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Apples neues 'iPad'

28. Januar 2010

iPad also. An den Namen werden wir uns schnell gewöhnt haben, und wahrscheinlich überlegen schon einige von uns, wann sie die digitale Schiefertafel kaufen sollen. Schuld daran sind Märkte, die wie Dramen funktionieren.

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Apple-Chef Steve Jobs vor dem Apple-Logo (Foto: AP)
Ohne Steve Jobs wäre Apple nicht denkbarBild: AP

Ich lege den Telefonhörer auf. Markus Giesler war dran. Ein junger Professor für Marketing und Konsumkulturforschung an der York University in Toronto. Ich wollte wissen, warum wir alle nach diesen iProdukten verrückt sind. Und Giesler hat mir zu verstehen gegeben, dass meine Großmutter möglicherweise mitverantwortlich dafür ist.

Meine Großmutter und Steve Jobs. Ah. Sicher, sie hat mir wie viele Großmütter Geschichten erzählt, Geschichten mit schillernden Helden, Geschichten, in denen es Gute gab und Bösewichte. Sie habe mir eine "gewisse Vorstellung von Moral, von Wertigkeit, von Normativität vermittelt", sagt Giesler, "Mythenkomplexe", die Marken und Marktstrategen wie Jobs gerne abrufen.

Mikrosoft-Logo (Foto: dpa)
Viele haben es verinnerlicht - Microsoft ist Establishment, Apple der RebellBild: picture-alliance/ dpa

David und Goliath zum Beispiel. Dieser alten, mythologischen Beziehung habe sich Jobs immer wieder gerne bedient. Apple kokettiere gerne damit, dass die Marke als David, als der Rebell gegen das Establishment vorgeht. "Das verkörpert einen inneren Wunsch, den wir alle haben", sagt Giesler. Und Steve Jobs untermauert die Position des Davids mit jedem seiner Auftritte. Kein Schlips, dafür Drei-Tages-Bart, Jeans und Rollkragen - anders als die anderen, aber nicht elitär - wie ein jugendlicher Rebell, der mit seinem Aufzug ein wenig provozieren will.

Markenerfolg durch Emotionalität

Diese "emotionale Resonanz", wie Giesler das nennt, ist entscheidend für den Erfolg von Steve Jobs und Apple. Dass das iPhone im Gegensatz zu anderen Touchscreen-Handys Tausende von Apps hat, also kleine Zusatzprogramme, die das Telefon in eine Wasserwaage oder einen Kompass verwandeln können, ist für Giesler eine im nachhinein konstruierte Erklärung für den iPhone-Erfolg.

Hand bedient das iPad von Apple (Foto: dpa)
Gibt es so ähnlich schon lange - wir werden trotzdem das iPad kaufenBild: DPA

Und wenn sich das iPad gut verkauft, werden viele Fachleute erklären, was an dem Gerät so außergewöhnlich ist, dass wir es alle wollen. Doch das ist nach Gieslers Theorie nicht der springende Punkt. Wer Apples Erfolg wirklich verstehen möchte, muss begreifen, warum manche Marken unsere Emotionen ansprechen und manche eben nicht. Und wer Erfolg haben möchte, darf neben einem qualitativ hochwertigen Produkt die emotionale Seite niemals aus den Augen verlieren.

Der kleine David mit der Steinschleuder spricht unsere Emotionen an - und Steve Jobs tut das auch. Der Apple-Gründer selbst funktioniert perfekt als Held. Ein Adoptivkind, ein Ausreißer, der es nach ganz oben schafft, der eine Firma gründet, der seiner Entlassung aus der eigenen Firma zuvor kommt, indem er vorzeitig geht, der elf Jahre wartet und eine neue Chance bei Apple bekommt - und diese nutzt. "Die Heldenrolle muss man sich erspielen", sagt Markus Giesler. Dafür sei es auch nötig zu scheitern. Denn nur wer scheitert, ist authentisch.

Die Jobs-Falle

Wenige Strategen beherrschen das Spiel mit den Emotionen so gut wie Jobs. Die Geheimniskrämerei um neue Produkte, die Show bei ihrer Einführung, der zur Schau gestellte Fanatismus, der die Neuerungen umgibt - Jobs hat verstanden, dass Märkte wie Dramen funktionieren, in denen wir Konsumenten die Zuschauer sind und entweder klatschen oder gehen.

Steve Jobs lächelt während einer Produktvorstellung (Foto: AP)
Braucht dringend den richtigen NachfolgerBild: AP

Das könnte Apple in Zukunft allerdings zum Verhängnis werden. Denn es ist möglicherweise mehr Steve Jobs, der unsere Emotionen bedient, als seine Produkte. Wenn Jobs hinter der Marke verschwinde, "dann passiert das, was bei Apple schon passiert ist, dann nimmt die Marke entsprechend Schaden", erklärt Giesler. In den elf Jahren ohne Jobs wurden aus angesagten Kult- elitäre Nischenprodukte. Jobs scheint diese Gefahr zu kennen. Er weiß, wie wichtig er für Apple, wie wichtig er für die "emotionale Resonanz" beim Kunden ist. Als er 2004 an Bauchspeicheldrüsenkrebs erkrankt war und die Gerüchteküche brodelte, hat er sich vom Krankenbett an seine Fangemeinde gewendet. Ihr könnt mir mit rechnen, war die Botschaft.

Apple muss also handeln. Denn anders als in den Geschichten unserer Großmütter muss der Held am Schluss nicht siegen. Steve Jobs wird einmal gehen müssen. Und das Überleben von Apple-Produkten wird wesentlich davon abhängen, meint Giesler, ob Apple jemanden findet, "der ähnlich visionär ist wie Jobs, aber eine Art neue Generation repräsentiert".

Autor: Jutta Wasserrab
Redaktion: Rolf Wenkel