjunkturpakete aufgelegt. Doch die überschüssige Liquidität stellt kein Problem dar, solange die Wirtschaft kaum wächst.

"Die Inflation dürfte weiterhin schwach bleiben", sagt denn auch Hans-Werner Sinn vom Ifo-Institut (siehe Tabelle). Für 2010 erwarte er einen Anstieg der Verbraucherpreise um 0,6 Prozent.

Das erwarten Ökonomen für 2010

IfW Ifo IMK RWI
BIP-Wachstum in % 1,0 1,7 2,0 1,6
Arbeitsl. im Schnitt in Mio. 3,9 3,6 3,6 3,6
Arbeitsl. im Max. in Mio. 4,1 - 3,8 3,8
Inflation in % - 0,6 - 0,9
Quelle: SPIEGEL ONLINE

Kaum mehr erwartet Christoph Schmidt vom RWI - er prognostiziert eine Inflation von 0,9 Prozent. Dabei könnten sich zwei Effekte überlagern: "Einerseits dürften sich die Energiepreise erhöhen. Andererseits dürften die Preise für Industriewaren sinken" - weil mehr produziert als verkauft wird.

Langfristig kann man sich aber nicht auf die Mini-Inflation verlassen. Schmidt appelliert daher an die Europäische Zentralbank, "die bereitgestellte Liquidität wieder einzusammeln" - also wieder einen Teil des Geldes von den Märkten zu nehmen, das wegen der Finanzkrise hineingepumpt wurde.

Das Problem: Die Notenbanker müssen dabei darauf achten, nicht den Aufschwung abzuwürgen. Eine schwierige Gratwanderung.

Wie wirkt sich die schwarz-gelbe Steuersenkung aus?

Das Urteil der Ökonomen fällt vernichtend aus. "Ich bin nicht der Meinung, dass Steuersenkungen zu großen Wachstumseffekten führen", sagt der Wirtschaftsweise Christoph Schmidt. Für die Konjunkturprogramme, die in der Krise aufgelegt wurden, "werden wir ohnehin teuer bezahlen müssen".

Weil die schwarz-gelbe Koalition ihre Steuersenkung nun einmal beschlossen hat, gibt es Schmidt zufolge nur zwei Alternativen: "Der Staat muss Ausgaben einsparen oder - was nicht anzuraten ist - seine Einnahmen an anderer Stelle erhöhen."

Das Problem: Der Maastricht-Vertrag für die Euro-Stabilität schreibt vor, den Schuldenstand bis 2020 auf 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu drücken - gegenwärtig liegt er bei rund 70 Prozent. "Dafür bräuchten wir selbst bei einer geringen Neuverschuldungsquote jedes Jahr ein Wachstum von 3,3 Prozent", sagt Schmidt. Sein Fazit: "Wir können uns keine weiteren Schulden leisten."

Pessimistisch ist auch Gustav Horn vom IMK. "Es wird keinen Wachstumsschub wegen der Steuersenkungen geben." Tatsächlich werde die Neuverschuldung 2010 auf 5,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts anwachsen. "Die Steuersenkungen verschärfen die Verschuldungsituation noch", sagt Horn.

Noch schlimmer könnte es im Jahr darauf werden. "Die Defizitquote dürfte 2011 fast einen Rekordstand erreichen", sagt Joachim Scheide vom IfW. Und eine Lösung ist nicht in Sicht - denn wie die Haushalte konsolidiert werden sollen, ist völlig unklar. Scheides Empfehlung an die Bundesregierung: radikal sparen. "Andernfalls werden die Bürger damit rechnen, dass die Steuern doch erhöht werden, und zwar massiv."

Ganz anders sieht das Hans-Werner Sinn vom Ifo-Institut. Eigentlich gilt der Ökonom als Marktliberaler - doch in der gegenwärtigen Krise empfiehlt er einen dezidiert keynesianischen Kurs: "Zu neuen Schulden gibt es keine Alternative." Von einem selbsttragenden Aufschwung sei Deutschland noch weit entfernt. "Deshalb darf die Haushaltskonsolidierung 2010 noch kein Thema sein."

Es sei "besser, unseren Kindern eine Schuldenhaufen zu hinterlassen statt einen Scherbenhaufen wie in den dreißiger Jahren". Erst im nächsten Aufschwung müsse der Staat sparen - "dann allerdings eisern".

Was sollte die Regierung für die Wirtschaft tun?

Die Bundesregierung hat nicht mehr viel Spielraum. Teure Konjunkturpakete sind schon lange beschlossen, und für weitere fehlt das Geld. Jetzt geht es vor allem darum, mit dem Mangel einigermaßen kreativ umzugehen - oder ihn zumindest vernünftig zu veralten.

"Der finanzpolitische Handlungsspielraum ist begrenzt beziehungsweise gar nicht vorhanden", sagt Joachim Scheide vom IfW. Die Regierung müsse nun eben darauf achten, "dass Kürzungen nicht zu Lasten wachstumsträchtiger Ausgaben gehen". Bei Investitionen in Bildung und Infrastruktur sollte also nicht gespart werden.

Ansonsten empfehlen die Ökonomen die üblichen Maßnahmen: Strukturreformen, Entbürokratisierung, weitere Arbeitsmarktreformen. Für Deutschlands Arbeitnehmer klingt das alles andere als erfreulich. "Durch die Finanzkrise sind unsere Einkommen mittelfristig niedriger", sagt Scheide. "Wenn wir unseren Lebensstandard sichern wollen, müssen wir mehr arbeiten."

Und was kann die Regierung sonst noch tun? Ifo-Chef Hans-Werner Sinn will die Banken stärker in die Pflicht nehmen. "Wir haben eine Kreditklemme, und sie wird schlimmer im kommenden Jahr." Mehr als die Hälfte des Eigenkapitals der deutschen Banken werde noch durch Abschreibungen toxischer Papiere wegfallen. "Wenn der Aufschwung kommt und die Unternehmen investieren wollen, wird man merken, dass das Geld fehlt", sagt Sinn. Deshalb müsse "der Staat da rein" - zur Not über eine Teilverstaatlichung der Banken.

Einen klassisch-keynesianischen Kurs schlägt Gustav Horn vom IMK vor. Seiner Ansicht nach sollte die Regierung ungeachtet der hohen Verschuldung ihren "expansiven Kurs im Hinblick auf öffentliche Investitionen" fortsetzen - also mehr selbst investieren. Das Gleiche gelte für die anderen großen Industriestaaten. "Es handelt sich um eine globale Krise, die nicht allein von der Bundesregierung überwunden werden kann", sagt Horn. Außerdem solle die Europäische Zentralbank ihren Niedrigzinskurs fortsetzen.

Christoph Schmidt vom RWI argumentiert dagegen: "Die Regierung sollte vor allem gute Bedingungen für Innovationen und Wettbewerb schaffen." Nur dann könnten sich wirklich zukunftsfähige Produkte am Markt durchsetzen. "Das ist in jedem Fall besser, als wenn der Staat versucht, einzelne Unternehmen zu retten."