Schadensersatz für Taufe

Nicht nur die Vorhautbeschneidung kann zu Rechtsstreitigkeiten führen

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In Deutschland tobt seit Ende Juni eine hitzig geführte Debatte über die Beschneidung von minderjährigen Knaben. Kritik an der Vorhautentfernung ist jedoch nicht neue – es gab sie bereits in der Antike. Manche Historiker sind der Meinung, dass die christliche Taufe ein Ersatzritual für eine Beschneidung sein könnte. Doch auch sie kann Anlass für erbitterten Streit und gerichtliche Auseinandersetzungen sein, wie ein jetzt bekannt gewordenes Urteil des Amtsgerichts Hagen vom 9. Juli zeigt (Az.: 10 C 187/12).

In dem mit einem Streitwert von 5.000 Euro bezifferten Fall ging es um ein Kind aus einer religiösen Mischbeziehung: Der Vater des 2002 geborenen Mädchens ist katholisch, die Mutter evangelisch. Die beiden Elternteile heirateten zwar nach der Geburt des Mädchens, stritten sich jedoch so häufig, dass sie sich wieder scheiden ließen. Aufgrund des gemeinsamen Sorgerechts für die Tochter (die beim Vater lebt und regelmäßig von der Mutter besucht wird) hörte der Streit allerdings nach der Trennung nicht auf: Ein Punkt, in dem sie sich nicht einig wurden, war die religiöse Zugehörigkeit des Kindes, von dem beide lange davon ausgingen, dass es noch nicht getauft worden war.

Taufdarstellung aus dem 15. Jahrhundert in der Florentiner Kirche Santa Maria del Carmine

Doch dann überraschte der katholische Ortspfarrer P. die Mutter mit der Offenbarung, dass die Großmutter väterlicherseits der katholischen Kirchengemeinde M. mitteilte, sie habe den Kopf des Kindes am 21. September 2002 während einer kurzen Abwesenheit der Mutter im Krankenhaus heimlich befeuchtet und dabei die Worte "Ich taufe Dich [E.], im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes" gesprochen. Nachdem die Mutter von dieser Behauptung der Großmutter erfuhr, versuchte sie erst, beim Pastoralverbund und beim erzbischöflichen Generalsekretariat "eine Klärung der Angelegenheit herbeizuführen". Als sie dort auf taube Ohren stieß, verklagte sie ihre Ex-Schwiegermutter vor dem Hagener Amtsgericht und setzte dort den Widerruf einer eidesstattlichen Versicherung durch, mit der die Katholikin 2012 die Taufhandlung gegenüber ihrer Pfarrei glaubhaft gemacht hatte.

Das angerufene Gericht gelangte während des Verfahrens aufgrund einer ganzen Reihe von Merkwürdigkeiten zur Überzeugung, dass die behauptete Nottaufe tatsächlich niemals stattfand: So hätte die sehr religiöse die Großmutter beispielsweise gegen Kirchenvorschriften verstoßen, wenn sie eine von ihr durchgeführte Nottaufe nicht unmittelbar der Pfarrei gemeldet hätte. Doch selbst, als das Kind in dem von ihr geleiteten katholischen Kindergarten und in die katholische Bekenntnisgrundschule kam, wurde dort schriftlich vermerkt, dass es "noch getauft werden müsse".

Stattdessen stritten sich die Eltern in dieser Zeit darum, ob das Mädchen evangelisch oder katholisch getauft wird. Erst als es zum Streit um den Erstkommunionsunterricht kam, der in den Besuchsnachmittag der Mutter fiel, erzählte die Großmutter ihrem Ehemann und ihrem Sohn die Geschichte der von ihr durchgeführten Nottaufe. Zu diesem zur Taufaussage widersprüchlichen Verhalten hinzu kam das Auftreten der Großmutter in der mündlichen Verhandlung, während der das Gericht den im Urteil festgehaltenen Eindruck gewann, "dass die Beklagte voller schlechten Gewissens war, wozu ihre gesamte Körpersprache, die Vermeidung von Blickkontakt und [die] Körperhaltung" beitrugen.

Doch selbst wenn die Taufhandlung tatsächlich stattgefunden hätte, hätte es die Beklagte nach dem Grundsatz von Treu und Glauben durch ihr Verhalten in den letzten zehn Jahren verwirkt, sich darauf zu berufen und eine eidesstattliche Erklärung darüber abzugeben. Zudem erwüchse aus dem Eingriff in das elterliche Religionsbestimmungsrecht ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 823 BGB in Verbindung mit Artikel 6 GG sowie Artikel 140 GG und Artikel 136 IV der Weimarer Reichsverfassung. Die Beklagte müsste dann die Mitgliedschaft des Mädchens in der katholischen Kirche rückgängig machen, was in der Praxis allerdings daran scheitern könnte, dass der mit sorgeberechtigte Vater einem Kirchenaustritt nicht zustimmt.

Kirchenrechtlich gesehen wäre das von der Großmutter behauptete Ritual allerdings gar keine Taufe, weil diese nach Artikel 1284 des Artikels 1 des ersten Kapitels des zweiten Abschnittes des zweiten Teils des Katechismus der katholischen Kirche verlangt, dass der Taufende "nur die Absicht hat, das zu tun, was die Kirche tut". Bei der unberechtigten heimlichen Nottaufe eines gesunden Kindes wäre dies nach Ansicht des Gerichts nicht der Fall gewesen, weil das wahre Motiv nicht in einer Lebensgefahr, sondern im Austricksen der Mutter gelegen hätte.

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