Otto Graf Lambsdorff starb gestern gegen späten Nachmittag in einem Krankenhaus in Bonn. Das bestätigte die Familie des FDP-Politikers. Der ehemalige Bundeswirtschaftsminister sei "von seinen vielfältigen Leiden erlöst worden", teilte sein Büro in Bonn mit.

Otto Graf Lambsdorff, der am 20. Dezember 83 Jahre alt geworden wäre, prägte viele Jahrzehnte lang die Politik der FDP. Von 1977 bis 1984 war er Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit. 

In der deutschen Regierungsgeschichte ist sein Name eng mit der "Wende" von der sozial-liberalen Regierung Helmut Schmidts zur CDU/CSU/FDP-Koalition von Helmut Kohl verbunden. In den 80er Jahren überschattete die Flick-Parteispendenaffäre die Karriere des langjährigen Bundestagsabgeordneten. Deswegen wurde er 1987 zu einer Geldstrafe verurteilt. In seiner Partei schadete ihm das nicht. Von 1988 bis 1993 war er FDP-Bundesvorsitzender. Auch danach blieb der Kaufmannssohn aus westfälischem Uradel, seit einer
Kriegsverletzung gehbehindert, kantig.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) würdigte den FDP-Politiker alsmenschlich wie politisch gleichermaßen herausragenden Liberalen gewürdigt. "Er hat die Wirtschaftspolitik der Bundesrepublik Deutschland lange Jahre hindurch ordnungspolitisch geprägt und reiht sich ein in die Reihe der großen Persönlichkeiten unserer sozialen Marktwirtschaft", erklärte die CDU-Vorsitzende. Auch jenseits der Tagespolitik habe Lambsdorff in sensiblen Fragen wie der deutschen Entschädigung der Zwangsarbeiter des Zweiten Weltkrieges bleibende Maßstäbe gesetzt.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) sagte die FDP verliere einen "ihrer wichtigsten Wegweiser der vergangenen Jahrzehnte" und ein Vorbild. Deutschland verliere einen prägenden Wirtschaftspolitiker, der der sozialen Marktwirtschaft den Weg gewiesen habe, erklärte der Außenminister am Sonntag in Berlin. Er hob "programmatische Klarheit" und "kantige Unerschütterlichkeit" als Lambsdorffs Eigenschaften hervor. "Sein marktwirtschaftliches Engagement und sein Engagement für die Menschenrechte weltweit haben über ein halbes Jahrhundert hinweg der FDP wesentlich zu ihrem Profil verholfen."

Auch Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) sagte, Lambsdorff hinterlasse eine große Lücke in der deutschen Politik. "Ich habe die Nachricht mit großer Bestürzung zur Kenntnis genommen", sagte Brüderle während seines China-Besuchs in Peking. Lambsdorff habe als früherer Wirtschaftsminister ein Stück deutsche Wirtschaftsgeschichte
geschrieben. Sein Parteifreund habe für Prinzipientreue gestanden und sei ein überzeugter Verfechter der sozialen Marktwirtschaft gewesen. Er werde seinen Rat und seine große Erfahrung vermissen.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) würdigte auch das Engagement Lambsdorffs für Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit. "Sein Bekenntnis zur Freiheit als zentralem Wert politischen Wirkens war unerschütterlich", sagte die FDP-Politikerin. Lambsdorffs Engagement, die Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern international zu verhandeln und zum Abschluss zu bringen, habe sein Verständnis von politischer Freiheit in Verantwortung zum Ausdruck gebracht.

Der frühere FDP-Vorsitzende Wolfgang Gerhardt sprach über den Tod von Otto Graf Lambsdorff als "großen Verlust eines überragenden Mannes". Er fügte in einer Stellungnahme am Sonntag hinzu: "In der politischen Geschichte der Bundesrepublik ist seine Handschrift zu erkennen." Lambsdorff war Vorgänger Gerhardts als Vorsitzender der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) hat den verstorbenen FDP-Ehrenvorsitzenden Otto Graf Lambsdorff als "einen der ganz großen Wirtschaftspolitiker"
Deutschlands gewürdigt. "Er war ein Verfechter der sozialen Marktwirtschaft, der um den Zusammenhang zwischen wirtschaftlichem Erfolg und sozialer Ausgewogenheit wusste", sagte Rüttgers am Sonntag in Düsseldorf. "Die Bevölkerung hat ihm den Ehrentitel Marktgraf zugesprochen, was die Achtung vor seinen Fähigkeiten ausdrückt, schwierige Sachverhalte verständlich zu erklären."