Dank Videokonferenzen zum Milliardär – der rasante Aufstieg von Zoom-Gründer Eric Yuan

Die Nachfrage nach Videokonferenz-Lösungen ist wegen der Coronavirus-Krise explodiert. Neben den grossen Konzernen nutzen neue Mitspieler ihre Chance – und es zeigen sich auch neuartige Probleme.

Stefan Betschon
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Virtueller Hörsaal: Videovorlesung an der Rangsit University in Bangkok

Virtueller Hörsaal: Videovorlesung an der Rangsit University in Bangkok

Rungroj Yongrit / EPA

Video-Conferencing boomt. Der durch das Coronavirus erzwungene Rückzug ins Home-Office hat die Nachfrage nach internetbasierten, multimedialen Telekommunikationslösungen explodieren lassen. Microsoft und Cisco haben seit Ausbruch der Pandemie in einigen Märkten bei der Dauer der Videokonferenzen eine Zunahme im hohen dreistelligen Prozentbereich beobachtet. Auch die Zahl der Neuanmeldungen hat sich stark erhöht, Cisco beispielsweise nennt hier für das Webex genannte Produkt ein Wachstum von rund 700 Prozent.

Plötzliche Popularität

Die meisten Anbieter von Videokonferenz-Software vermarkten ihre Produkte auf der Basis eines «Freemium»-Geschäftsmodells: Einfachere Formen der Nutzung sind gratis, anspruchsvollere Zusatzfunktionen müssen bezahlt werden. Sowohl Cisco wie auch Microsoft haben dieser Tage aus aktuellem Anlass den Leistungsumfang ihrer Gratisangebote erweitert.

Der Börsengang von Zoom hat sich für Gründer Eric Yuan gelohnt.

Der Börsengang von Zoom hat sich für Gründer Eric Yuan gelohnt.

Mark Lennihan / AP

Von der zunehmenden Nachfrage nach Kommunikationssoftware profitiert auch das kalifornische Unternehmen Zoom Video Communications. Das Unternehmen wurde 2011 von ehemaligen Cisco-Mitarbeitern gegründet und 2019 mit grossem Erfolg an die Börse gebracht. Durch diesen Börsengang wurde Eric Yuan, der Gründer und CEO des Unternehmens, mit 49 Jahren zum Milliardär.

Yuan hatte in China Mathematik und Informatik studiert. Fasziniert von Unternehmerpersönlichkeiten wie Bill Gates, bemühte er sich um eine Möglichkeit, im Silicon Valley zu arbeiten. 1997 konnte er bei der Jungfirma Webex anheuern, die 2007 von Cisco übernommen wurde. Yuan machte innerhalb von Cisco Karriere, leitete bald ein grosses Team von Entwicklern. Doch er fühlte sich eingeengt, er glaubte, seine Ideen für eine neuartige Video-Conferencing-Software bei Cisco nicht umsetzen zu können. 2011 machte er sich selbständig.

Ein gewagter Schritt: Denn in dem Markt, den Yuan anvisierte, hatten global tätige Computerunternehmen wie Cisco oder Hewlett-Packard die zahlungskräftigen Firmenanwender an sich gebunden, ausserdem hatten agile Jungfirmen – allen voran Skype – mit Gratisangeboten die Privaten für sich eingenommen. 2010 lancierte Apple mit Facetime eine Gratis-Software, Skype wurde 2011 von Microsoft übernommen, 2013 kam Google mit Hangouts auf den Markt. Skype soll längerfristig in Microsoft Teams aufgehen.

Fortgeschrittene Funktionen

Zoom erlebte in jüngster Vergangenheit einen steilen Aufstieg. Im Apple-App-Store gehört die Software von Zoom weltweit zu den populärsten Anwendungen. Allein am vergangenen Sonntag haben mehr als eine halbe Million Menschen die Zoom-Smartphone-App heruntergeladen. In der Schweiz liegt diese App auf Platz eins. Das ist nicht zuletzt auch deshalb bemerkenswert, weil Apple auf allen seinen Mobilcomputern und Smartphones Facetime vorinstalliert hat. Doch weil sich diese Apple-Software nur auf Apple-Hardware nutzen lässt, ist der Nutzerkreis begrenzt.

