Wortbruch, Dummheit oder ein Gesetz, das keiner will?

Außer Kontrolle

Der Bundespräsident hat das umstrittene "Netzsperren"-Gesetz unterzeichnet. Für alle Parteien ein Debakel, denn zuletzt wollte mit diesem Gesetz kaum jemand mehr etwas zu tun haben.

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Fast zwei Monate hat es gedauert bis der Bundespräsident sich entschloss, das umstrittene "Zugangserschwernisgesetz" zu unterzeichnen. Das von der ehemaligen Familienministerin Ursula von der Leyen mit viel Pathos und Propaganda (inclusive herbeifabulierter Zahlen usw.) initiierte und durchgesetzte Gesetz soll offiziell gegen Kinderpornographie im Internet helfen - Kritiker bezeichnen es bestenfalls als unsinnig, schlimmstenfalls als kontraproduktiv und ggf. sogar förderlich für Kinderpornographie. Mit der Unterzeichnung des Gesetzes hat die Bundesregierung allerdings ein Problem.

Denn die Koalitionsparteien gaben noch vor einigen Tagen zu Protokoll, dass sie den im Zugangserschwerungsgesetz verfolgten Ansatz nicht weiterverfolgen wollen. Die Grünen hatten, genau wie auch die Linke, für eine Aufhebung des Gesetzes plädiert und sogar einen entsprechenden Entwurf verabschiedet.

Somit haben die Parteien ein Problem, denn eigentlich will niemand sich mehr zu diesem Gesetz bekennen, das nun aber in Kraft treten wird. Die CDU sowie die FDP wollten ja eigentich einen neuen Ansatz verfolgen und somit müssten sie nunmehr eher gegen das Gesetz sein, so wie auch die Grünen und die Linke. Entweder man zeigt sich also wortbrüchig und lässt das Gesetz einfach so "durchgehen", wendet es aber nicht an, was letztendlich zeigt, wie unsinnig das Gesetz ist (und wie überflüssig) oder aber man gibt sich die Blöße und verabschiedet tatsächlich ein Gesetz, das das Gesetz aufhebt, was ebenso peinlich wäre (und Überflüssigkeit bzw. Unsinnigkeit des Gesetzes darlegen würde).

Auch die Grünen und die Linke müssen nun aktiv werden, sonst stehen sie als Dampfplauderer da. Die SPD, die die Netzsperren als Irrweg bezeichnete, wird ebenfalls nun an ihren Taten gemessen werden. Und gerade auch die FDP wird sehr klare Worte (nicht nur) finden zu müssen.

Denn das, was erst am 9.2.2010 passierte, ist ja nun letztendlich nichts anderes als eben diese Dampfplauderei, noch dazu vom "Berichterstatter für IT-Sicherheit beim Innenausschuss des Deutschen Bundestages":

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Jimmy Schulz, Mitglied im Innenausschusses des Deutschen Bundestages und Berichterstatter für IT-Sicherheit, zeigte sich überzeugt, Websperren seien nun endgültig vom Tisch: "Es ist ein Sieg für die Netzgemeinde und die Internet-Freiheitskämpfer, dass 'Zensursula' vom Tisch ist. Neben dem 'Safer Internet Day' können wir heute also den 'Save the Internet Day' feiern."

Letztendlich ist das von Frau von der Leyen durchgesetzte Gesetz für alle Parteien ein Klotz am Bein geworden, den man gerne in die nächste Ecke gepfeffert hätte. Dem hat der Bundespräsident aber nun einen Riegel vorgeschoben. Und so traurig wie die Unterzeichnung ist (inclusive der Tatsache, dass der BP keine verfassungsrechtlichen Bedenken hat), in dieser Hinsicht ist es gut, dass das Gesetz in Kraft tritt. Einmal öfter müssen die Parteien also zu dem Murks stehen, den sie teilweise mitverbrochen haben.