Ob klassische Medien das digitale Zeitalter überleben werden wie sich Zeitungen samt ihren Redaktionen ins Web integrieren können, wird derzeit bei einer internationalen Fachkonferenz in Wien erörtert. Unter dem Titel "Journalism 2020" diskutieren Experten mögliche Szenarien und berichten von eigenen Erfahrungen. Zwei Protagonisten, der Chefredakteur des britischen "Guardian", Alan Rusbridger, und der Chefredakteur von "Zeit Online", Wolfgang Blau, wurden dabei vom Medienhaus Wien in das Bundeskanzleramt geholt und diskutierten darüber bereits bei einer Podiumsdiskussion am Donnerstag.

Blau: Blogger nicht minder schätzen

Demzufolge haben die Printredaktionen in den kommenden Jahren viel aufzuholen: Blau plädierte dafür, dass man den Bürgerjournalismus oder die Blogger nicht minder schätzen solle. Er verglich die neuen Journalisten mit Amateurmusikern, die genauso qualitativ hochwertige Musik abliefern könnten. "Stellen Sie sich eine Welt vor, in der die einzige Möglichkeit, zu musizieren, darin besteht, sich einem Orchester anzuschließen. Das war Journalismus vor zehn Jahren." Analog wandle sich mit den neuen Publizierungsformen auch die Rolle der Journalisten, die heutzutage viel stärker mit ihren Lesern in Feedback treten sollten.

Gerade an Print drohe hier die Zeit vorbeizulaufen, schließlich werde auch in anderen Bereichen viel erfolgreicher mit einem Publikum kommuniziert, so Blau. Als Beispiel nannte er den amerikanischen Elektrogroßmarkt "Best Buy", der seinen Helpdesk bereits über Twitter abwickle.

Rusbridger:  Neue Kommunikationsmöglichkeiten als Gewinn

Rusbridger sieht die neuen Kommunikationsmöglichkeiten ebenfalls als Gewinn. Nicht der Journalismus an sich befinde sich in der Krise, sondern der professionelle, der darauf basiere, für seine Informationsleistungen auch Geld zu bekommen. Die Profijournalisten müssten ihre Qualitäten, nämlich akkurat, schnell und vielseitig berichten zu können, in die Neuen Medien übertragen.

Das Paradoxon, dass die Journalisten selbst den Online-Bereich oft als minderwertigen Arbeitsbereich sehen, führt Blau auf mehrere Faktoren zurück: Einerseits hätten die Onlinemedien wegen geringerer Erlöse auch stets schlechtere Gehälter gezahlt, andererseits hätten viele Printhäuser ihre Internetableger bewusst mehr in Richtung Boulevard positioniert, was auch deren Ansehen geschadet habe. Außerdem hätten viele Journalisten aus den "alten" Medien schlicht Berührungsängste mit Online, weil ihnen die Kompetenz fehlt.

Viele Storys werden aber dennoch den großen Medien erhalten bleiben, glaubt Rusbridger, der dazu das Beispiel eines Bloggers brachte, der etwa von Berichten über die Organisierte Kriminalität zurückschreckte, der "Guardian" jedoch nicht. Die Begründung: "Wir haben Anwälte und er nicht." (APA)