Zum Inhalt springen

Neues TV-Magazin "Yourope" Iiiieh wie Internet

"Mein Meerschweinchen ist bei Facebook!" Das neue Arte-Magazin "Yourope" will das vernetzte Leben junger Europäer zeigen - und überzeugt durch eine breite Themenpalette. Nur: Warum geben sich die Macher den neuen Medien gegenüber so verkrampft skeptisch?
Fotostrecke

Neues Arte-Magazin: Fühlen Sie sich geliebt?

Foto: ZDF / Kobalt Kreation

Das muss man wohl eine unerwiderte Liebe nennen. Das Internet ist voll von Blogs und Fanforen übers Fernsehen; um US-Serien hat sich eine regelrechte Subökonomie gebildet, in der europäische User den Aufwand nicht scheuen, amerikanische iTunes-Gutscheine zu ersteigern, um sich die neuesten Folgen im exklusiven US-iTunes-Store herunterladen zu können. Und nicht zuletzt gehören TV-Kritiken auf SPIEGEL ONLINE zu den meistgelesenen Texten überhaupt.

Aber was macht das Fernsehen? Kriegt richtig schlechte Laune, sobald es ums Internet geht. Als "großen Konkurrenten" stellt das neue Arte-Magazin "Yourope" das Netz gleich zu Anfang vor. Dabei soll es in der Sendung doch um "die Lebenswelten der global denkenden, digital vernetzten Europäer" gehen.

Ganz verschwindet das Misstrauen gegenüber dem Web in den folgenden 26 Minuten nicht: Einmal stellt Moderator Andreas Korn die rhetorische Frage "Wie weit soll die Vernetzung noch gehen?". Ein anderes Mal erklärt er, dass bei eDemocracy das "e" - englisch wie "i" ausgesprochen - nicht für "igitt", sondern für "elektronisch" stünde. Soso. Und dennoch: Als junges Gesellschaftsmagazin geht "Yourope" völlig in Ordnung.

Mit einem Bericht über "Carrot Mobs", einer zurzeit sehr beliebten Aktionsform des Öko-Konsums, beginnt die Debütsendung am Sonntag. Dazu gesellen sich Beiträge über digital koordinierte Studierendenproteste, über Social Networks für Haustiere sowie über den neuen Studiengang "Social Media Berater" an der Universität von Birmingham - "Vernetzt oder verfangen? Wie Social Networks unser Leben bestimmen" heißt die übergeordnete Frage der ersten Ausgabe; die kommenden Sendungen stehen unter den Motti "Fit für den Erfolg - 'Dopen' für die Leistungsgesellschaft" (17. Januar) und "Schöne neue Arbeitswelt - Wie die Krise das Berufsleben verändert" (24. Januar). Eine überraschend breite Themenpalette also, die sich in ihrem jungen Zuschnitt in keinem anderen TV-Magazin wiederfindet. Aber reicht das schon aus, um die Internetnutzer, über die man berichtet, auch als Zuschauer zu gewinnen?

Europa liebt mich? Wirklich?

Moderator Korn hat jedenfalls Erfahrung damit, wie man einem Publikum Inhalte verkauft, von denen es noch nicht wusste, dass es sie braucht: Er hat zuvor die Kindernachrichten "Logo" präsentiert. In seinen "Yourope"-Moderationen zieht er nun immer wieder semi-ironisch die rechte Augenbraue hoch. Wer sich dann noch nicht an das eingestellte ARD-Magazin "Polylux" erinnert fühlt, der wird es spätestens beim ersten Beitrag tun: Eingesprochen hat ihn "Polylux"-Moderatorin Tita von Hardenberg, deren Produktionsfirma Kobalt auch "Yourope" entwickelt hat. Mit ihrer gepressten Stimme bringt Hardenberg ihre charakteristische Süffisanz ein, die hier allerdings besonders irritiert.

Denn "Yourope" kommt insgesamt geradliniger daher, als es das oft verkrampft launige "Polylux" tat. Wenn gezeigt wird, wie sich die europaweiten Studierendenproteste dezentral übers Web organisiert haben, dann wird das nicht bloß augenbrauenzuckend beobachtet, sondern auch eingeordnet: Trotz Massenmobilisierung fehlen den Studierenden immer noch Sprecher und Positionen, um etwas jenseits der bloßen Artikulation von Unzufriedenheit zu erreichen.

Zusammen mit einer sehr reduzierten Optik, die nur ein Hauch von Sixties durchweht, ergibt sich so ein angenehm unaufgeregter Auftritt. Allein der Einsatz eines Touch-Screens zum vermeintlichen Einspielen der Beiträge kommt etwas "Hart aber fair"-altbacken daher.

Fast wäre man insgesamt angetan von "Yourope", da wird man mit der dämlichen Phrase "Denken Sie dran: Europa liebt Sie" verabschiedet. Diese Formel soll in schlechter "Bleiben Sie stark"/"Alles wird gut"-Tradition Wiedererkennungswert schaffen und für ein bisschen Aufregerei unter Fernsehkritikern sorgen. Letzteres sei hiermit pflichtbewusst erledigt: "Europa liebt Sie" ist eine dämliche Phrase.

Da wir das hinter uns haben: Kriegen wir jetzt bitte eine vernünftige Verabschiedung? Eigentlich wollen wir nämlich auch beim nächsten Mal einschalten.


"Yourope", 10.1., 17.45 Uhr, Arte