Schlagabtausch im Bundestag zur Auswertung von Fluggastdaten

Vertreter der CDU/CSU-Fraktion haben einen Antrag der Grünen gegen das geplante EU-System zur Speicherung von Passenger Name Records als "Skandalisierung" abgetan. Linke und SPD unterstützen die Initiative dagegen.

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Vertreter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion haben einen Antrag der Grünen gegen das geplante EU-System zur Speicherung und Auswertung von Flugpassagierdaten (Passenger Name Records, PNR) scharf kritisiert. Normalerweise umfassen PNR insgesamt 19 Datenkategorien, zu denen neben den API (Advanced Passenger Informations, etwa Namen, Geburtsdatum, Nationalität, Passnummer, Geschlecht sowie biometrische Date) auch beispielsweise E-Mail-Adresse, Telefon-, Konten- und Kreditkartennummern sowie Essenswünsche gehören.

Der CSU-Abgeordnete Stephan Mayer meinte, dass es der Oppositionspartei nur um "Effekthascherei und Skandalisierung" gehe. Ermittler müssen seiner Ansicht nach sowohl auf Verbindungs- und Standortdaten aus der Telekommunikation als auch auf die PNR zugreifen können. Es sei aber verfehlt, den Eindruck zu erwecken, dass die Fluggastdatenspeicherung mit der Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten vergleichbar sei. So reise jeder Deutsche im Durchschnitt nur zweimal im Jahr mit dem Flugzeug, während er im Schnitt sechseinhalb Minuten am Tag telefoniere. Bei der verdachtslosen Protokollierung von Nutzerspuren gehe es folglich um eine "weitaus größere Menge" an Informationen.

Laut Mayer gilt es im Rahmen der Beratungen über den Richtlinienentwurf der EU-Kommission noch zu klären, inwieweit das Vorhaben wirklich effektiv wäre. Innerhalb der Gemeinschaft existierten beispielsweise "alternative Reisewege" durch den Bahn- und PKW-Verkehr. Man müsse daher fragen, was die von Großbritannien über den EU-Rat geforderte Einbeziehung innereuropäischer Flüge brächte. Auch die vorgeschlagenen Speicherfristen und die Kosten für die Fluggesellschaften seien in Betracht zu ziehen.

Der CDU-Innenpolitiker Clemens Binninger verwies auf eine "Erwartungshaltung der Bevölkerung", dass ein Terrorverdächtiger nicht unbemerkt in ein Flugzeug einsteigen können dürfe. "Daher brauchen wir die Passagierdatenspeicherung", betonte der Abgeordnete. Sicherheitsbehörden seien darauf angewiesen, Daten über Reisebewegungen und Finanzströme zu erhalten. Diese Informationen würden von den Airlines schon mehrere Jahre vorgehalten. Ob eine Speicherdauer von fünf Jahren notwendig sei, wie es Brüssel derzeit vorschwebe, müsse aber noch "genau belegt" werden. Eine Einbeziehung innereuropäischer Flüge begrüßte Binninger prinzipiell. Es müsse aber ausgeschlossen werden, dass Passagiere "jede Woche" anhand von Kriterien für Verdächtige durchleuchtet würden.

Für die Grünen verteidigte deren innenpolitischer Sprecher Konstantin von Notz den Antrag mit dem Hinweis, dass eine "anlasslose präventive Datenspeicherung, -verarbeitung und -nutzung zum Zweck der laufenden Profilbildung und des Rasterabgleichs aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht umsetzbar sei, wenn die Voraussetzung einer Gefährdung für hochrangige Rechtsgüter in Deutschland nicht vorliege. Schwarz-Gelb rief er auf, das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung nach Europa zu tragen.

Als "total verfehlt" bezeichnete Wolfgang Gunkel im Namen der SPD-Fraktion eine Vorratsspeicherung von Fluggastdaten. In der EU gebe es schon das Schengener Informationssystem, ein Visa-Informationssystem und eine Analyse von "Advanced Passenger"-Informationen (API), die sich teils mit den PNR überschneiden. Der Richtlinienvorschlag sehe aufgrund der damit verknüpften Einrichtung 27 nationaler Zentralstellen zur Datensammlung keine echte Vereinheitlichung vor, kritisierte der Sozialdemokrat. Zudem würde er eine Weitergabe an Drittstellen ohne Klärung der Verfahrensweise erlauben.

Jan Korte von den Linken warnte vor einem "doppelten Horror für die Bürgerrechte", da die weitere Datensammel-Orgie mit einer Rasterfahndung kombiniert werden solle. Die Regierungsfraktionen täten seiner Ansicht nach daher gut daran, gemeinsam mit der Opposition eine Mehrheit gegen das Vorhaben in Europa zu organisieren. Für die FDP versicherte deren Innenexpertin Gisela Piltz, dass die Koalition die Bundesregierung dabei unterstütze, einer Ausweitung auf innereuropäische Flüge nicht zustimmen zu wollen. Man werde auch "genau hinschauen", ob die Initiative im "minimalen" verfassungsrechtlichen Spielraum für verdachtsunabhängige Datenerhebungen bleibe.

Unterstützung erhalten die Gegner des EU-Vorstoßes von einer Analyse des Freiburger "Centrum für europäische Politik". Dessen Forscher kommen zu dem Ergebnis, dass die anlasslose Speicherung und Verarbeitung von PNR unverhältnismäßige sei und gegen das Grundrecht auf Datenschutz verstoße. Als verdachtsunabhängige Rasterfahndung sei das Vorhaben zudem auch nicht mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung vereinbar. Zudem sei der Nutzen für die Verbrechens- und Terrorismusbekämpfung "vernachlässigbar", wie Erfahrungen der USA zeigten. (jk)