Jeder dritte Student wünscht sich nach einer aktuellen Umfrage einer Unternehmensberatung einen Arbeitsplatz im öffentlichen Dienst. Zwei von drei Frauen und 56 Prozent der Männer betonen, Sicherheit sei ihnen bei der Berufswahl ganz besonders wichtig. Deswegen wollen sie zum Staat, am liebsten als Beamte.

Wie viele von ihnen wohl wissen, worauf sie sich einlassen würden? Der öffentliche Dienst in Deutschland ist ein Gebilde, das in seiner heutigen Form keine Zukunft hat. Eigentlich müsste das gerade junge Menschen stören.

In den kommenden Wochen, wenn für viele Schulkindern die Sommerferien zu Ende gehen, wird man wieder viel von den praktischen Folgen schlechter Dienstrechtsreformen hören. In allen armen Ländern fehlen Lehrer, sie verdienen dort bis zu 18 Prozent weniger als im reichen Süden und wandern deshalb nach abgeschlossenem Studium massenweise ab. So kommt es, dass in Berlin oder Brandenburg immer häufiger Quereinsteiger ohne richtige Ausbildung den Schulunterricht übernehmen müssen. Möglich ist das durch eine missglückte Reform des Jahres 2006, wonach die Landesregierungen entscheiden können, wie viel sie ihren Angestellten und Beamten zahlen.

Das ist nicht nur ungerecht und schlecht für viele Schüler, es führt auch noch dazu, dass die armen Länder plötzlich Hochschulabsolventen mit Beamtenstellen ködern. Beamte sind kurzfristig billiger und langfristig deutlich teurer für die Länder, deshalb ist der neue Trend zum Beamtentum für den Steuerzahler keine gute Nachricht. Besser wäre deshalb, die Reform des Jahres 2006 so schnell wie möglich rückgängig zu machen.

Andere Reformen hat die Politik einfach verschlafen, für Beamte gelten viele Regeln, die nicht ins 21. Jahrhundert passen. Warum, beispielsweise, hängt das Einkommen vieler Beamter vom Geburtsdatum ab, statt von der Leistung oder der Berufserfahrung? Der Europäische Gerichtshof hat die Bezahlung nach dem sogenannten Senioritätsprinzip ganz offiziell gerüffelt, doch mehrere Landesregierungen reagieren darauf einfach nicht. Warum bekommen Beamte mehr Geld, sobald sie heiraten, und das unabhängig vom Einkommen? Fast alle Bundesländer stocken die Vergütungen ihrer Beamten nach der Hochzeit um mindestens 100 Euro auf.

Doch das sind Kleinigkeiten angesichts eher grundsätzlichen Fragen zur Altersversorgung der Beamten. Erst kürzlich hat eine Einkommens- und Verbrauchsstichprobe des Statistischen Bundesamtes ergeben, dass Pensionäre im Durchschnitt ein Nettohaushaltsvermögen von fast 300.000 Euro haben und damit mehr als doppelt so reich sind wie Rentner, die auf 127.000 Euro kommen. Die Rentenkürzungen des vergangenen Jahrzehnts wurden nur teilweise auf die Staatsbediensteten übertragen. Demnächst geht die erste Generation in Rente, die alle Folgen der rot-grünen Rentenreformen voll spüren wird, die Altersarmut wird nach vielen Prognosen dann spürbar steigen, die Zahl der arbeitenden Alten mit Mini-Rente auch. Diese Rentner werden dann mit ihren Steuern eine wachsende Gruppe von gut situierten Pensionären alimentieren müssen. Es wäre schön, wenn die Politik heute schon ein paar Ideen hätte, wie sich die absehbaren Verteilungskonflikte von morgen vermeiden ließen.

Hannelore Kraft, Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin, hat vor Kurzem auf die brachiale Tour versucht, das Problem steigender Ausgaben für Beamte zu lösen. Sie wollte weniger Geld für Gutverdienende reservieren. Das Landesverfassungsgericht hat ihre Lösung kassiert, in dieser Woche verhandelt Kraft über einen Nachschlag. Sie muss jetzt die steigenden Kosten in Kauf nehmen plus den Spott der Opposition – und sie muss außerdem damit rechnen, dass viele Beamte sie nicht mehr wählen. So sollte man es nicht machen.

Stattdessen könnten die Parteien den Ehrgeiz entwickeln, der bessere, modernere Arbeitgeber zu sein. Momentan ist der öffentliche Dienst in der Personalpolitik eher Schlusslicht als Avantgarde, beispielsweise arbeiten dort besonders wenige Frauen in Führungspositionen. Warum eigentlich? Warum führt der Staat dort nicht Job-Sharing für Führungskräfte oder Weiterbildungsprogramme für Ältere ein, statt sie immer nur von der Privatwirtschaft zu fordern?

Es ist merkwürdig, viele staatliche Dienstleistungen für die Bürger sind im vergangenen Jahrzehnt viel besser geworden: Die Öffnungszeiten der Ämter wurden verändert, Formulare wurden vereinfacht und Mitarbeiter wurden geschult, damit die Bürger es leichter haben mit ihren Verwaltungen. Nur die Reformen des Dienstrechts blieben weitgehend aus.

Sollten die Vertreter der Generation Y tatsächlich massenhaft in den öffentlichen Dienst einrücken, können sie dieses Problem ja angehen. Falls sie es sich bei einem genaueren Blick auf die Strukturen nicht doch noch anders überlegen.