Interview mit Verfassungsschutz-Chef Torsten Voß: „Unsere größte Sorge sind Einzeltäter“

Von: Von MARKUS ARNDT

City – Nach den feigen Islamisten-Anschlägen von Paris und Kopenhagen, fürchten die Sicherheitsbehörden jetzt vor allem Angriffe von Einzeltätern.

BILD-Interview mit Torsten Voß (49), Hamburgs Verfassungsschutz-Chef.

Treffpunkt von Islamisten: die Taqwa Moschee an der Anzengruberstraße in Harburg

Treffpunkt von Islamisten: die Taqwa Moschee an der Anzengruberstraße in Harburg

BILD: Herr Voß, fahren Sie eigentlich mit öffentlichen Verkehrsmitteln?

Torsten Voß: „Ja, sogar gern und fast täglich.“

BILD: Spüren Sie dann ein Unbehagen, weil radikale Islamisten auf weiche Anschlagsziele setzen?

Voß: „Nein. Ich habe großes Vertrauen in unsere Sicherheitskräfte.“

BILD: Zu denen Ihr Amt auch gehört. Wie schätzen Sie die aktuelle Situation ein?

Voß: „Die Gefährdungslage ist unverändert hoch. Es ist nicht der große, jahrelang vorbereitete Sprengstoffanschlag, den wir fürchten. Es sind vielmehr Einzeltäter oder Kleinstgruppen, die uns Sorge machen.“

BILD: Wieso?

Voß: Erstens: IS und al-Qaida haben ihre Anhänger dazu aufgerufen, in Europa und Deutschland eigenständig Anschläge zu verüben. Wir nennen das „autonomen Dschihad“.

Zweitens: Offenbar ist der Aufruf mit dem Hinweis verbunden: „Plant es einfach!“ Das heißt, es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass man zu einem tödlichen Anschlag nicht unbedingt eine Kalaschnikow oder Sprengstoff braucht. Das ist eine neue Dimension der Hinterhältigkeit.

BILD: In Braunschweig wurde ein Umzug abgesagt, Bremen war plötzlich Hochsicherheitszone. Was hat sich verändert?

Voß: „Auf radikale Islamisten üben Anschläge wie in Paris und Kopenhagen eine deutliche Strahlkraft aus. Das müssen wir bei unserer ständigen Einschätzung der Sicherheitslage einbeziehen. Hinweise müssen nach erfolgten Anschlägen teilweise anders bewertet werden als vorher. Stichwort Nachahmungstäter.“

BILD: Wie viele radikale Islamisten gibt‘s in Hamburg?

Voß: „Rund 240. Davon sind 50 Richtung Syrien oder Irak gereist. Ein gutes Drittel von diesen 50 ist wieder zurück in Hamburg. Der größte Teil der Rückkehrer hat wieder Kontakte in die islamistische Szene. Gut ein Dutzend Ausreisen konnten wir verhindern, indem wir den Leuten den Pass weggenommen haben. “

BILD: Ein mutmaßlicher Hassprediger, Abu Abdallah, der in Barmbek gehetzt haben soll, darf nicht mehr in seine angestammte Moschee. Was macht der Mann jetzt?

Voß: „Er hat angekündigt, künftig die Taqwa-Moschee in Harburg zu besuchen...“

BILD: ...einen bekannten Treffpunkt von Islamisten.

Voß: „Ja, ein weiterer salafistischer Treffpunkt, die El-Iman-Moschee, ist ebenfalls in Harburg. Sie gehört zur Schura (Rat der islamischen Gemeinschaften, die Red.), daher haben die Verantwortlichen der Schura einen gewissen mäßigenden Einfluss. Bei der Taqwa-Moschee haben sie das nicht, da sie nicht der Schura angehört.

BILD: Haben Sie genug Leute, um die Szene wirkungsvoll zu kontrollieren?

Voß: „Ich habe 150 hoch motivierte Mitarbeiter und bekomme jetzt noch drei weitere, auf zwei Jahre befristete, Stellen hinzu. Wir setzen unser Personal sehr zielgerecht ein. Aber: 100-prozentige Sicherheit gibt es nicht.“

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