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Mit diesen Tricks umgehen Sie rappelvolle Züge

Ressort Politik
Im vollen ICE auf einem Stehplatz gelandet? Das muss nicht sein. Die Deutsche Bahn hat erstmals ihre detaillierten Auslastungsdaten veröffentlicht. Wer die Zahlen genau liest, kann bequemer reisen.

Am frühen Nachmittag werden sie wieder kommen – in Massen. Das ist immer so an einem Pfingstmontag. Jedes Jahr. "Bis zum Mittag können Sie in den Gängen vieler Züge – überspitzt gesagt – Fußball spielen", seufzt Manuel Rehkopf, Marketingvorstand der DB Fernverkehr. "Ab 14 Uhr beginnt der Andrang, dann wird es rappelvoll." Dann ist es eng in den ICE und IC. Stehen, schubsen, schwitzen, über Koffer stolpern. Die Schlangen vor den Toiletten werden lang, die in den Bistros länger. Wer Pfingstmontag fahren muss, weil er aus beruflichen oder anderen Gründen nicht anders kann, wird leiden – zumindest wenn er keinen Platz reserviert hat.

Wer keine Lust auf das Gedränge hat und ein bisschen flexibel ist, kann bequem in kaum gefüllten Zügen fahren. Nur: Wann eigentlich? In welchen Wagen bekommt man ohne Reservierung am ehesten einen Sitzplatz? Es gibt ein Muster für Uhrzeiten, Tage und Monate. Wie die genau aussehen, hat die Bahn erstmals offengelegt – gegenüber der "Welt am Sonntag".

Züge sind nur zu 49 Prozent ausgelastet

Wer quer durch Deutschland fährt, hat oft das Gefühl, dass sein Zug mal wieder rammelvoll ist – und das ist eigentlich überraschend. "Unsere Auslastung im Fernverkehr liegt aktuell bei 48 bis 49 Prozent. Das ist besser als im vergangenen Jahr, und wir nähern uns der Marke von 50 Prozent. Im ein oder anderen Monat hatten wir das sogar schon", sagt Personenverkehrsvorstand Ulrich Homburg. Das bedeutet, dass die Bahn im Fernverkehr zur Hälfte erwärmte Luft durchs Land fährt. Das Problem ist, dass sie sich nicht gleichmäßig verteilt.

Es sind vor allem Pendler und mit Abstrichen Urlauber, die die Auslastung der einzelner Züge bestimmen, nicht die Spontanreisenden. Pendler fahren eben alle ungefähr zu den gleichen Zeiten. Regel Nummer eins lautet also: An Donnerstagen, Frei- und Sonntagen sind die ICE und IC – wenig überraschend – regelmäßig überfüllt.

Wer irgendwie kann, sollte vor allem Freitag und Sonntag zwischen 14 und 18 Uhr keinen Fernzug besteigen. Denn dann kommen zu den Tagespendlern die Wochenendpendler, von denen viele schon Donnerstagnachmittag heimfahren und Sonntagnachmittag wieder zurück an den Arbeitsort. Dann sind aber auch die Ausflügler unterwegs.

Im Fall von langen Wochenenden oder Brückentagen rutscht die Hauptreisezeit auf den Tag vor dem entsprechenden Feiertag, und der Sonntag fällt doppelt heftig aus. "Am letzten Werktag vor Feiertagen schnellt die Auslastung oft um bis zu 30 Prozent gegenüber anderen Werktagen in die Höhe.

Freitags, 15 Uhr ist die Auslastung am höchsten

Bis zu fünf Mal mehr Reisende haben dann keinen Sitzplatz im Vergleich zu normalen Reisetagen", sagt Rehkopf. Es ist wie auf den Autobahnen: Alle wollen möglichst früh und daher gleichzeitig los, um die Freizeit voll zu nutzen. Warum sollten Bahnfahrer anders sein? Übers Jahr gesehen ist Freitag gegen 15 Uhr der Andrang am größten. Wer dann sitzen will, braucht wirklich eine Reservierung.

An den schwächeren Tagen gibt es zwei Hochphasen, jeweils morgens und nachmittags, wenn die Tagespendler in die Züge drängen. Der Samstag hat nur ein Auslastungshoch am Vormittag, und das fällt verhältnismäßig schwach aus. Rein rechnerisch hat man Dienstag um 12 Uhr die ICE am ehesten für sich, dann ist die Auslastung der DB-Fernflotte am geringsten.

Nun müssen bekanntlich die meisten an bestimmten Tagen reisen, vermutlich aber nicht immer auf die Stunde genau. Wer da etwas später und früher fährt, erspart sich unter Umständen viel Stress. "Man sollte sogenannte Entlaster- oder Verstärkerzüge nutzen, die dann eingesetzt werden, wenn der Andrang besonders groß ist", sagt Marketingchef Rehkopf.

