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S.P.O.N. - Im Zweifel links Fairness ist Zufall

Die Parteien streiten um Gerechtigkeit im Einzelfall, aber die Ungerechtigkeit ist längst Teil des Systems. Der moderne Kapitalismus entzieht dem Sozialstaat die Geschäftsgrundlage. Ein Umbau tut Not: Die Zeit für das Grundeinkommen ist gekommen.

Angela Merkel herrscht in der Dreifaltigkeit des modernen Kapitalismus: Einem Drittel von uns geht es gut, ein Drittel fühlt sich bedroht - und ein Drittel wird abgeschrieben. Wer länger als ein Jahr arbeitslos ist, stürzt in die wachsende Masse derer, die die Ökonomen "Surplus-Bevölkerung" nennen: die Überflüssigen.

Als sich jetzt Regierung und Opposition zum neuerlichen Hartz-IV-Palaver trafen, ging es um ein paar Euro weniger für Zigaretten und ein paar Euro mehr für Mineralwasser. Nicht einmal darüber konnten sich die Parteien einigen. Dabei haben sie über die eigentliche Frage gar nicht geredet: Wie die systematische Entwürdigung von Millionen von Menschen beendet werden kann.

Hartz IV

verstößt gegen das Grundgesetz. Das hatte das Bundesverfassungsgericht am 9. Februar 2009 festgestellt. Die höchsten Richter hatten das mit Artikel 1 begründet, der von Würde des Menschen handelt, und mit Artikel 20, dem Sozialstaatsprinzip. Das sind keine Kleinigkeiten. Das Gericht befand, dass der deutsche Staat seinen Armen kein "menschenwürdiges Existenzminimum" garantiere und dass über die "physische Existenz" hinaus auch ein "Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben" zur Würde des Menschen gehöre.

Das Gericht hat also daran erinnert, dass auch in der Ära der Globalisierung nicht die Dritte Welt der Maßstab für die Beantwortung der Frage ist, was wir uns unter einem Sozialstaat vorstellen.

Es genügt nicht, wenn hier niemand verhungert.

Angst, Wut, Zynismus

Deutschland ist ein Land geworden, in dem solche Erinnerungen notwendig sind. Eine "rohe Bürgerlichkeit" hat der Bielefelder Soziologe Wilhelm Heitmeyer im vergangenen Jahr in seiner Stimmungsstudie "Deutsche Zustände" festgestellt. Wir haben das Bild eines Landes gesehen, das von Angst, Wut und Zynismus geprägt ist. Die Armut nimmt zu, in all ihren Formen: die soziale, am unteren Rand der Gesellschaft und die emotionale am oberen. Vom "eisigen Jargon der Verachtung" der Eliten sprach der Soziologe. Es ist Sarrazins Kälte, die sich breit gemacht hat in Deutschland.

Die verheerenden Hartz-IV-Gesetze, die das Wort Reform nicht verdienen, waren ein Schritt auf dem Weg in dieses frostharte Land. Hartz IV ist eine dauernde Perversion. Hartz IV macht aus ehrlichen Leuten, die Arbeit suchen, Spezialisten für Anträge und Ausnahmen und Rechtswege, Experten für Bedarfsgemeinschaften, Überbrückungsgelder und Regelsatzverordnungen.

Diese Perversion muss ein Ende haben.

Verdrehter Sozialstaat

Sozialstaat

Der hat einem Drittel seiner Bevölkerung gleichsam den Gesellschaftsvertrag gekündigt. Damit hat sich die Geschäftsgrundlage geändert. Die großen Parteien streiten um immer heiklere Verstrebungen, mit denen dieser sonderbare Sozialstaat gestützt werden soll, um immer irrsinnigere Regelungen, mit denen eine Gerechtigkeit im Einzelfall hergestellt werden soll, die im Ganzen längst verloren ist.

Bald wird eine ausufernde Sozialstaatsbürokratie für die Frage zuständig sein, welches Kind Gitarrenunterricht bekommt und welches Flöte spielen darf.

Der Sozialstaat ist verdreht worden, es ist Zeit, ihn vom Kopf auf die Füße zu stellen. Zeit für das Grundeinkommen. 800 Euro für jeden. Und es möge niemand mit dem Leistungsethos einer vergangenen Epoche kommen. Oder mit dem Einwand, das Grundeinkommen sei unfair gegenüber jenen, die schwer für ihr Geld arbeiten. Leistung und Fairness sind nun gerade nicht mehr die prägenden Prinzipien unseres Systems.

Es besteht zwischen Verdienst und Leistung keine Verbindung, und Fairness ist in diesem System Zufall. Der moderne Kapitalismus hat diese Werte über Bord gespült.

Das Grundeinkommen aber gibt den Menschen ihre Würde zurück.

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