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PleaseRobMe Mein Auto, mein Haus, meine Yacht (ist weg!)

In Social Networks gilt es als normal und erwünscht, alles mögliche preiszugeben. Wie bescheuert das ist, macht die niederländische Webseite PleaseRobMe klar - indem sie Twitter dazu nutzt, Einbrecher auf aktuell unbeaufsichtigte Wohnungen aufmerksam zu machen. Ein toller Service.
PleaseRobMe outet Social-Webseiten als potentielle Einbruchshilfe: Was zu beweisen war

PleaseRobMe outet Social-Webseiten als potentielle Einbruchshilfe: Was zu beweisen war

"11 Uhr. Muss jetzt in den Flieger." So liest sich das, wenn ein Twitter-Süchtiger die Welt an den Wasserstandsmeldungen seines Lebens teilhaben lässt: Alles vom Fernflug bis zur Flatulenz wird treulich protokolliert. Mitunter ist das weniger belanglos, als man im ersten Moment glaubt. Denn selbst Kommunikations- Koprolithen  wie "Bin im Cafe. Lecker" oder "Noch sieben Stunden. Hab ich die Katze rausgelassen?" könnten für bestimmte Berufsgruppen relevant sein.

Für Einbrecher zum Beispiel, dachten sich Boy Van Amstel, Barry Blorsboom alias "mOnk" und Frank Groeneveld, selbst fleißige Netz-Nutzer und Social-Web-Fans. Mit Befremden, erklärten sie der BBC, hätten sie beobachtet, wie Spieler des Onlinespiels Foursquare bei Twitter ihre Statusmeldungen abgaben, wo sie sich in der realen Welt gerade befinden. Verbindet man nun Foursquare-Daten und Twitter-Meldungen, kann man feststellen, wo die Spieler leben - und bekommt dann per Twitter Bescheid, ob sie gerade zuhause sind oder nicht.

Was für ein Service für Langfinger, dachten sich die drei Niederländer - und setzten mit PleaseRobMe  ("Bitte, raub mich aus!") eine Mashup-Seite in bester Web-2.0-Manier auf, die die Daten aus Foursquare und Twitter verbindet. Zwei an sich harmlose, vermeintlich belanglose Datenströmchen fließen da ineinander, die für den, der sie zu lesen versteht, höchst interessant sind. Natürlich ist das nicht wirklich als Einbrecher-Service gemeint, sondern als Warnung und Mahnung: Die Niederländer wollen Netz-Nutzern vor Augen führen, was sie da eigentlich treiben mit ihrem freigiebigen Umgang mit Daten.

Zumal sich solche Daten ja mit weiteren, ebenfalls vermeintlich harmlosen Quellen verbinden lassen, die anderenorts im Web stehen: Bei Facebook oder anderen Social-Network-Seiten erfährt man etwas über Beruf und Lebensumstände (Verheiratet? Allein lebend? Wohlhabend?). Bei Google Maps lässt sich das Umfeld sondieren, der Fluchtweg planen. Bei Earth hat der stolze Haus- oder Eigentumswohnungsbesitzer dann vielleicht noch Fotos veröffentlicht: Mein Haus, mein Garten, meine Hintertür, mein Wohnzimmer, mein Flachbildfernseher? Und vielleicht hat der freundliche Twitter-Nutzer, der gerade seinen Flieger bestieg, ja auch seinen Abwesenheitagenten im Mailprogramm aktiviert. Auf dass man seine Diebestour in aller Ruhe vorbereiten und planen kann: "Bin bis zum 19. März verreist. In dringenden Fällen bitte..."

Genau auf solche Zusammenhänge und Möglichkeiten wollen die PleaseRobMe-Betreiber hinweisen. "Bis vor kurzem", erklärte Van Amstel der BBC, "galt es als fragwürdig, wenn man im Internet seinen vollen Namen nannte. Diesen Punkt haben wir um tausend Meilen überschritten." Im Grunde, so die drei, sei PleaseRobMe höchst profan, eine einfache Twitter-Suche. Jeder, der ein wenig HTML und Javascript beherrsche, könne so etwas programmieren. Es sei nahezu lachhaft, wie einfach das alles ist.

Das ist neu: Vorsicht ist eine Lüge

Die Kritik der Niederländer wird wohl verpuffen, so wie die Mahnungen von Jugend- und Datenschutzorganisationen, die eigene Identität im Internet möglichst nicht preiszugeben. Wer heute bei Facebook, Twitter und Co seine Identität verschleiert, erschwert die Nutzung der Dienste - und verhält sich inadequat. Die dem zugrunde liegende Geisteshaltung goss kürzlich Google-Chef Eric Schmidt in eine erschreckend dumpfe Formel: "Wenn es etwas gibt, von dem man nicht möchte, dass es die Welt erfährt, dann sollte man es nicht tun."

So denken immer mehr Politiker, Unternehmer, aber auch der gläserne Bürger: Der ausgelebte Exhibitionismus ist längst zum Standard geworden. Das Gefühl dafür, wo und wann Privates lieber privat bleiben sollte, geht zunehmend verloren. Im Januar verbreitete der Hightech-Branchenverband Bitkom die empirisch gesicherte Erkenntnis, dass 23 Prozent aller Deutschen im Internet "Falschangaben" über sich machen - so, als sei das ein Skandal.

Wörtlich heißt es in der Pressemitteilung zu der in Kooperation mit dem Marktforschungsunternehmen Forsa erhobenen Studie: "Von denen, die im Web schon einmal geflunkert haben, hat jeder zweite diese Angaben manipuliert. Jeder dritte gab eine falsche Telefonnummer an. Jeweils jeder vierte macht falsche Angaben zu seiner E-Mail-Adresse, seinem Einkommen und körperlichen Eigenschaften."

So ein Glück aber auch, denn solche Daten haben im Web nichts zu suchen. Die Schlagzeile müsste also so lauten: "Nur 23 Prozent gehen im Web vorsichtig mit ihren Daten um". Oder so: "77 Prozent setzen sich im Internet fahrlässig Gefahren aus". Wer wäre vor fünf Jahren auf die Schnapsidee gekommen, irgendjemandem im Web sein Gehalt mitzuteilen? Glaubt man dem Bitkom, tun dies nun drei Viertel aller Nutzer ohne Bedenken.

Immerhin ist auch den Bitkom-Experten klar, dass man im Web nicht unbedingt alles preisgeben sollte: "Internet-Surfer sollten bewusst entscheiden, wem sie welche Details preisgeben. Man muss nicht jedes weiße Feld ausfüllen", rät Bitkom-Chef August-Wilhelm Scheer.

In der Wahrnehmung vieler Social-Net-Fans aber ist das ja auch so: Sie teilen ihre Geheimnisse nur mit Freunden.

Mitunter mit allen 38.721.