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Bedrohung durch IS-Dschihadisten Amerika hofft auf neue Spionage-Allianz

NSA-Affäre, Merkel-Handy abgehört, war da was? Die USA basteln an einer Koalition gegen den "Islamischen Staat", Europa kommt eine zentrale Rolle zu. Die NSA-Affäre wollen sie in Washington deshalb am liebsten vergessen.
CIA-Direktor John Brennan (Archivbild): "Wenn wir einen Fehler machen, werden Menschen sterben"

CIA-Direktor John Brennan (Archivbild): "Wenn wir einen Fehler machen, werden Menschen sterben"

Foto: J. Scott Applewhite/ AP

John Brennan gilt als Arbeitstier. Ob der Mann in den vergangenen Jahren überhaupt geschlafen habe? Da sei er sich nicht sicher, sagte US-Präsident Barack Obama, als er Brennan im Januar 2013 zum CIA-Chef beförderte. Die Anwesenden lachten. Brennan nicht. Er fand sich wohl ganz gut getroffen. In der vergangenen Woche kam es wieder zu solch einem Brennan-Auftritt.

Der 58-Jährige sitzt auf dem Podium des "Intelligence and National Security Summit", eines Gipfeltreffens der US-Geheimdienstbranche in Washington. Es ist tatsächlich ein Gipfel, weil sich zwei Stühle weiter in weißer Admiralsuniform Michael Rogers befindet, der neue NSA-Chef. Brennan sagt, noch nie habe er so viele verschiedene Probleme zu bearbeiten gehabt wie jetzt, seine Mailbox laufe über: "Wenn wir einen Fehler machen, werden Menschen sterben." Und dann sei da ja auch noch der neue Skeptizismus gegenüber den Diensten. Neuer Skeptizismus. Gemeint ist die NSA-Affäre, ihre Auswirkungen, national wie international.

"So schnell wie möglich zerstören"

Der Terror der Milizen des "Islamischen Staats" (IS) im Nahen Osten plus die mögliche Bedrohung für Amerika plus Ukraine plus Spähaffäre: So summieren sich die von Brennan skizzierten Probleme. Der IS müsse "so schnell wie möglich zerstört werden". Allerdings, so Brennan, gebe es keine militärische Lösung allein, sondern es brauche einen breiteren Ansatz. NSA-Chef Rogers sagt, sein Dienst habe zu langsam erkannt, dass sich da eine Gruppe von Aufständischen in eine organisierte Armee transformiere: "Ich wünschte, wir wären ein bisschen besser gewesen."

Die Causa NSA indes rückt in diesen Tagen in Washington spürbar in den Hintergrund, wird direkt oder indirekt stilisiert zur unnötigen Ablenkung vom Wesentlichen: der Sicherheit Amerikas und seiner Verbündeten. Brennan sagt: Die Snowden-Enthüllungen hätten in einigen Fällen "verheerende" Wirkung gehabt. Was genau er damit meint, das sagt er - mal wieder - nicht.

NSA-Mann Rogers bemüht sich spürbar um einen konzilianteren Ton und grenzt sich damit von seinem hartleibigen Vorgänger Keith Alexander ab: Von der richtigen Balance zwischen Freiheit und Sicherheit ist bei ihm die Rede und davon, dass es kein Entweder-Oder geben dürfe; von neuer Vertrauensbildung und dem "direkten" und "breiteren" Dialog mit der Bevölkerung sowie internationalen Partnern; und von einer besseren Kommunikationsstrategie. Aber auch für Rogers gilt: Er wird ebenso wenig konkret wie Brennan. Wie soll sie denn aussehen, diese neue Balance?

Als Rogers dann mit Blick auf die Nachwirkungen der enttarnten Abhöraktion gegen das Mobiltelefon der deutschen Kanzlerin sagt, auf Ebene der Geheimdienste jedenfalls arbeite man wieder gut zusammen, da wird deutlich: Die Amerikaner betrachten die Spähaffäre weiterhin als "Hickup", als Schluckauf in den deutsch-amerikanischen Beziehungen. Auch wenn die US-Regierung, wie die Nachrichtenagentur AP berichtet, ihre Spionageaktivitäten gegen westeuropäische Regierungen infolge des Skandals um den im Juli enttarnten BND-Maulwurf eingeschränkt hat und dies auch vorerst beibehalten will.

IS: Ein neuer, gemeinsamer und gefährlicher Feind

Klar ist: Amerikanern und Europäern ist mit IS plötzlich ein neuer, gefährlicher und gemeinsamer Feind erwachsen. Auf diese generelle Stimmungslage sind in der vergangenen Woche auch jene neun deutschen Bundestagsabgeordneten getroffen, die mit Parlamentariern aus insgesamt 24 europäischen Nationen nach Washington gereist waren, um mit Kollegen aus dem US-Repräsentantenhaus in Sachen NSA zu diskutieren.

Dem Trip war eine Einladung des republikanischen Kongressabgeordneten Robert Pittenger vorausgegangen, der eine Terrorismus-Task-Force leitet. Die Dschihadisten des IS seien die größte Bedrohung für Amerikas Sicherheit, sagt Pittenger: "Aber viele unserer Freunde und Alliierten sind besorgt wegen der NSA-Enthüllungen und verwirrt wegen des Fehlens klarer Kommunikation."

Der aus Berlin angereiste Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele sagt: "Die Kontakte zu den US-Kollegen sind ungemein wichtig." Man müsse jedes Angebot zur Diskussion wahrnehmen. Die Amerikaner hätten argumentiert, dass man nun gemeinsam nach vorn schauen müsse, auch wegen der Bedrohung durch den IS, die die Zusammenarbeit der Dienste besonders wichtig mache. Mit Blick auf die NSA-Spähaffäre aber beklagt Ströbele weiterhin mangelndes Problembewusstsein bei seinen Gesprächspartnern, egal ob Republikaner oder Demokraten.

Nicht klar ist überdies, ob der US-Kongress noch in diesem Jahr ein Gesetz zur Reform der NSA-Aktivitäten verabschieden wird. Die "USA Freedom Act" getaufte Gesetzesvorlage soll die Fähigkeiten zur massenweisen Sammlung von Telefondaten beschneiden. Allerdings geht es hier vornehmlich um Metadaten von US-Bürgern.

Und obwohl US-Geheimdienstkoordinator James Clapper und Justizminister Eric Holder keine Sicherheitsbedenken haben, gehen einige US-Senatoren vor dem IS-Hintergrund auf Gegenkurs: "Wenn man uns die Möglichkeit zur IS-Überwachung nehmen will, dann muss man genau die Instrumente zerstören, die dieses Gesetz zerstören will", zitiert das Magazin "The Hill" Republikaner-Senator Saxby Chambliss.

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