Entlaster-Züge sind deutlich weniger frequentiert

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Das sind meist IC-Züge, die in geringem zeitlichem Abstand zu dem ICE fahren, den man eigentlich nehmen wollte. "Die sind zwar etwas länger unterwegs, aber sie sind günstiger und deutlich weniger stark frequentiert", so Rehkopf.

Ein Beispiel: Zum stets gut gefüllten ICE Köln-Berlin freitags um 14.48 Uhr gibt es zwei ICs als Entlaster, einen drei Minuten vorher, den anderen 25 Minuten später. Die Krux dabei ist, dass sie länger brauchen als der ICE, rund eine dreiviertel Stunde der eine, eineinviertel Stunden, einschließlich Umsteigen, der andere.

Das wollen sich viele nicht antun und stürzen sich ins Gedränge. In das muss übrigens niemand ohne Vorwarnung: "Züge mit absehbar starker Auslastung sind im Internet als solche gekennzeichnet. Wer genau dann fahren muss, sollte reservieren", rät Rehkopf.

Vor Ostern sind die Züge am vollsten

Auch für den Jahresverlauf gibt es eine typische Auslastungskurve. Vor den Feiertagen, vor allem Ostern, gefolgt von Weihnachten, ist der Andrang am größten, in den Monaten Januar und Februar dagegen bleiben viele Züge leer. Wenn es draußen grau und kalt ist, gibt es weniger Urlaubstrips.

Und selbst Geschäftsreisende fahren dann nur, wenn sie unbedingt müssen. Am größten ist die Nachfrage von Mitte September bis Mitte Oktober, wobei in der letzten Septemberwoche regelmäßig die mit Abstand meisten Menschen Bahn fahren. In dieser Zeit treffen rückreisende Urlauber auf jene, die bereits wieder dienstlich unterwegs sind. Dann heißt es eng zusammenrücken.

Bahn kann die Engpässe nicht abstellen

Die Bahn weiß also ein Menge über das Reiseverhalten der Deutschen und damit über mögliche Engpässe, die Frage ist daher, warum sie sie nicht abstellt. "Wir haben noch lange nicht alle Probleme im Fernverkehr überwunden.

Es fehlen uns weiterhin Züge, weil die Hersteller die vereinbarten Liefertermine nicht einhalten", räumt Personenverkehrsvorstand Homburg ein. "Und wir müssen weiterhin die Achsen in kurzen Intervallen auf mögliche Schäden überprüfen. Das ist zeitaufwendig, und während dieser Prozedur können die Züge natürlich nicht eingesetzt werden."

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Nun will zumindest Siemens Ende des Jahres endlich einen Teil der ursprünglich 16 neuen ICE-Züge liefern. Aber auch das bringt nur begrenzt Entlastung. Denn der Mangel an Zügen ist das kleinere Problem: "Deutschlands Schienenwege sind heute schon auf den Korridoren mit dem stärksten Verkehrsaufkommen hoch ausgelastet. Wir haben einige stark frequentierte Bahnhöfe im Land, da bekommen wir zu den aus Kundensicht attraktiven Zeiten kaum noch mehr Züge durchgeleitet", sagt Homburg.

Mehdorn wollte offenes System kippen, ohne Erfolg

Da hat es zum Beispiel die französische Staatsbahn SNCF besser. In Frankreich gibt es Schienenwege, die den Fernbahnen vorbehalten sind. Und in die TGV-Züge kommt auch nur, wer vorher ein Ticket samt Sitzplatzbindung gekauft hat.

Das System dort ähnelt dem der Fluggesellschaften. "In Deutschland haben wir dagegen ein sogenanntes offenes System. Das heißt, jeder kann jederzeit in fast jeden Fernzug steigen, ohne Vorausbuchung oder Reservierung", sagt Homburg. "Das ist praktisch, bereitet aber Probleme, wenn man die Auslastung steuern will." Als der damalige Bahnchef Hartmut Mehdorn dieses System nach seinem Antritt kippen wollte, hätte ihn das fast den Job gekostet.

Nur ein Drittel kauft Karten mit Zugbindung

Nun versucht die Bahn verstärkt, ihren Kunden möglichst viele Tickets zu verkaufen, die an bestimmte Züge gekoppelt sind, um so die Auslastung wenigstens im Ansatz zu steuern – aber die Deutschen sind und bleiben beim Bahnfahren spontan. "Nur ein Drittel der Passagiere fahren bei uns mit Zugbindung, legen sich also frühzeitig auf einen bestimmten Zug fest", sagt Homburg und lockt: "Wir könnten viel mehr von den zuggebundenen und daher günstigeren Tickets verkaufen."

Aber auch für all jene, die das nicht wollen, gibt es einen Ratschlag, wie man bei volleren Zügen ohne Reservierung an einen Sitz kommen kann. Mit der Platzbelegung beginnt die Bahn in der Mitte eines ICE, danach werden bei Bedarf die Sitze am Ende des Zuges vergeben. Also: Immer am Kopf des Zuges einsteigen!

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