Urheberrechtsdebatte in der Piratenpartei : Wenn Kunst und Kommerz sich küssen
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Der Traum von einer Welt ohne Arbeitsteilung: Ausdruck einer archaischen Sehnsucht, die zielstrebig in den Dilettantismus führt Bild: dapd
Wir steigen den „Verwertern“ aufs Dach. Sagen die Piraten und wettern gegen das Urheberrecht. Ihren Behauptungen fehlt dabei das Fundament. Höchste Zeit, ein paar Dinge gerade zu rücken.
1. Kunst ist Kommerz. Und das ist gut so.
In der primitiven Welt der Piraten singt es sich einfach: Da stellt sich einer oder eine mit der Gitarre auf den Marienplatz und wartet, bis jemand einen Groschen in den Hut wirft. Volk trifft direkt auf Künstler, ob auf realen Plätzen oder im Internet. Der Kunde zahlt für dessen Kunst (oder auch nicht). Künstler und Kunde sind gut. Alles, was dazwischen steht, ist böse: Industrie, Großkonzern, neuerdings: Verwerter genannt - so heißt das Piraten-Wort für solche Nichtsnutze.
Das klingt nach Tierabfallbeseitiger. Und ist auch so gemeint, wenn die Freibeuter ihre windigen Theorien verbreiten. Was aber, wenn der Musikant auf dem Marienplatz gar kein eigenes Liedgut zu Gehör bringt, sondern das von Bob Dylan oder den Toten Hosen? Wird der Barde dann nicht auch zum Verwerter? Komponisten und Texter haben es gut. Die lassen die Freibeuter durchgehen als Künstler, Geld sollen sie trotzdem keines verdienen: Denn das Honorar treibt die Gema ein, dieser Verein der Urheberagenten ist böse, da „Verwerter“. Es ist eine krude Logik, die da angeschwommen kommt: Was wäre der Künstler ohne die Profis drumherum?
Für jedes Musikalbum, jedes Buch, jeden Film braucht es eine Menge Leute, damit sich die Kunst zum Publikum durchschlägt. Die 150 Menschen, deren Namen auf dem Kinoabspann genannt werden, haben sich das durch ihre Arbeit verdient. Verlage und Musikfirmen bezahlen Lektoren und Trendscouts, Buchhalter und Anwälte, Studiomusiker und Grafiker, PR-Leute und Marketingprofis nicht zum Spaß. Die Industrie, die die Künstler um sich gebaut haben, mag anders ticken als die Fleischer-Branche. Die Mechanismen sind dieselben: Es braucht Produktionsmittel; Arbeit und Kapital. So wie immer.
Gewiss, der technische Fortschritt hat es für Künstler einfacher gemacht: Ein Lied lässt sich heute im Kinderzimmer aufnehmen. Schöner klingt’s aber im Studio. Deshalb bewerben sich 50 bis 100 Bands Monat für Monat bei großen Plattenfirmen um einen Vertrag (kein böser Verwerter zwingt sie dazu, sie tun das freiwillig). Nur ein oder zwei werden genommen. Welche das sind, darüber entscheidet ein Manager, der sein Gehalt damit rechtfertigt, dass er den Geschmack besser trifft als andere: Zehn Prozent Trefferquote sind normal, 90 Prozent Flops die Regel.
Bezahlt werden muss alles. Die Fabrikation eines günstigen Albums kostet laut Faustregel 5000 Euro, für gehobene Ansprüche ein Vielfaches. Die fetten Kosten kommen erst danach: Zufalls-Hits passieren, häufiger spuckt sie eine Maschinerie aus. So verschlingt das Marketing oft viel mehr Geld als die eigentliche Produktion.
Eine halbe Million Euro, so wird in der Branche erzählt, steckte eine Plattenfirma jüngst in die Seefahrer-Combo Santiano, die auf diese Weise an die Spitze der Charts geschossen ist. Danach dürfen die Jungs dann die Legende erzählen, wie sie sich auf einer Party getroffen haben und fröhlich drauf los musiziert haben, ehe sie wie zufällig zu Ruhm und Reichtum kamen: Das ist der Stoff, aus dem Piraten-Märchen sind. Was industriell hergestellt wurde, soll als Kreativmanufaktur erscheinen.