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SAP-Research-Chef "In 20 Jahren sind Computer nur noch Elektroschrott"

Der Computer wird schon bald aussterben, prophezeit SAP-Forschungsleiter Lutz Heuser. Was danach kommt, wie der Rentneralltag 2032 aussieht und wie sein Arbeitgeber in einer Welt ohne Computer zurechtkommen will, sagt der Manager im Interview mit manager magazin.

mm: Herr Heuser, in Ihrem Buch "Heinz' Life", das Sie gerade auf der Cebit vorgestellt haben, erzählen Sie die "kleine Geschichte vom Kommen und Gehen des Computers". Wird der Computer in absehbarer Zeit verschwinden?

Heuser: So ist es. Allerdings wird er sich nicht ganz und gar auflösen, sondern in Mini-Format überall in unserer Umgebung zu finden sein: In Tapeten, in Wänden, in Möbeln. Den Computer wird es in Zukunft nicht mehr als das Gerät geben, das wir heute kennen. In 20 Jahren wird er nur noch Elektroschrott sein.

mm: Was wird nach dem Computer kommen?

Heuser: Ab 2030 werden Roboter die Funktion von Computern übernehmen.

mm: Ist das Fiktion oder sind Sie wirklich der Überzeugung, dass der seit Jahrzehnten angekündigte Roboter alltagstauglich wird?

Heuser: Ich habe das Buch ja nicht allein geschrieben, sondern wir sind insgesamt 40 Co-Autoren. Darunter sind Vordenker und Experten der deutschen und weltweiten IT-Szene wie Vinton Cerf, Google-Manager und einer der Väter des Internet oder der renommierte IT-Professor Friedemann Mattern. Wir haben uns Gedanken darüber gemacht, wie die IT-Welt in einem bestimmten Jahr der Vergangenheit oder der Zukunft aussah oder aussehen wird. Jeder einzelne von uns steht natürlich hinter seinem Beitrag. Ich hatte beispielsweise die Aufgabe, 2032 zu beschreiben, das letzte Jahr des Buches.

mm: Und? Wie wird 2032 aussehen?

Heuser: Protagonist Heinz, dessen Leben im Buch in Tagebuchform erzählt wird, ist 70 Jahre alt und hat einen Serviceroboter namens James. Sie leben zusammen im Heim für betreutes Wohnen. Dann gibt es noch Mandy, einen Avatar, der Heinz sein ganzes Leben auf verschiedenen Geräten begleitet hat. Sie überwacht seinen Gesundheitszustand und sagt ihm, wann er zum Arzt gehen muss.

mm: Hat Heinz auch noch echte, menschliche Freunde?

Heuser: Natürlich, das finde ich wichtig. Er hat auch zu seiner Familie engen Kontakt.

mm: Werden Sie und ihre Co-Autoren in Zukunft überprüfen, ob Ihre IT-Prognosen tatsächlich zutreffen?

Heuser: Ja, ich plane, mich ab jetzt einmal jährlich mit dem Autoren des jeweiligen Jahres zu treffen. Dann können wir prüfen, was eingetroffen ist oder was auch nicht und warum das so ist.

mm: Worüber werden Sie dann im nächsten Jahr sprechen?

Heuser: Das 2011er Kapitel hat Latif Ladid geschrieben, der Präsident des IPv6-Forums. Er setzt sich seit Jahren dafür ein, dass ein neues Internet Protocol eingeführt wird, weil uns die bisherigen IPv4-Webadressen ausgehen. Er schreibt, dass genau das passieren wird: Wegen des drohenden Internetkollapses wird die UNO im nächsten Jahr das Grundrecht eines jeden Menschen auf eine eigene Internetidentität und -adresse ausrufen und das Internet Protocol IPv6 mit Jahresbeginn 2012 zur Basis des Internetverkehrs machen. Darüber werde ich auf der nächsten Cebit hoffentlich mit ihm diskutieren.

Der Mars bleibt für Menschen unerreichbar

mm: Ein Grundrecht auf eine eigene Internetidentität klingt ziemlich utopisch. Gibt es Szenarien im Buch, an die Sie nicht glauben?

Heuser: Es gibt ein Kapitel von Vinton Cerf, in das ich eingegriffen habe. Er schrieb, dass wir 2023 den Mars besuchen würden. Die Idee ist unrealistisch, weil die Nasa nicht das nötige Geld dafür bekommt. Dazu muss man aber auch sagen, dass das Buchprojekt seit drei Jahren läuft. Als Vint das Kapitel verfasst hat, kannten wir die Nasa-Pläne noch nicht.

mm: Der Mars wird 2023 also noch unerreichbar sein?

Heuser: Wir haben das Kapitel abgeändert: Es wird 2023 einen Roboter namens Igor auf dem Mars geben. Menschen werden dort aber noch nicht leben.

mm: Welcher Fantasie geben Sie gute Chancen, Wirklichkeit zu werden?

Heuser: Zum Beispiel dem Brain Computing im Jahr 2031. Das Kapitel hat Stefan Jähnichen geschrieben, Professor für Softwaretechnik an der TU Berlin. Dort gibt es schon heute Probanden, die nach einem gewissen Training eine Maus mithilfe ihres Gehirns nach rechts und links bewegen können. Warum soll man nicht in den nächsten 21 Jahren so weit sein, Koma-Patienten auf diese Weise ein Stück Normalität zurückzugeben?

mm: Nun sind Sie nicht nur Buchautor, sondern hauptberuflich Leiter der Forschungsabteilung bei SAP. Was macht denn Ihr Arbeitgeber im Jahr 2032?

Heuser: Software wird 2032 anders aussehen, als wir das heute gewohnt sind, und die Weise, wie sich Software in das Alltagsleben einfügt, wird sich stark ändern. SAP-Software wird im täglichen Leben so selbstverständlich sein, dass man sie gar nicht mehr bemerkt.

Außerdem glaube ich fest daran, dass sich Unternehmen untereinander noch viel stärker vernetzen. Sie werden über Dienste im Internet an allen möglichen Schnittstellen miteinander verbunden sein.

mm: Sprechen Sie von Vernetzung oder Konsolidierung? Wird es SAP in 20 Jahren noch geben?

Heuser: Da bin ich sicher. Weil wir diese Entwicklungen in der Forschung voraussehen, arbeiten wir ja bereits heute in einem großen Netzwerk von Partnern daran, die Infrastrukturen für diese neuen Geschäftsmodelle bereitzustellen.

Meine Erfahrung zeigt mir allerdings auch, dass es viele große IT-Firmen nicht mehr gibt, von denen man das nie vermutet hätte. Vor SAP habe ich bei DEC gearbeitet. Anfang der 90er Jahre war DEC mit 140.000 Mitarbeitern der zweitgrößte Computerhersteller nach IBM. Mittlerweile ist der Konzern komplett von der Bühne verschwunden und gehört zu Hewlett-Packard. Damals hätte ich geschworen, dass so etwas nie passieren würde. Es ist also wichtig, am Puls der Zeit zu arbeiten und nach vorne zu schauen. Das tun wir in der SAP-Forschung.