Ökostadt Masdar-City erfindet sich neu

Masdar-City in den Emiraten soll weltweit die erste Siedlung werden, in der völlig klimaneutral gelebt wird. Knapp drei Jahre nach Beginn und Gerüchten um ein Scheitern liegt nun der neue Masterplan vor: Der Bau dauert länger und einige zentrale Ziele bleiben unerreichbar.

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Von
  • Jan Oliver Löfken

Masdar-City in den Emiraten soll weltweit die erste Siedlung werden, in der völlig klimaneutral gelebt wird. Knapp drei Jahre nach Beginn und Gerüchten um ein Scheitern liegt nun der neue Masterplan vor: Der Bau dauert länger und einige zentrale Ziele bleiben unerreichbar.

Abu Dhabi rudert zurück. Nahe der gleichnamigen Hauptstadt des Emirates sollte bis zum Jahr 2016 die Öko-Gemeinde Masdar-City entstehen, die bis zu 50.000 Einwohner komplett klimaneutral mit selbst erzeugter Energie versorgen wollte. Von diesem Ziel verabschiedeten sich nun die Masdar-Planer. Nach monatelanger Beratung korrigierten sie den Masterplan. Laut den wichtigsten Änderungen, die Technology Review vorliegen, wird die Retortenstadt doch auf eine externe Energieversorgung angewiesen sein und nicht vor 2020 fertiggestellt werden. Wahrscheinlich sei ein Abschluss des Projekts sogar erst 2025 erreichbar.

"Seit Beginn der Bauphase wollen wir kontinuierlich lernen, anpassen und unsere Vision für Masdar-City weiterentwickeln", sagte Sultan Al Jaber, Direktor der Planung- und Investitionsgesellschaft Masdar. Der Schlüssel zum Erfolg läge darin, flexibel zu sein und sich "an die Entwicklungen von Markt und Technologie anzupassen". Genau diese Flexibilität fordert nun erste Opfer. So wird Masdar-City seinen Energiebedarf nicht mehr allein aus stadteigenen Solarkraftwerken decken können. Stromleitungen – beispielsweise von Geothermie-Kraftwerken – sollen von außerhalb die Stadt versorgen helfen. Für die Klimatisierung der Gebäude in der über Wochen etwa 50 Grad heißen Region könnten sonnenbetriebene Kühlstationen genutzt werden, Bisher lag der Fokus mehr auf schattenspendender Architektur und einem Betrieb herkömmlicher Klimaanlage mit regenerativ erzeugtem Strom.. Allerdings bestehe weiterhin der Anspruch, die Energie ausschließlich aus erneuerbaren Quellen zu gewinnen. Die Vision als Ganzes bleibe erhalten, so Al Jaber.

Auch in anderen Punkten hatte sich Masdar die Ziele offenbar zu hoch gesteckt. Unter allen Gebäuden sollte ein flächendeckendes Netz aus ferngesteuerten "Pods" für die gewünschte Mobilität innerhalb der Stadtgrenzen sorgen. Die Idee dieser "Personal Rapid Transport"-Systems, das in einer ähnlichen Version derzeit am Londoner Flughafen Heathrow getestet wird, findet sich nur noch in einem kleineren Pilotprojekt wieder, das einzelne Häuser verbinden soll. Andere, bereits weiter gereifte Elektromobile vom Segway bis zum Elektroauto könnten die entstandene Mobilitätslücke stopfen. Das Verbot von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren bleibt für das Stadtgebiet jedoch aktuell.

Jeden Eindruck von einem möglichen Scheitern des ambitionierten Projekts wollen die Masdar-Sprecher offenbar vermeiden. Auch die Internationale Agentur für Erneuerbare Energien (IRENA), die mittlerweile von 148 Staaten unterstützt wird, hält an dem Standort Masdar City für ihre Zentrale fest. Aber den Skeptikern bieten sie neben dem abgespeckten Masterplan weitere Angriffspunkte. So reduzierte Masdar das Investitionsvolumen von ursprünglich 22 Milliarden Dollar. "Die geschätzten Kosten liegen nun um 10 bis 15 Prozent niedriger bei 18,7 bis 19,8 Milliarden Dollar, sagt Alan Frost, Direktor von Masdar-City. Ob damit die Investoren-Laune gehoben werden kann, bleibt zumindest fraglich.

Fortschritte im Bauprozess betont Masdar daher umso mehr. So zogen in den vergangenen Wochen die ersten etwa 100 Professoren und Studenten in mittlerweile sechs fertiggestellte Gebäude des Masdar-Institute ein. Diese Forschungsstätte will zu einem weltweit bedeutenden Zentrum für die Erforschung erneuerbarer Energien werden und arbeitet eng mit dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge, USA, zusammen. Vollkommen klima- und ressourcenneutral leben sie auf der Baustelle – wie eigentlich vorgesehen – nicht. Immerhin liege ihr Verbrauch an Wasser und Elektrizität etwa bei der Hälfte des Durchschnitts für Abu Dhabi. Ein knappes Drittel des Stroms wird aus den Photovoltaik-Modulen und 75 Prozent des Warmwassers mit Kollektoren auf den Institutsdächern gewonnen. Das erreichen aber auch schon moderne Touristenanlagen auf mancher Mittelmeerinsel.

Die Korrektur des Masterplans zeigt, dass für eine klimaneutrale Zukunft doch etwas mehr nötig ist als der reine Wille und einige Milliarden Petrodollar. Ebenso wie beim Baustopp von Mammutprojekten im benachbarten Dubai stößt die arabische Jagd nach Rekorden nun auch in Masdar-City an ihre Grenzen. Doch auch die reduzierten Ziele für Masdar-City sind noch sehr ambitioniert. Bis 2025 sind weitere Änderungen nicht ausgeschlossen. Gerade durch die Bereitschaft, die Retortenstadt fortwährend an die kommenden technologischen Entwicklungen anzupassen, kann sie aber als sinnvolles Großlabor für andere Siedlungsprojekte weltweit dienen.

(bsc)