Apple und der Rand

Es gibt einen unsichtbaren Korridor, der durch die Apple-Welt führt. Am unscharfen Rand strahlen geniale Hacks ihr Licht in die Dämmerung. Und dort, wo es Nacht wird, findet man ungeheuerliche Gadgetgrausamkeiten.

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Von
  • Peter Glaser

Es gibt einen unsichtbaren Korridor, der durch die Apple-Welt führt. Seine Ränder sind nicht so scharf gezogen wie bei einer markierten Piste, aber man kann sie ungefähr erkennen. Auf der einen Seite stehen im wahrsten Sinn des Wortes grenzwertige Apps und zunehmend unterirdische Accessoires, die den Rand beziehungsweise den Übergang ins Nicht-Applemäßige anzeigen. Auf der anderen Seite ist es protziger Luxus in Gestalt von vergoldeten iPods oder mit Brillis enkrustierter "Bling”-Gerätschaft – das komplette Gegenteil jener puristischen Apple-Gestaltungsprinzipien, die manche für die Globalisierung von Steve Jobs persönlichem Geschmack halten ("Warum trägt Steve Jobs nur Rollkragenpullover? Alles andere hätte zu viele Knöpfe").

Auf die Spur dieses Korridors gebracht hat mich eine aberwitzige Anwendung für neue Apple-Hardware, an der ich neulich vorbeigesurft bin. Der kalifornische Filmer und Fotograf Jesse Rosten hat für ein Fotoshooting anstelle herkömmlicher Scheinwerfer Panels mit insgesamt neun iPads als Lichtquellen verwendet. Rosten, der nachts öfter aufgewacht war und zu seinem iPad gegriffen hatte, um sich die Schlaflosigkeit mit einem kleinen Spielchen zu vertreiben, war jedes Mal geblendet gewesen von dem lichtstarken Display – "und natürlich war sofort klar, dass ich mal ein Photoshooting mit iPad-Licht machen muss." Aus den neun iPads wurden nach ein bisschen Bastelei Scheinwerferpanels, die etwa 4500 Dollar kosten und deren Licht an die OP-Saal-Helligkeit von Supermärkten in Tokio erinnert; aber darum geht es nicht. Es geht darum, dass so etwas ein Musterbeispiel für einen Apple-Hack ist. Eine hübsche Idee, gut ausbalanciert zwischen ernsthafter und verspielter Aktion, wie ein Mobile.

Mehr Licht: iPads für ein Photoshooting

iPhone-Verpümpelung

Jesse Rostens Beleuchtungskörper sind gewissermaßen die Straßenlampen am Rand des Apple-Korridors, und dort, wo sich ihr Licht ins Halbdunkel zu verlieren beginnt, treten Merkwürdigkeiten zutage. Dinge wie der kleine Pümpel, der als iPad-Stütze fungiert. Das iPood-USB-Kackwürstchen. Oder die Grenzziehung der neuen Richtlinien für App-Entwickler, die Innovationen wie "weitere Furz-Apps" in die Düsternis außerhalb des kanonischen Korridors verstoßen, dorthin, wo die Welt ihre Applehaftigkeit verliert. Ich meine, dürfen Apple-Nutzer pubertär sein? Schaden Gadgetgrausigkeiten und Quatsch-Apps der geradezu erwachsenen, stilsicheren Lässigkeit, mit der sich der Mac-Mensch angeblich so gern identifiziert?

Der Unterschied zwischen einer Prinzessin-Diana-Tasse und OS-X-Icons auf Untersetzern oder Sofakissen ist gering – Kitsch as Kitsch can. Trotzdem gilt auch hier die Weltweisheit, dass man über Geschmack nicht streiten kann. "Was für den einen Trash ist", so Frank Westphal, der die Blog-Destillieranlage Rivva betreibt, "ist für den anderen das Beste der Welt." Manchmal verläuft die Front quer über die Kühlschranktür, irgendwo zwischen dusseligen Kühlschrankmagneten mit Photoshop-Menüs und der wunderbaren Nützlichkeit des FridgePad, in dem man sein iPad zwanglos am Kühlschrank befestigen kann (um nicht nur Zeitungsverlegern zu zeigen, wo es in die Zukunft geht, sondern auch den Herstellern der seit Jahren ungeliebt vor sich hinsäuernden "Kühlschränke mit Internetanschluss").

Wie schwierig die Frage "geschmacklos oder genial?" zu beantworten ist, zeigt eine weitere Schöpfung von Jesse Rosten – die Vereinigung zweier bemerkenswerter Erfindungen, nämlich des Klettbands und des iPads. Wer sich keine Sorgen darüber macht, ob von dem an verschiedenen Stellen in Haus und Auto hilfreich angebrachten Klebeband Ränder auf der Hardware zurückbleiben, ist aber, würde ich sagen, auf der sicheren Seite des Rands.

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PS: Herr, lass Abend werden: Es gibt Steve Jobs jetzt auch zum Selberbasteln – Jay Haufs Steve Jobs Cubecraft sieht ihm überhaupt nicht ähnlich, ist steif wie ein Legomännchen und als Witz nur dann zu erkennen, wenn dabeisteht, dass es witzig gemeint ist. Aber wir lachen schließlich nicht zu unserem Vergnügen. ()