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Erfolgreicher Aufstand: Rebellische Eltern kippen Schulreform

Foto: Maurizio Gambarini/ dpa

Volksentscheid Hamburger schmettern Schulreform ab

Erst trat Bürgermeister von Beust zurück, dann gab es am Abend die nächste Schlappe für die schwarz-grüne Regierung: Die Hamburger haben die Einführung der geplanten sechsjährigen Primarschule verhindert. Mit einem Volksentscheid setzten sie sich klar gegen die Pläne des Senats durch.

Schulreform

Hamburg - Der Kern der geplanten in Hamburg ist gescheitert. Beim Volksentscheid am Sonntag haben sich die Reformgegner deutlich durchgesetzt. Landeswahlleiter Willi Beiß sagte am Abend, 276.304 Bürger hätten für den Erhalt der vierjährigen Grundschulen gestimmt. Damit war das nötige Quorum überschritten. Insgesamt gaben 491.600 der 1,3 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme ab.

"Wir freuen uns für die Hamburger Schüler und Schülerinnen, dass wir ein gutes Schulsystem haben werden", sagte der Vorsitzende der Elterninitiative "Wir wollen lernen", Walter Scheuerl. Die Elterngruppe hatte den Volksentscheid durchgesetzt.

Bei der Abstimmung ging es im Wesentlichen darum, ob die Grundschulzeit wie von der Landesregierung geplant von vier auf sechs Jahre verlängert wird. Um bei dem Volksentscheid erfolgreich zu sein, mussten die Reformgegner mindestens 20 Prozent aller Wahlberechtigten auf ihre Seite ziehen. Außerdem durften die Befürworter sechsjähriger Primarschulen nicht mehr Stimmen haben als die Gegner. Für die Pläne des Senats stimmten jedoch nur 218.065 Hamburger.

Das Ergebnis des Volksentscheids ist bindend, die übrigen Bestandteile der Schulreform sind davon aber nicht betroffen und können umgesetzt werden. Der schwarz-grüne Senat gestand seine Niederlage ein. "Wir sind sehr enttäuscht", erklärten von Beust und die grüne Bildungssenatorin Christa Goetsch (GAL). Die schwarz-grüne Koalition habe nicht genügend Menschen von der verlängerten Grundschule überzeugen können. "Das Ergebnis ist bitter für alle, die ihre Hoffnungen in das längere gemeinsame Lernen gesetzt haben." Bei einer Veranstaltung der Primarschul-Unterstützer wurde Goetsch noch deutlicher: "Heute ist ein ziemlicher Scheißtag gewesen."

Zweiter schwerer Schlag für die Hamburger Koalition nach Beusts Rücktritt

Der am Sonntag Nachmittag zurückgetretene Bürgermeister Ole von Beust (CDU) hatte sich vehement für die Schulreform eingesetzt. Die Pläne, die auch von den Oppositionsparteien der Hamburger Bürgerschaft unterstützt worden waren, galten als das zentrale Prestigeprojekt des schwarz-grünen Senats, der seit 2008 in Hamburg regiert. Goetsch hatte die Reform zu ihrem zentralen Projekt gemacht. Sie hatte bereits angekündigt, auch im Fall einer Niederlage an ihrem Amt festzuhalten.

Die Bürger mussten entscheiden, ob es künftig statt der vierjährigen Grundschulen sechsjährige Primarschulen geben soll. Gegner der Reform von der Elterninitiative "Wir wollen lernen" wollen die Grundschulzeit bei vier Jahren belassen. Sie fürchten, die Kinder würden auf dem Gymnasium nicht mehr genug lernen und später an der Universität gegenüber Kindern aus anderen Ländern im Nachteil sein. Aus ihrer Sicht würden dadurch leistungsstarke Schüler behindert und schwächere Schüler benachteiligt.

Demgegenüber sind alle Fraktionen der Bürgerschaft der Auffassung, dass durch ein längeres gemeinsames Lernen mehr Gerechtigkeit in das Schulsystem einzieht und schwache Schüler besser gefördert werden würden. In den Primarschulen sollten die Kinder ihr Rüstzeug erhalten, auch von Lehrern aus weiterführenden Schulen. Die Linken-Fraktionsvorsitzende Dora Heyenn zeigte sich sehr betrübt. "Wir sind sehr enttäuscht darüber, dass so wenige Menschen am Volksentscheid teilgenommen haben und von denjenigen, die abgestimmt haben, so viele gegen die Primarschule waren." Das sei sehr bedauerlich, da in Hamburg so eine große Chance verspielt worden sei.

Die Primarschulen waren nur ein kleiner, wenn auch wichtiger Teil der geplanten Reform. Der größte Teil von Hamburgs umfassendster Schulreform seit dem Zweiten Weltkrieg wird aber dennoch in Kraft treten. So wird es vom kommenden Schuljahr an nur noch zwei Typen weiterführender Schulen geben: Stadtteilschulen und Gymnasien. Beide Schulformen bieten alle Abschlüsse bis zum Abitur an, wobei die Hochschulreife an den Gymnasien nach insgesamt 12 Schuljahren, an den Stadtteilschulen nach 13 Jahren erreicht wird. Über die Senatspläne war in Hamburg monatelang sehr intensiv diskutiert worden.

lgr/dpa/APN/AFP