Das erste Elektro-Passagierflugzeug hebt ab

Die kanadische Wasserfluggesellschaft Harbour Air hat eines ihrer Verkehrsflugzeuge auf Elektroantrieb umgebaut. Jetzt ist es zum Erstflug gestartet.

Jürgen Schelling
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Am 10. Dezember 2019 hob die De Havilland DHC-2 Beaver in Vancouver ab.

Am 10. Dezember 2019 hob die De Havilland DHC-2 Beaver in Vancouver ab.

Harbour Air Group / EPA

Der Dienstag, 10. Dezember, war im kanadischen Vancouver ein bedeutsamer Tag: Zum ersten Mal in der Geschichte der Luftfahrt hob ein rein elektrisch angetriebenes Verkehrsflugzeug ab. Die Maschine ist zwar klein und kann lediglich bis zu sechs Passagiere transportieren, aber das schmälert den Erfolg keineswegs. Denn der Mini-Airliner ist nicht etwa ein eigens am Computer für Elektroantrieb konzipiertes Hightech-Teil aus Composite-Werkstoffen, sondern eher das genaue Gegenteil: Es ist eine sechzig Jahre alte De Havilland DHC-2 Beaver, ganz aus Metall und bis vor kurzem noch von einem massigen Sternmotor angetrieben.

Dass die Fluggesellschaft Harbour Air aus Vancouver, die insgesamt mehr als vierzig Wasserflugzeuge betreibt und mit ihnen normale Linienflüge anbietet, ausgerechnet einen Oldtimer umbaut, hat gute Gründe. Denn die Beaver ist nicht nur das Rückgrat der Flugzeugflotte von Harbour Air. Ihre durchschnittlichen Passagierflüge dauern auch meist weniger als dreissig Minuten. Dafür ist die Reichweite eines Elektroantriebs ausreichend. Aufgeladen werden könnte sie künftig mittels Ladestationen an den verschiedenen Anlegestellen der Wasserflugzeuge. Zudem wurde mit dem Umbau des Oldtimers bewiesen, dass eine Elektrifizierung in der Luftfahrt durchaus stattfinden kann, wenn es der Betreiber wirklich will und das Einsatzprofil geeignet ist.

Herzstück des Umbaus ist ein 750 PS starker Elektromotor vom Typ Magni500 des US-Unternehmens MagniX. Er sitzt an der Stelle, an der zuvor ein 450 PS starker Pratt-&-Whitney-Sternmotor installiert war. Allerdings musste die Rumpfnase etwas verlängert werden, weil der Elektroantrieb leichter ist als der frühere Kolbenmotor. So stimmt der Schwerpunkt wieder. Neu ist die speziell auf den Elektromotor abgestimmte Luftschraube. Ein angenehmer Nebeneffekt: Die Maschine ist nun deutlich leiser.

Herzstück des Umbaus auf E-Betrieb ist ein 750 PS starker Elektromotor vom Typ Magni500 des US-Unternehmens MagniX.

Herzstück des Umbaus auf E-Betrieb ist ein 750 PS starker Elektromotor vom Typ Magni500 des US-Unternehmens MagniX.

Harbour Air Grou / EPA

Die schweren Lithiumionen-Akkus sitzen schwerpunktnah im Rumpf. Da die Reichweite keine volle Stunde plus Reserve betragen muss, sind sie relativ kompakt. Maximal kommt die elektrische Beaver so 160 Kilometer weit.

«Wir haben Geschichte geschrieben», so beurteilte mit sichtlichem Stolz der CEO von Harbour Air, Greg McDougall, den Erstflug seines rein elektrisch angetriebenen Verkehrsflugzeugs. Er sass als Hauptinitiator des Projekts auch selbst am Steuer des Erstflugs, der vier Minuten lang um den Fraser River in Vancouver in der kanadischen Provinz British Columbia führte. Anschliessend setzte die nicht nur elektrifizierte, sondern gleichzeitig generalüberholte Beaver vor Hunderten begeisterten Zuschauern problemlos wieder auf dem Wasser auf.

Der Erstflug führte während vier Minuten um den Fraser River in Vancouver in der kanadischen Provinz British Columbia.

Der Erstflug führte während vier Minuten um den Fraser River in Vancouver in der kanadischen Provinz British Columbia.

Harbour Air Group / EPA

Die Beaver von De Havilland ist nicht nur in Kanada ohnehin eine Luftfahrtlegende. Entwickelt bereits in den 1940er Jahren, ist das einmotorige Buschflugzeug extrem robust und überzeugt seit mehr als sieben Jahrzehnten durch gute Flugeigenschaften, egal ob auf Rädern oder auf Schwimmern.

Bis die Zulassung der kanadischen Luftfahrtbehörde Transport Canada für die Elektroversion kommt, wird es aber wohl mindestens noch ein Jahr dauern. Erst dann darf auch mit Passagieren geflogen werden.

Aber Harbour Air plant schon weiter: Eine Fallschirmspringer-Absetzmaschine vom Typ Cessna Caravan wird gerade ebenfalls auf den E-Motor von MagniX umgerüstet. Normalerweise treibt eine Propellerturbine diese Cessna an. Aber das Einsatzprofil der Absetzmaschine würde auch bestens zum Elektroantrieb passen.

Ziel von Harbour Air ist es, als erste Fluggesellschaft der Welt völlig CO2-neutral zu fliegen und zudem komplett auf fossile Energieträger zu verzichten. Deshalb sollen in den nächsten Jahren alle der mehr als vierzig Flugzeuge der Wasserflug-Airline auf Elektroantrieb umgerüstet werden. Gleichzeitig erhofft sich das Unternehmen dadurch sogar eine Kosteneinsparung und betriebswirtschaftliche Vorteile. Denn die spritschluckenden Sternmotoren oder Propellerturbinen der bisherigen Flotte verursachen hohe Treibstoffkosten.