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Unwort des Jahres "Betriebsratsverseuchte Mitarbeiter" gehört zu den Favoriten

"Leistungsträger", "betriebsratsverseuchte Mitarbeiter" und "Kopftuchmädchen": drei Kandidaten für das Unwort des Jahres. 1500 Menschen haben sich bereits an der sprachkritischen Aktion beteiligt - deutlich mehr als in den Vorjahren.
Banken-Skyline in Frankfurt: "Notleidende Banken" war das Unwort des Jahres 2008.

Banken-Skyline in Frankfurt: "Notleidende Banken" war das Unwort des Jahres 2008.

Foto: ddp

Frankfurt am Main - Der Bundestagswahlkampf, die Regierungsbildung und die Finanzkrise - Anlässe für ein "Unwort des Jahres" gab es 2009 genug. Mit 1500 Einsendungen hätten sich im Vergleich zu den Vorjahren besonders viele Menschen an der sprachkritischen Aktion beteiligt, sagte der Initiator, Horst Dieter Schlosser in Frankfurt. Das "Unwort des Jahres" wird am 19. Januar in Frankfurt gekürt. Im vergangenen Jahr hieß das Unwort "notleidende Banken".

Die Vorschläge "Schattenhaushalt" und "Sondervermögen" sind für den Sprachwissenschaftler typische Begriffe eines immer wiederkehrenden "Denk- und Sprachmusters, bei dem ein positiver Begriff genannt und dann negiert wird". Beim "Schattenhaushalt" werde nur mit negativen Zahlen operiert und das "Sondervermögen" gebe es als Vermögen gar nicht, sagte der emeritierte Germanistik-Professor. Auch das "Wachstumsbeschleunigungsgesetz" halten viele für ein "Unwort".

Daneben sei häufig der Begriff "betriebsratsverseuchte Mitarbeiter" eingereicht worden, berichtete Schlosser. "Das ist besonders schlimm: Die Wahrnehmung von Arbeitnehmerinteressen als Seuche und überhaupt als Krankheit." Oft kritisiert werde auch das Wort "Leistungsträger", das "aus der FDP-Ecke" stamme und so tue, "als ob das eine besondere Klasse von Menschen ist". Viele Einsender empfänden den Begriff als diskriminierend, weil sie selbst auch viel arbeiteten, während die vermeintlichen "Leistungsträger" das dicke Geld einstrichen.

Reinhard Mey schlägt "Kopftuchmädchen" vor

Zum 19. Mal wird das Unwort gesucht. Darunter verstehen die Initiatoren sprachliche Missgriffe in der öffentlichen Kommunikation, die sachlich grob unangemessen sind oder sogar die Menschenwürde verletzen. Sie können bis zum 11. Januar 2010 eingereicht werden. Eine Jury kürt dann das "Unwort des Jahres". Wie häufig ein Begriff vorgeschlagen wurde, spielt keine Rolle.

Unter den häufigsten Einsendungen für dieses Jahr findet sich auch "systemrelevant" als Bezeichnung für einige Wirtschaftszweige, "weil da Milliarden Euro für bestimmte Unternehmen locker gemacht werden und die anderen sehen müssen, wo sie bleiben", erläuterte Schlosser. Der offizielle Terminus "staatliche Umweltprämie" für die Abwrackprämie wurde mehrfach vorgeschlagen, weil er unterstelle, dass bei der ökonomischen Prämie der Umweltnutzen Vorrang hatte, berichtete Schlosser.

Der von Bundesbank-Vorstand Thilo Sarrazin gebrauchte Begriff "Kopftuchmädchen" sei vom Liedermacher Reinhard Mey und vielen anderen Bürgern eingereicht worden, weil es den Nachwuchs als unerwünscht diskriminiere. Sarrazin hatte in einem Interview gesagt: "Ich muss niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert." Andere Unwort-verdächtige Vorschläge lauten: "erweiterter Suizid" als Umschreibung für einen Amoklauf und "Flüchtlingsbekämpfung".

mik/dpa