Während Cisco Webex und Microsoft Teams eher auf die Bedürfnisse von Firmenanwendern ausgerichtet sind, ist Zoom auch im Privatbereich populär. Viele Schulen und Universitäten nutzen Zoom für den Unterricht, so dass diese Software unter jüngeren Anwendern grosse Bekanntheit geniesst. Gegenüber Microsoft Teams oder Cisco Webex soll sie sich durch eine bessere Bildqualität und eine hohe Benutzerfreundlichkeit auszeichnen; im Vergleich mit Konkurrenzprodukten wie Google Hangouts oder Facebook Messenger kann Zoom mit fortgeschrittenen Funktionen punkten. Dazu gehört etwa die Erweiterbarkeit oder die Fähigkeit, mit wichtigen Business-Anwendungen zu kooperieren. Zoom erlaubt etwa auch die Aufzeichnung von Konferenzen oder die Übertragung von Bildschirminhalten.

Virtuelle Randalierer

Der Erfolg von Zoom hat auch seine Schattenseiten. Es häufen sich Berichte über gezielte Störungen von Zoom-Konferenzen. Solche Aktionen werden «Zoombombing» genannt. Beispielsweise mussten die prominenten amerikanischen Journalistinnen Kara Swisher und Jessica Lessin Anfang März eine öffentliche Zoom-Konferenz für Firmengründerinnen nach nur fünfzehn Minuten stoppen, weil jemand angefangen hatte, pornografische Inhalte auf die Bildschirme der Teilnehmerinnen zu bringen. Es ist bei grossen, öffentlich zugänglichen Videokonferenzen schwierig herauszufinden, wer genau die Kommunikation mit unangemessenen Inhalten stört. So bleibt dem Veranstalter mitunter nichts anderes übrig, als die Konferenz vorzeitig abzubrechen.

Es fehlt nicht an Kritik an Zoom. Vor einem Jahr hatte ein Sicherheitsforscher behauptet, eine Lücke entdeckt zu haben, dank der er auf die Videokameras von Zoom-Anwendern zugreifen könne. Die Sicherheitslücke wurde rasch geschlossen, veranlasste aber das Electronic Privacy Information Center (Epic), eine Beschwerde gegen Zoom bei der amerikanischen Handelskommission (FTC) einzureichen. Wegen Beschwerden von Epic mussten Facebook und Google hohe Bussen bezahlen.

Angst vor Überwachung

Es ist vor allem ein «attention tracking» genanntes Funktionsmerkmal von Zoom, das die Datenschützer ärgert. Diese Funktion ermöglicht es dem Organisator einer Videokonferenz, zu überprüfen, ob auf den Bildschirmen der anderen Teilnehmer das Fenster der Zoom-Software aktiv ist. Der Chef oder der Lehrer kann also feststellen, wenn der Mitarbeiter oder der Schüler sich mit anderen Programmen abgibt.

Zoom bestreitet, dass dadurch die Privatsphäre der Zoom-Anwender beeinträchtigt würde. Und wer sich als Organisator einer Konferenz durch dieses Funktionsmerkmal gestört fühle, könne es deaktivieren. Die amerikanische Electronic Frontier Foundation, die sich für Grundrechte im Informationszeitalter einsetzt, weist darauf hin, dass auch andere internetbasierte Kommunikationswerkzeuge – beispielsweise Slack – die Privatsphäre ihrer Anwender bedrohten. Die gemeinnützige Organisation fordert Schulen und Unternehmen auf, den Anwendern einen Ausstieg zu erlauben.

Als Alternative zu Zoom hat sich die junge norwegische Softwarefirma Whereby ins Gespräch gebracht. Die Gratisversion dieser Software lässt sich ohne Anmeldung benutzen. Der Verkauf von Benutzerdaten an Werbetreibende sei nicht Teil des Geschäftsmodells, betont die Firmengründerin Ingrid Ødegaard im Gespräch mit der dänischen Denkfabrik Dataethics. Datenschutz sei ihr ein persönliches Anliegen, man habe grosse Anstrengungen unternommen, um die europäische Datenschutz-Grundverordnung umzusetzen.

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